Raucherentwöhnung: Fünf Schritte – fünf Wochen

25.01.2017 | Medizin

Etwa 700.000 Österreicher sind hochgradig Tabak-abhängig und benötigen professionelle Unterstützung, um mit dem Rauchen aufzuhören. Hilfestellung bietet das Fünf-Wochen-Programm der ambulanten Raucherberatung. Wesentlicher Punkt dabei: Der erste Impuls muss meist vom Arzt kommen. Von Marlene Weinzierl

Rund 700.000 Österreicher sind hochgradig Tabak-abhängig; Schätzungen zufolge sterben jährlich zwischen 11.000 und 14.000 Österreicher an den Folgen des Tabakkonsums. Lediglich fünf bis sieben Prozent der Betroffenen suchen einen Arzt auf, weil sie mit dem Rauchen aufhören möchten, wie Irmgard Homeier von der 2. Internen Lungenabteilung am Sozialmedizinischen Zentrum Baumgartner Höhe in Wien erklärt. Ein wichtiger Punkt sei daher, als Arzt die Raucher von sich aus darauf anzusprechen und zumindest eine Kurzintervention vorzunehmen (siehe Kasten).

Professionelle Unterstützung bei der Raucherentwöhnung bietet das Fünf-Wochen-Programm der ambulanten Raucherberatung, das vom Institut für Sozialmedizin der MedUni Wien in Kooperation mit den Krankenkassen entwickelt wurde. Durch eine Kombination aus psychologischen und – wenn nötig – medikamentösen Maßnahmen schafft es ein Drittel der Teilnehmer, mit dem Rauchen aufzuhören, ein weiteres Drittel kann den Tabakkonsum reduzieren. Allerdings: „Tabakabhängigkeit ist eine chronische Erkrankung, die von Situationen der Abstinenz und des Rückfalls gekennzeichnet ist“, betont Homeier. Die Expertin, die für Ärztinnen und Ärzte regelmäßig Schulungen für Raucherentwöhnung anbietet, weiß aus der Praxis, dass für einen dauerhaften Rauchstopp eine einmalige Intervention oft nicht ausreicht. „Eine der größten Gefahren im Hinblick auf den Therapieerfolg liegt in einer falschen oder nicht ausreichenden Behandlung der physischen Abhängigkeit“, so Homeier.

Die größten Erfolge zeigten der Einsatz von Nikotinersatzpräparaten und Vareniclin. Letzteres habe sich laut Homeier auch bei den Patienten bewährt, die an einer Tabak-assoziierten Erkrankung leiden. Allerdings zeige die aktuelle EAGLES-Studie (EAGLES = Evaluating Adverse Events in a Global Smoking Cessation Study), dass Patienten unter Vareniclin häufiger depressiv und suizidal sind. Ob die E-Zigarette in der Raucherentwöhnung à la longue wirksam ist, sei den Aussagen der Expertin zufolge nicht bekannt. „Aufgrund der bislang kaum noch untersuchten Inhalts- und Aromastoffe und der kaum standardisierten Herstellung kann aus ärztlicher Sicht keine Empfehlung abgegeben werden“, so Homeier. Außerdem befürchtet man, dass die E-Zigarette bei jungen Menschen möglicherweise einen Einstieg in die Tabakabhängigkeit bedeutet.

In den Augen von Univ. Prof. Michael Kunze vom Institut für Sozialmedizin im Zentrum für Public Health der MedUni Wien sind insgesamt „fünf Schritte notwendig, um den Zigarettenkonsum flächendeckend und dauerhaft einzudämmen“. So würden Preissteigerungen von nur einem Prozent pro Zigarettenpackung zu einem Rückgang des Zigarettenkonsums von 0,5 Prozent führen. Kunze: „Wir wissen, dass dann besonders bei Jugendlichen der Konsum zurückgeht.“ Gleichzeitig seien eine stärkere Bekämpfung des Zigarettenschmuggels, eine strengere Umsetzung der Rauchbeschränkungen in Gaststätten und Betrieben sowie die Freigabe von weniger gefährlichen Alternativprodukten als Nikotinersatztherapie erforderlich. Kunze plädiert außerdem für einen Ausbau der Therapiemaßnahmen: „Umfassende, strukturierte Therapieangebote sind leider nur begrenzt verfügbar. Die Förderung von Einrichtungen, die sich speziell mit diesem Thema beschäftigen, muss verstärkt werden.“

Train the Trainer

Die Österreichische Gesellschaft für Pneumologie bietet zusammen mit der Wiener Ärztekammer im Rahmen des Diplom-Fortbildungsprogramms (DFP) der ÖÄK Basisseminare zum Erlernen der Grundlagen in der Raucherentwöhnung sowie vertiefende Expertenseminare für Allgemeinmediziner und Ärzte aller Fachrichtungen an.

