kurz & informativ: Medizinische Kurzmeldungen

15.08.2017 | Medizin

M. Alzheimer: Überaktive Mikroglia treibt Abbau voran

Internationale Forscher um Lawrence Rajendran von der Universität Zürich haben die Rolle von bekannten Alzheimer-Risikogenen auf das Fortschreiten der Krankheit untersucht. Der Verlust eines Gens, das für das Protein TDP-43 codiert, führt zu einer gesteigerten Phagozytoseaktivität der Mikrogliazellen. Dadurch entfernen sie zwar Beta-Amyloid-Plaques effizient; im Tierversuch entfernten sie aber fälschlicherweise auch Synapsen, was den Abbau von Neuronen vorantreiben könnte. Die Forscher vermuten, dass Alterungsprozesse im Gehirn einen ähnlichen Effekt auf die Mikrogliazellen haben könnten. Dies zeige, dass Mikrogliazellen – anders als bisher angenommen – aktiv den Abbau von Neuronen verursachen können. „Fehlfunktionen der Mikrogliazellen dürften ein wichtiger Grund sein, weshalb viele Alzheimer-Medikamente in klinischen Versuchen zwar die Amyloid-Plaques reduzierten, bei den Patienten aber zu keiner Verbesserung der kognitiven Funktionen führten“, so Rajendran. APA/Neuron

Meningitis-Vakzine gegen Gonorrhö?

Forscher aus den USA und Neuseeland haben Daten von 14.000 Personen untersucht, die im Rahmen einer Impfkampagne zwischen 2004 und 2006 gegen Meningitis B geimpft worden waren. Dabei zeigte sich, dass es bei den Meningitis B-Geimpften 31 Prozent weniger Gonorrhö-Fälle gab als bei Nicht-Geimpften. „Das ist das erste Mal, dass ein Impfstoff eine Schutzwirkung gegen Gonorrhö zeigte“, so Co-Autorin Helen Petousis- Harris von der Universität von Auckland. Die Erreger von Meningitis und Gonorrhö weisen einige genetische Übereinstimmungen auf; dennoch sei unklar, wieso die mittlerweile nicht mehr erhältliche Meningitis-Vakzine auch gegen Gonorrhö wirkte. Laut den Forschern könnten auch neuere Meningitis-Vakzinen diesen Effekt haben; dafür seien aber weitere Studien nötig. Den Angaben der WHO zufolge erkranken jedes Jahr 78 Millionen Menschen an Gonorrhö. APA/The Lancet

Follikuläres Lymphom: Gendefekt entdeckt

Ein internationales Forscherteam mit Beteiligung der Uni und ETH Lausanne haben das Erbgut von mehr als 200 Patienten mit follikulärem Lymphom untersucht und ein Gen entdeckt, dessen Verlust mit der Entstehung zusammenhängt. Beim follikulären Lymphom sind Teile der Chromosomen 14 und 18 vertauscht oder Teile von Chromosom 6 (bei 30 Prozent der Betroffenen) gehen verloren. Nun haben die Wissenschafter entdeckt, dass mit dem Chromosom 6 auch das Gen Sestrin 1 verloren geht – dieses stoppt aber normalerweise das Wachstum von Krebszellen, indem es den Proteinkomplex TORC 1 blockiert. Aktuell wird ein Krebsmedikament getestet, dessen Wirksamkeit von Sestrin 1 abhängt; an dessen Zustand lasse sich überdies erkennen, ob Krebspatienten von dem neuen Medikament profitieren oder nicht. Mehr als 200.000 Menschen weltweit erkranken jährlich an einem follikulären Lymphom. APA/Science Translational Medicine

Handprothesen aus 3D-Drucker

Züricher Forscher haben individuelle Handprothesen für Kinder entwickelt, die mit 3D-Drucker hergestellt werden. Sie funktionieren nach einem Baukastensystem und haben verschiedene Aufsätze für den Prothesenschaft. Neben Alltagsprothesen gibt es spezielle Sport-Module – teilweise ist einfache Sensorik integriert. Die Prototypen – sie sind leicht, robust, einfach austauschbar und kostengünstiger –haben sich in ersten Tests bewährt; Sicherheit und Funktionalität müssen getestet werden. APA

Diabetes: Secretagogin als Schutzfaktor?

