Hyper­cho­le­ste­rin­ämie: Indi­vi­du­ell therapieren

25.05.2017 | Medizin

Vor allem bei Hoch­ri­si­ko­pa­ti­en­ten muss eine all­fäl­lige Hyper­cho­le­ste­rin­ämie rasch dia­gnos­ti­ziert und auch the­ra­piert wer­den. Hier muss der LDL-Ziel­wert indi­vi­du­ell defi­niert wer­den. Bei The­ra­pie­re­sis­tenz kann das kar­dio­vas­ku­läre Risiko mit den neuen PCSK9-Inhi­bi­to­ren als zusätz­li­che Medi­ka­tion zur Sta­tin-The­ra­pie deut­lich ver­min­dert wer­den. Von Mar­lene Weinzierl

Die Defi­ni­tion der Cho­le­ste­rin­grenz­werte ist sehr varia­bel“, erklärt Univ. Prof. Bern­hard Lud­vik von der 1. Medi­zi­ni­schen Abtei­lung mit Dia­be­to­lo­gie, Endo­kri­no­lo­gie und Nephrolo­gie der Kran­ken­an­stalt Rudolfs­tif­tung Wien. „Es gibt kei­nen ein­heit­li­chen Cho­le­ste­rin­wert, der bei jedem Pati­en­ten als Risi­ko­schwelle gilt und daher – meist medi­ka­men­tös – behan­delt wer­den muss.

Man weiß heute, dass das LDL-Cho­le­ste­rin das kar­dio­vas­ku­läre Risiko mas­siv erhöht. Doch spe­zi­ell bei der Ein­schät­zung, ob und wann eine medi­ka­men­töse The­ra­pie ein­ge­lei­tet wer­den muss, sieht Lud­vik die größte Her­aus­for­de­rung. Dabei spielt nicht nur der LDL-Cho­le­ste­rin-Wert eine Rolle, son­dern „der Pati­ent muss im Gesamt­kon­text betrach­tet wer­den“. Fami­li­en­ana­mnese, Alter, Geschlecht und Begleit­erkran­kun­gen wie Dia­be­tes mel­li­tus oder eine Nie­ren­in­suf­fi­zi­enz sind ent­schei­dende Fak­to­ren, die so wie Lipidwerte vor Beginn einer The­ra­pie zu berück­sich­ti­gen sind. Hyper­to­nie sowie erhöhte Lipoprotein(a)- oder ultra­sen­si­tive gemes­sene CRP-Werte sind Fak­to­ren, denen im Hin­blick auf athero­skl­ero­ti­sche Ver­än­de­run­gen ebenso Beach­tung geschenkt wer­den muss wie einer erhöh­ten Intima-Media-Dicke von über 0,9 mm.

Dar­über hin­aus rät Lud­vik, sich an den aktu­el­len Leit­li­nien der Euro­päi­schen Gesell­schaft für Kar­dio­lo­gie (ESC) zu ori­en­tie­ren, die eine an Ziel­wer­ten ori­en­tierte Sen­kung des LDLCho­le­ste­rins in Abhän­gig­keit von den indi­vi­du­el­len Risi­ken emp­feh­len (www.escardio.org). Eine gute Ori­en­tie­rung zur Bestim­mung der indi­vi­du­el­len LDL-Cho­le­ste­rin-Ziel­werte bie­ten auch Online-Tools zur Berech­nung des Zehn-Jah­res-Risi­kos für kar­dio­vas­ku­läre Ereignisse.

Diä­te­ti­sche Sen­kung

Die Basis für jeg­li­che The­ra­pie – so auch bei Hoch­ri­si­ko­pa­ti­en­ten – besteht in der Ver­hal­tens­mo­di­fi­ka­tion. Niko­tin­ab­usus ist ein star­ker Risi­ko­fak­tor für kar­dio­vas­ku­läre Mor­ta­li­tät, wes­halb eine Ent­wöh­nung drin­gend ange­ra­ten wird. Phy­si­sche Akti­vi­tät zur Erhö­hung des HDLCho­le­ste­rin- Spie­gels sowie die Ver­mei­dung von gesät­tig­ten Fet­ten in der Ernäh­rung sind wei­tere wert­volle Maß­nah­men. „Da etwa 85 Pro­zent unse­res Cho­le­ste­rins in der Leber selbst pro­du­ziert wer­den, ist eine diä­te­ti­sche Sen­kung des LDL-Cho­le­ste­rins um circa zehn bis 15 Pro­zent mög­lich“, erklärt Lud­vik. Wird bei Hoch­ri­si­ko­pa­ti­en­ten der fest­ge­legte Ziel­wert trotz­dem nicht erreicht, ist eine medi­ka­men­töse Behand­lung uner­läss­lich, betont der Experte.