Nächster Termin Basisseminar: 25. Februar 2017
Anmeldungen unter: butzendobler@aekwien.at
Leitung: Dr. Irmgard Homeier, Dr. Alfred Lichtenschopf

Möglichkeiten der Intervention

Jedem Raucher sollte – so die Empfehlung von Irmgard Homeier – eine Kurzintervention angeboten werden. Sie dauert weniger als drei Minuten und erhöht die Erfolgsrate in der Raucherentwöhnung. Es empfiehlt sich, bei jedem Raucher nach der „5 A-Strategie“ vorzugehen:

  • Ask: Erfragen und systematisches Erfassen des Rauchverhaltens bei jedem Arztbesuch
  • Advise: Empfehlung zum Aufhören (Reduktion) für jeden Raucher
  • Assess: Evaluierung der Bereitschaft zur Verhaltensänderung

Realistische Ziele:

  • Evaluation der Bereitschaft des Patienten, das Rauchen aufzugeben
  • Impulsgebung, der einen Nachdenkprozess einleitet oder vorantreibt und die Motivation erhöht, bis der Patient selbst zur Verhaltensänderung bereit ist

Wird eine Bereitschaft zur Veränderung wahrgenommen, sollte man sich für den Patienten mehr Zeit nehmen, ein längeres Gespräch und eine Intervention anbieten:
Assist: Unterstützung beim Rauchverzicht (strukturierte Raucherentwöhnung mit Hilfe des fünfwöchigen Programms)
Arrange: Planen der regelmäßigen Termine und Nachbetreuung (Rückfallprophylaxe)

Raucher ohne Wunsch nach Veränderung: Zeigt der Patient keine Bereitschaft, den Tabakkonsum zu reduzieren oder einzustellen, kann der Arzt mit dem Patienten vereinbaren, wann er das nächste Mal auf das Rauchen angesprochen werden möchte und in einem ausführlicheren Gespräch den Versuch der Motivation mit den „5 Rs“ wagen:

  • Relevance: Erarbeiten von spezifischen, persönlichen Gründen für das Aufhören
  • Risks: Besprechen von akuten Risikofaktoren
  • Rewards: Besprechen von Vorteilen eines Rauchstopps
  • Roadblocks: Hinterfragen von Barrieren, die am Rauchstopp hindern
  • Repetition: Wiederholung des Motivationsversuchs bei jedem Arztbesuch (nicht öfter als einmal monatlich).

Beispiel: „Das letzte Mal waren Sie nicht zu einer Verhaltensänderung bereit. Wie ist das heute? Aus diesem und jenem Grund gebe ich Ihnen den dringenden Rat aufzuhören. Sie müssen nicht von einer Sekunde auf die andere ganz verzichten, vielleicht gelingt Ihnen eine Reduktion.“

Kann sich der Betroffene vorstellen, den Tabakkonsum zu reduzieren, macht laut Homeier eine „strukturierte Raucherentwöhnung“ (Fünf-Wochen-Programm) Sinn.

Interview Ernest Groman: „Genaue Ziele vereinbaren“

Warum es wichtig ist, bei der Raucherentwöhnung auf die Wünsche des Patienten einzugehen und parallel dazu auch genaue Ziele zu vereinbaren, erklärt Univ. Doz. Ernest Groman vom Institut für Sozialmedizin im Zentrum für Public Health der MedUni Wien im Gespräch mit Marlene Weinzierl.

ÖÄZ: Sie waren maßgeblich an der Entwicklung des fünfwöchigen Raucher-Entwöhnungsprogramms beteiligt. Welche Eckpfeiler hat das Programm?
Groman: Zum einen setzen wir bei einer Verhaltensmodifikation an, indem wir mit dem Teilnehmer genaue Ziele zur Änderung seiner Rauchgewohnheiten vereinbaren. Bei physischer Abhängigkeit werden die Patienten mit einer Medikationsempfehlung unterstützt. Für den Therapieerfolg ist es in beiden Fällen äußerst wichtig, auf die Wünsche des Patienten einzugehen.