Forscher um Katarzyna Malenczyk vom Zentrum für Hirnforschung der MedUni Wien haben im Tiermodell und in Beta-Zellen von Menschen, die an Diabetes mellitus leiden, erstmals gezeigt, dass ein deutlich niedrigeres Niveau an Secretagogin vorliegt. Der Verlust des Proteins führt zu einer Akkumulation von toxischen Eiweißen und zum Absterben der Zellen; eine Steigerung der Proteinkonzentration stelle hingegen einen Schutzfaktor dar. Demnach könnte man durch Ankurbelung der Ausschüttung von Secretagogin – etwa durch Capsaicin-Präparate – einen Zellschutz aktivieren. APA/EMBO

Zöliakie: Infektion als Baby erhöht Risiko

Forscher des Instituts für Diabetesforschung am Helmholtz-Zentrum München haben anhand der Daten von mehr als 295.000 Kindern, die zwischen 2005 und 2007 geboren wurden, untersucht, wie viele und welche Kinder an Zöliakie erkrankten. Insgesamt waren 853 Kinder betroffen; das entspricht einem Anteil von 0,3 Prozent. Dabei fanden die Wissenschafter heraus, dass Infektionen wie Magen-Darm-Erkrankungen im ersten Lebensjahr das Risiko für eine spätere Zöliakie erhöhen. APA/American Journal of Epidemiology

Myokardinfarkt ist „systemische Erkrankung“

Forscher der MedUni Wien konnten im Großtiermodell zeigen, wie ein Myokardinfarkt in seiner Ganzheit aussieht und dass Tausende Gene daran beteiligt sind. Das trage enorm zum systembiologischen Verständnis bei; bisher sei mit monokausalen Ansätzen versucht worden, molekulare und zelluläre Prozesse nach einem Myokardinfarkt zu verstehen. Die aktuelle Studie von Matthias Zimmerman, Hendrik Jan Ankersmit und Michael Mildner, die an den Universitätskliniken für Chirurgie und Dermatologie der MedUni Wien durchgeführt wurde, zeigt: Ein Myokardinfarkt ändert die Expression von fast 9.000 Genen im Herzen, aber auch von 900 im Leber- und rund 350 im Milzgewebe innerhalb von 24 Stunden nach dem Infarkt. Auch konnte man dem Transkriptionsfaktor Klf4 eine bedeutende Rolle zuschreiben. Die Erkenntnisse stellen nicht die gängige Akuttherapie infrage; dennoch sollte künftig die Therapie systemisch betrachtet werden und an mehreren Stellen ansetzen. APA/Oncotarget

Migräne: Erenumab reduziert Analgetikaverbrauch

Ein internationales Forscherteam hat untersucht, ob der monoklonale Antikörper Erenumab bei Migräne-Patienten mit zu hohem Analgetikakonsum wirkt. Erenumab richtet sich gegen den Calcitonin-Gene-Related-Peptid(CGRP) Rezeptor; die Wirksamkeit bei Patienten mit chronischer Migräne wurde in mehreren Studien belegt. In einer aktuellen Sub-Analyse erhielten Patienten entweder Placebo, 70 Milligramm Erenumab oder 140 Milligramm Erenumab. Im Schnitt litten sie zwischen 18,8 und 19,6 Tagen pro Monat unter Migräneattacken. Ergebnis: Erenumab reduzierte die Zahl der Migränetage bei Patienten mit zu hohem Medikamentenkonsum genauso effizient wie im Gesamtkollektiv. Unabhängig von der Dosis hatten die mit Erenumab versorgten Patienten im Schnitt 6,6 mehr schmerzfreie Tage pro Monat, in der Placebogruppe waren es nur 3,5 Tage mehr. Die Anfallshäufigkeit nahm in den Erenumab-Gruppen bei mehr als einem Drittel um mindestens die Hälfte ab, in der Placebogruppe nur um 18 Prozent. Auch die Analgetika-Einnahme konnte reduziert werden: Anstatt 2,1 Tage unter Placebo kamen Patienten unter Erenumab rund fünf Tage ohne Analgetika aus. APA

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 15-16 / 15.08.2017