kurz & infor­ma­tiv: Medi­zi­ni­sche Kurzmeldungen

15.07.2017 | Medizin

Gas­tro­in­testi­nale Tumore: Ves­ikel als Bio­mar­ker

Schwei­zer Wis­sen­schaf­ter um Jean-Louis Fros­sard von der Uni­ver­si­tät Genf haben die Anzahl, Mor­pho­lo­gie und Größe von extra­zel­lu­lä­ren Ves­ik­eln in der Galle von 25 Krebs­pa­ti­en­ten unter­sucht: 20 mit Bauch­spei­chel­drü­sen­krebs und fünf mit einem Kar­zi­nom der Gal­len­wege. Diese Daten ver­gli­chen sie mit Bio­mar­kern, die übli­cher­weise für die Dia­gnose ver­wen­det wer­den. Die glei­che Ana­lyse führ­ten sie bei Pati­en­ten mit ande­ren Erkran­kun­gen durch, 15 davon mit chro­ni­scher Pan­krea­ti­tis und zehn mit Gal­len­stei­nen. Das – laut Stu­di­en­au­to­rin Anna­rita Farina auch für die For­scher – „über­ra­schende“ Ergeb­nis: eine nahezu 100-pro­zen­tige Kor­re­la­tion zwi­schen der hohen Rate von extra­zel­lu­lä­ren Ves­ik­eln und den Krebs­fäl­len. Mit die­sem Nach­weis könnte die Früh­dia­gnose ver­bes­sert wer­den; das Ver­fah­ren müsse sich zunächst bei einer grö­ße­ren Anzahl Pati­en­ten bewäh­ren. APA/​Gastroenterology

Hydro­ze­pha­lus: Ent­ste­hungs­me­cha­nis­mus geklärt 

Wis­sen­schaf­ter des Deut­schen Krebs­for­schungs­zen­trums (DKFZ) in Hei­del­berg haben den Mecha­nis­mus hin­ter dem Gen­de­fekt, der zu einem Hydro­ze­pha­lus führt, geklärt. Das ent­spre­chende Gen wurde bereits 2013 ent­deckt. Das Team von Andreas Fischer am DKFZ hat nun her­aus­ge­fun­den, dass bei neu­ge­bo­re­nen Mäu­sen mit einem defek­ten Mpdz-Gen das Epen­dym stark geschä­digt ist. Um diese Grenze auf­recht zu erhal­ten, wan­dert Astro­glia ein. Dadurch ver­narbt das Epen­dym, der Aquä­dukt ver­schließt sich und Liquor kann nicht mehr abflie­ßen. Laut den Wis­sen­schaf­tern spricht vie­les dafür, dass der Ver­lust des Mpdz-Gens die Sta­bi­li­tät von benach­bar­ten Epen­dym­zel­len („Tight Junc­tions“) ver­min­dert. APA/​EMBO Mole­cu­lar Medicine

Ein­sam­keit und Ego­zen­trik wir­ken wechselseitig

For­scher um John Caci­oppo von der Uni­ver­si­tät Chi­cago haben unter­sucht, wie sich Ein­sam­keit auf den Men­schen aus­wirkt. Sie haben die Daten einer Gesund­heits­un­ter­su­chung ana­ly­siert, bei der von 2002 bis 2013 rund 230 Ame­ri­ka­ner zwi­schen 50 und 68 Jah­ren jähr­lich befragt wur­den. Kurz­fris­tig sei Ein­sam­keit laut Caci­oppo evo­lu­tio­när sinn­voll, um die eige­nen Bedürf­nisse wahr­zu­neh­men und den Men­schen zu moti­vie­ren, Sozi­al­kon­takte zu pfle­gen; lang­fris­tig sei sie aber für die kör­per­li­che und men­tale Gesund­heit schäd­lich. Dass – wie die Stu­die zeigte – ein­same Teil­neh­mer ego­zen­tri­scher wer­den, hat­ten die For­scher erwar­tet. Über­rascht hat sie das Ergeb­nis, dass Men­schen auch umso ein­sa­mer sind, je ego­zen­tri­scher sie sind. In den USA leben heute 30 Pro­zent mehr Men­schen allein als 1980; auch in Deutsch­land gab es 2014 fast 40 Pro­zent Sin­gle-Haus­halte. APA/​Personality and Social Psy­cho­logy Bulletin

