Etwa 700.000 Österreicher sind hochgradig Tabak-abhängig und benötigen professionelle Unterstützung, um mit dem Rauchen aufzuhören. Hilfestellung bietet das Fünf-Wochen-Programm der ambulanten Raucherberatung. Wesentlicher Punkt dabei: Der erste Impuls muss meist vom Arzt kommen. Von Marlene Weinzierl
Rund 700.000 Österreicher sind hochgradig Tabak-abhängig; Schätzungen zufolge sterben jährlich zwischen 11.000 und 14.000 Österreicher an den Folgen des Tabakkonsums. Lediglich fünf bis sieben Prozent der Betroffenen suchen einen Arzt auf, weil sie mit dem Rauchen aufhören möchten, wie Irmgard Homeier von der 2. Internen Lungenabteilung am Sozialmedizinischen Zentrum Baumgartner Höhe in Wien erklärt. Ein wichtiger Punkt sei daher, als Arzt die Raucher von sich aus darauf anzusprechen und zumindest eine Kurzintervention vorzunehmen (siehe Kasten).
Professionelle Unterstützung bei der Raucherentwöhnung bietet das Fünf-Wochen-Programm der ambulanten Raucherberatung, das vom Institut für Sozialmedizin der MedUni Wien in Kooperation mit den Krankenkassen entwickelt wurde. Durch eine Kombination aus psychologischen und – wenn nötig – medikamentösen Maßnahmen schafft es ein Drittel der Teilnehmer, mit dem Rauchen aufzuhören, ein weiteres Drittel kann den Tabakkonsum reduzieren. Allerdings: „Tabakabhängigkeit ist eine chronische Erkrankung, die von Situationen der Abstinenz und des Rückfalls gekennzeichnet ist“, betont Homeier. Die Expertin, die für Ärztinnen und Ärzte regelmäßig Schulungen für Raucherentwöhnung anbietet, weiß aus der Praxis, dass für einen dauerhaften Rauchstopp eine einmalige Intervention oft nicht ausreicht. „Eine der größten Gefahren im Hinblick auf den Therapieerfolg liegt in einer falschen oder nicht ausreichenden Behandlung der physischen Abhängigkeit“, so Homeier.
Die größten Erfolge zeigten der Einsatz von Nikotinersatzpräparaten und Vareniclin. Letzteres habe sich laut Homeier auch bei den Patienten bewährt, die an einer Tabak-assoziierten Erkrankung leiden. Allerdings zeige die aktuelle EAGLES-Studie (EAGLES = Evaluating Adverse Events in a Global Smoking Cessation Study), dass Patienten unter Vareniclin häufiger depressiv und suizidal sind. Ob die E‑Zigarette in der Raucherentwöhnung à la longue wirksam ist, sei den Aussagen der Expertin zufolge nicht bekannt. „Aufgrund der bislang kaum noch untersuchten Inhalts- und Aromastoffe und der kaum standardisierten Herstellung kann aus ärztlicher Sicht keine Empfehlung abgegeben werden“, so Homeier. Außerdem befürchtet man, dass die E‑Zigarette bei jungen Menschen möglicherweise einen Einstieg in die Tabakabhängigkeit bedeutet.
In den Augen von Univ. Prof. Michael Kunze vom Institut für Sozialmedizin im Zentrum für Public Health der MedUni Wien sind insgesamt „fünf Schritte notwendig, um den Zigarettenkonsum flächendeckend und dauerhaft einzudämmen“. So würden Preissteigerungen von nur einem Prozent pro Zigarettenpackung zu einem Rückgang des Zigarettenkonsums von 0,5 Prozent führen. Kunze: „Wir wissen, dass dann besonders bei Jugendlichen der Konsum zurückgeht.“ Gleichzeitig seien eine stärkere Bekämpfung des Zigarettenschmuggels, eine strengere Umsetzung der Rauchbeschränkungen in Gaststätten und Betrieben sowie die Freigabe von weniger gefährlichen Alternativprodukten als Nikotinersatztherapie erforderlich. Kunze plädiert außerdem für einen Ausbau der Therapiemaßnahmen: „Umfassende, strukturierte Therapieangebote sind leider nur begrenzt verfügbar. Die Förderung von Einrichtungen, die sich speziell mit diesem Thema beschäftigen, muss verstärkt werden.“
Train the Trainer Die Österreichische Gesellschaft für Pneumologie bietet zusammen mit der Wiener Ärztekammer im Rahmen des Diplom-Fortbildungsprogramms (DFP) der ÖÄK Basisseminare zum Erlernen der Grundlagen in der Raucherentwöhnung sowie vertiefende Expertenseminare für Allgemeinmediziner und Ärzte aller Fachrichtungen an. Nächster Termin Basisseminar: 25. Februar 2017 |
Möglichkeiten der Intervention Jedem Raucher sollte – so die Empfehlung von Irmgard Homeier – eine Kurzintervention angeboten werden. Sie dauert weniger als drei Minuten und erhöht die Erfolgsrate in der Raucherentwöhnung. Es empfiehlt sich, bei jedem Raucher nach der „5 A‑Strategie“ vorzugehen:
Realistische Ziele:
Wird eine Bereitschaft zur Veränderung wahrgenommen, sollte man sich für den Patienten mehr Zeit nehmen, ein längeres Gespräch und eine Intervention anbieten: Raucher ohne Wunsch nach Veränderung: Zeigt der Patient keine Bereitschaft, den Tabakkonsum zu reduzieren oder einzustellen, kann der Arzt mit dem Patienten vereinbaren, wann er das nächste Mal auf das Rauchen angesprochen werden möchte und in einem ausführlicheren Gespräch den Versuch der Motivation mit den „5 Rs“ wagen:
Beispiel: „Das letzte Mal waren Sie nicht zu einer Verhaltensänderung bereit. Wie ist das heute? Aus diesem und jenem Grund gebe ich Ihnen den dringenden Rat aufzuhören. Sie müssen nicht von einer Sekunde auf die andere ganz verzichten, vielleicht gelingt Ihnen eine Reduktion.“ Kann sich der Betroffene vorstellen, den Tabakkonsum zu reduzieren, macht laut Homeier eine „strukturierte Raucherentwöhnung“ (Fünf-Wochen-Programm) Sinn. |
Interview Ernest Groman: „Genaue Ziele vereinbaren“ Warum es wichtig ist, bei der Raucherentwöhnung auf die Wünsche des Patienten einzugehen und parallel dazu auch genaue Ziele zu vereinbaren, erklärt Univ. Doz. Ernest Groman vom Institut für Sozialmedizin im Zentrum für Public Health der MedUni Wien im Gespräch mit Marlene Weinzierl. ÖÄZ: Sie waren maßgeblich an der Entwicklung des fünfwöchigen Raucher-Entwöhnungsprogramms beteiligt. Welche Eckpfeiler hat das Programm? Warum ist das Programm für fünf Wochen konzipiert? Wie genau sieht der Programmablauf aus? Wie sieht die Ansprechrate aus? Wie hoch ist die Erfolgsrate? Wovon hängt eine erfolgreiche Raucherentwöhnung noch ab? Tipp: www.nikotininstitut.at |
© Österreichische Ärztezeitung Nr. 1–2 /25.01.2017