Warum ist das Programm für fünf Wochen konzipiert?
Wir haben unterschiedliche Ansätze ausprobiert: ausgehend von reinen Informationsveranstaltungen für Patienten bis hin zu sehr langen Betreuungsprogrammen. Dabei haben wir beobachtet, dass fünf Termine in fünf Wochen für die Patienten noch annehmbar sind, damit sie regelmäßig wiederkommen. Außerdem haben wir beim Großteil der Teilnehmer Erfolge innerhalb dieser fünf Termine verzeichnet. Wir haben zusätzlich auf die Kompatibilität mit Betriebsprogrammen geachtet, denn wir betreuen auch Unternehmen, die ihre Mitarbeiter bei der Raucherentwöhnung unterstützen möchten.

Wie genau sieht der Programmablauf aus?
Maßgeblich ist die individuelle Begleitung. Das bedeutet, die einzelnen Schritte variieren je nach Patient, basieren aber auf folgendem Rahmenprogramm: Beim ersten Termin werden die Basisdaten erhoben, eine Anamnese und ein Abhängigkeitstest mittels Kohlenmonoxid-Messung vorgenommen. Bei Bedarf gibt es eine Medikationsempfehlung. Außerdem wird von Beginn an regelmäßig eine Gewichtskontrolle vorgenommen. Eine Gewichtszunahme des Patienten als oft genannter Grund für einen Abbruch des Programms kann so meist entkräftet oder relativiert werden. Auf der Basis des Patientenwunsches wird dann gemeinsam ein Ziel zur Verhaltensänderung vereinbart – zum Beispiel eine Reduktion des Zigarettenkonsums bis zum nächsten Termin. Plant der Patient eine völlige Abstinenz von Anfang an, soll er in seinem Vorhaben natürlich nicht gebremst werden. Beim zweiten und dritten Termin erfolgt eine (Selbst)Reflexion: Wie ist es dem Patienten ergangen? Wurde das Ziel erreicht? Wurde die Medikation angewendet? Braucht es einen neuen, definitiven Termin für die Umsetzung des Rauchstopp-Vorhabens? Hemmnisse sowie Schwierigkeiten werden besprochen. Daran wird bei den nächsten beiden Terminen noch gearbeitet. Im Erfolgsfall ist der fünfte Termin lediglich ein Kontrolltermin.

Wie sieht die Ansprechrate aus?
Ein Drittel der Patienten, die zu uns kommen, weist bereits eine Tabak-assoziierte Erkrankung auf. Wurde diese Erkrankung erst kürzlich diagnostiziert, ist das für die Patienten meist ein Grund, mit dem Rauchen aufzuhören. Schwieriger ist es beispielsweise bei Personen, die an einer COPD in einem fortgeschrittenen Stadium leiden. Diese wissen zwar schon lange, wie wichtig es wäre, mit dem Rauchen aufzuhören, können oder wollen aber dennoch nicht aufhören. Sie benötigen ein Spezialprogramm mit intensiverer Betreuung.

Wie hoch ist die Erfolgsrate?
Raucherprogramme werden in Österreich nicht exakt evaluiert. Auch werden Raucher mit einem Konsum von 60 Zigaretten pro Tag mit jenen, die etwa zehnmal pro Tag rauchen, in einen Topf geworfen. Befragungen ein Jahr nach Beendigung des Programms haben ergeben, dass ein Drittel der Teilnehmer aufgehört hat zu rauchen. Ein weiteres Drittel konnte seinen Zigarettenkonsum reduzieren. Auch dieses Drittel ist wichtig, wird in der Statistik aber weiterhin unter „Raucher“ geführt. Ausschlaggebend für den Erfolg ist die Grundeinstellung der Betroffenen. Wesentlich ist auch das Umfeld: Familie, Freunde, Arbeitsplatz. Raucht der Partner weiterhin, gibt es deutlich mehr Rückfälle. Auch ist das erneute Verlangen nach einer Zigarette meist durch bestimmte Situationen getriggert, die es zu vermeiden oder zu ändern gilt.

Wovon hängt eine erfolgreiche Raucherentwöhnung noch ab?
Raucher wünschen einen raschen Erfolg, für den man sich nicht zu sehr anstrengen muss und der nichts kostet. Bei Abhängigkeiten steht noch dazu die Ambivalenz sehr im Vordergrund: Möchte der Patient heute noch aufhören zu rauchen, kann das eine Woche später schon anders sein. Das bedeutet, dass man die Betroffenen sehr schnell und zielgenau zuweisen muss, was manchmal Schwierigkeiten bereitet. Muss der Patient zweimal oder öfter anrufen, um einen Termin für eine Beratung zu erhalten, wird der Entschluss, das Rauchen zu beenden, sehr schnell ad acta gelegt.

Tipp: www.nikotininstitut.at

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 1-2 / 25.01.2017