Mamma-Ca: Rezep­tor begüns­tigt Metastasierung

For­scher der Uni­ver­si­tät Genf um Didier Picard haben eine Gen­va­ri­ante eines Östro­gen-Rezep­tors ent­deckt, durch die gesunde Bin­de­ge­webs­zel­len Mam­ma­kar­zi­nome zum Streuen anre­gen. Anstatt in der Zell­mem­bran kommt diese Rezep­tor-Vari­ante im Zell­kern vor; sie kann Gene akti­vie­ren, die mit mali­gnem Zell­wachs­tum in Ver­bin­dung ste­hen. Bin­de­ge­webs­zel­len mit die­ser Gen­va­ri­ante schüt­ten außer­dem Mole­küle aus, die benach­barte Brust­krebs­zel­len zur Metasta­sie­rung anre­gen. „Wir haben ein wich­ti­ges Ele­ment des Dia­logs zwi­schen ent­ar­te­ten Zel­len und den angren­zen­den gesun­den Zel­len ent­schlüs­selt“, so Stu­di­en­au­tor Marco Pupo. Die neue Rezep­tor-Vari­ante und ihre Funk­tion könn­ten als Ansatz­punkt für neue The­ra­pien die­nen. APA/​Oncotarget

Syn­the­ti­sche Gal­len­säure gegen pri­mär skle­ro­sie­rende Cholangitis

In einer Phase-II-Stu­die haben For­scher der Med­Uni Wien, Med­Uni Graz und Medi­zi­ni­schen Hoch­schule Han­no­ver Pati­en­ten mit pri­mär skle­ro­sie­ren­der Cho­lang­i­tis mit einer syn­the­ti­schen Gal­len­säure behan­delt. 161 Pati­en­ten aus 45 Zen­tren in zwölf Län­dern (u.a. Deutsch­land, Groß­bri­tan­nien, Nor­we­gen, Spa­nien, Finn­land und Schwe­den) erhiel­ten die Gal­len­säure mit dem Wirk­stoff nor-Urso­de­oxy­chol­säure (Nor-Urso). Nor-Urso ist laut den For­schern kli­nisch effek­tiv, sicher und gut ver­träg­lich. Es wirkt direkt am Gal­len­gang; durch eine Erhö­hung des bikar­bo­natrei­chen Gal­len­flus­ses wer­den die Gal­len­wege von Gift­stof­fen frei­ge­spült. „In allen getes­te­ten Dosie­run­gen gab es deut­li­che Ver­bes­se­run­gen der Leber­werte“, so Stu­di­en­lei­ter Univ. Prof. Michael Trau­ner von der Kli­ni­schen Abtei­lung für Gas­tro­en­te­ro­lo­gie und Hepa­to­lo­gie der Med­Uni Wien. Laut den Ergeb­nis­sen könnte Nor-Urso auch dazu bei­tra­gen, Leber­fi­brose zu stop­pen und das Bin­de­ge­webe zu ver­bes­sern. In einer Phase III-Stu­die sol­len die Lang­zeit­aus­wir­kun­gen auf die Krank­heits­pro­gres­sion unter­sucht wer­den. Von pri­mär skle­ro­sie­ren­der Cho­lang­i­tis sind 0,01 Pro­zent der Bevöl­ke­rung betrof­fen – meist Men­schen im Alter von 30 bis 40 Jah­ren. APA/​Journal of Hepatology

Fal­sche EKG-Befunde durch Brustimplantate

Wis­sen­schaf­ter um Sol-Sithi­kun Bun vom Prin­cess Grace Hos­pi­tal in Monaco haben Befunde von zwei Kar­dio­lo­gen nach EKG-Tests von je 20 gesun­den Frauen mit und ohne Brust­im­plan­tate ver­gli­chen. Bei den Frauen ohne Implan­tate klas­si­fi­zierte ein Kar­dio­loge eine EKGAuf­zeich­nung als abnorm. Bei Frauen mit Implan­ta­ten lag die Rate bei einem Kar­dio­lo­gen bei 38 Pro­zent, beim zwei­ten sogar bei 57 Pro­zent. Die Ultra­schall-Befunde zeig­ten keine Hin­weise auf Herz­krank­hei­ten oder struk­tu­relle Ver­än­de­run­gen des Organs. Sol-Sithi­kun Bun dazu: „Das deu­tet dar­auf hin, dass keine Herz­pro­bleme vor­la­gen, die für die abnor­men EKG-Befunde ver­ant­wort­lich gewe­sen sein könn­ten.“ Dem­nach könn­ten Brust­im­plan­tate nicht nur eine Ultra­schall­un­ter­su­chung des Her­zens behin­dern, son­dern auch zu fal­schen Dia­gno­sen per EKG füh­ren. APA

Hei­lung nach Rückenmarkdurchtrennung?

Chi­ne­si­sche Wis­sen­schaf­ter um Xiao­ping Ren von der Har­bin Medi­cal Uni­ver­sity haben neun von 15 nach Durch­tren­nung des Rücken­marks gelähm­ten Rat­ten Poly­äthy­len­gly­kol (PEG) inji­ziert; fünf Rat­ten erhiel­ten eine Salz­lö­sung. Vier Wochen spä­ter konn­ten sich die mit PEG behan­del­ten Rat­ten wie­der bewe­gen, die Ner­ven­stränge waren zusam­men­ge­wach­sen. Die Rat­ten der Kon­troll­gruppe blie­ben gelähmt. Dies sei laut den For­schern der erste der­ar­tige Erfolg in einem Tier­mo­dell.
APA/​CNS Neu­ro­sci­ence & Therapeutics

Arthri­tis: orale Kom­bi­na­ti­ons­the­ra­pie

Wis­sen­schaf­ter der Med­Uni Wien um Univ. Prof. Josef Smo­len haben an mehr als 1.100 Pro­ban­den mit rheu­ma­to­ider Arthri­tis die Wir­kung einer ora­len Kom­bi­na­ti­ons­the­ra­pie von Metho­tre­xat mit dem Janus­ki­nase-Inhi­bi­tor Tofaci­t­inib unter­sucht. Janus­ki­na­sen ver­mit­teln Signale von Ent­zün­dungs­bo­ten­stof­fen wie Interleukin‑6 oder Inter­fe­ro­nen in das Zell­in­nere. Ergeb­nis der Stu­die: Eine orale The­ra­pie mit Methotrexat/​Tofacitinib erzielt gleich gute Hei­lungs­er­folge wie die der­zeit übli­che Kom­bi­na­tion Methotrexat/​Ada­li­mu­mab per Injek­tion. Der Vor­teil: Der vor kur­zem in der EU zuge­las­sene Wirk­stoff Tofaci­t­inib kann zwei­mal täg­lich als Tablette ein­ge­nom­men wer­den. In Öster­reich lei­den rund 80.000 Men­schen an rheu­ma­to­ider Arthri­tis. APA/​The Lancet

Lärm: schon ab 40 Dezi­bel schäd­lich

Die seit 2014 lau­fende SiRENE-Stu­die unter Lei­tung des Schwei­ze­ri­schen Tro­pen- und Public-Health-Insti­tuts (Swiss TPH) hat den Zusam­men­hang zwi­schen Lärm und Herz­kreis­lauf­erkran­kun­gen unter­sucht. Erst­mals wur­den alle drei Trans­port­ty­pen – Flug‑, Schie­nen- und Stra­ßen­ver­kehr – beleuch­tet. Bis­her hat man ange­nom­men, dass Lärm erst ab etwa 55 Dezi­bel nega­tive Fol­gen hat. Die neue Erkennt­nis: Stra­ßen­ver­kehrs­lärm wirkt schon ab 40 Dezi­bel auf die Gesund­heit. „Wir haben prak­tisch keine untere Schwelle gefun­den“, so Mar­tin Röösli vom Swiss TPH. 40 bis 45 Dezi­bel ent­spre­chen etwa lei­ser Musik oder gewöhn­li­chen Woh­nungs­ge­räu­schen. Das Risiko, an einem Myo­kard­in­farkt zu ster­ben, steigt pro zehn Dezi­bel Zunahme der Stra­ßen­lärm­be­las­tung um vier Pro­zent; auch das Risiko für Hyper­to­nie und Herz­in­suf­fi­zi­enz sowie für Dia­be­tes mel­li­tus nimmt zu. Zum einen beein­flusst die chro­ni­sche Aus­schüt­tung von Stress­hor­mo­nen den Insu­lin­stoff­wech­sel, zum ande­ren wir­ken Schlaf­pro­bleme lang­fris­tig nega­tiv auf den Meta­bo­lis­mus. Am deut­lichs­ten war der Zusam­men­hang der Herz­kreis­lauf­erkran­kun­gen mit Stra­ßen­ver­kehrs­lärm. APA/​European Jour­nal of Epidemiology

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 13–14 /​15.07.2017