Es ste­hen ver­schie­dene Dosie­rungs­op­tio­nen zur Ver­fü­gung, die indi­vi­du­ell bestimmt und je nach­dem, inwie­weit der LDL-Cho­le­ste­rin-Wert vom Ziel­wert abweicht, an den Pati­en­ten ange­passt wer­den muss. Bei Pati­en­ten mit fami­liä­rer Hyper­cho­le­ste­rin­ämie bei­spiels­weise beginnt man gleich mit einem hoch­po­ten­ten Statin.

Ganz grund­sätz­lich ist es wich­tig, den Betrof­fe­nen gut zu füh­ren. „Der Arzt muss den Pati­en­ten über die Neben­wir­kun­gen einer Sta­tin-The­ra­pie wie Myo­pa­thien genau­es­tens auf­klä­ren und ihm ver­mit­teln, dass er trotz allem von der The­ra­pie pro­fi­tiert, um die Adhä­renz auf­recht­zu­er­hal­ten“, erläu­tert Lud­vik. Nach dem Beginn einer Sta­tin-The­ra­pie ist – je nach Risi­ko­pro­fil – eine erste Kon­trolle der Blut­fett­werte nach drei bis sechs Mona­ten sinn­voll. Bei Errei­chen der Ziel­werte rei­chen Kon­troll­un­ter­su­chun­gen in Abstän­den von sechs bis zwölf Mona­ten aus. Die Kon­trolle der Leber­funk­ti­ons­pa­ra­me­ter und der Krea­tin­ki­nase macht erst acht bis zwölf Wochen nach Beginn einer medi­ka­men­tö­sen The­ra­pie Sinn. Bei der The­ra­pie­pla­nung selbst sollte man sich jedoch nicht nur nach den Labor­wer­ten rich­ten, son­dern bei Nicht­ver­träg­lich­keit mög­lichst auf ein ande­res Sta­tin – zunächst in nied­ri­ger Dosis – ausweichen. 

Wird der Ziel­wert nicht erreicht, besteht die Mög­lich­keit, die medi­ka­men­töse The­ra­pie mit dem Cho­le­ste­rin-Resorp­ti­ons­hem­mer Eze­te­mib zu ergänzen.

Bei Frauen im gebär­fä­hi­gen Alter sollte man bei der Gabe von Sta­ti­nen sehr zurück­hal­tend sein, da die Sub­stan­zen tera­to­gen sind. „Frauen sind bis zur Meno­pause auf natür­li­che Weise rela­tiv geschützt. Da wird im Hin­blick auf The­ra­pien oft übers Ziel hin­aus­ge­schos­sen“, weiß Lud­vik. Hin­ge­gen soll­ten Hoch­ri­si­ko­pa­ti­en­tin­nen mit meh­re­ren Risi­ko­fak­to­ren wie posi­ti­ver Fami­li­en­ana­mne­seo­der Dia­be­tes mel­li­tus sofort­ei­ner Behand­lung zuge­führt wer­den. Bei einem Kin­der­wunsch der Pati­en­tin kann und muss die The­ra­pie mit Sta­ti­nen für die Dauer der Schwan­ger­schaft bezie­hungs­weise für einen gewis­sen Zeit­raum davor abge­setzt wer­den.
 

PCSK9-Inhi­bi­to­ren bei Therapieresistenz

Für Pati­en­ten, die unter maxi­ma­ler Medi­ka­tion mit Sta­ti­nen und Eze­te­mib ihren Ziel­wert von unter 70 mg/​dl nicht errei­chen, stel­len die soge­nann­ten PCSK9-Inhi­bi­to­ren eine Option dar. Diese Sub­stanz ver­hin­dert einen zu schnel­len Abbau des Cho­le­ste­rin-Rezep­tors. Auf diese Weise kann das LDL-Cho­le­ste­rin effek­tiv um wei­tere 65 Pro­zent gesenkt wer­den. Aktu­elle Daten der mul­ti­na­tio­na­len Lang­zeit-Stu­die FOURIER („Fur­ther car­dio­vas­cu­lar out­co­mes rese­arch with PCSK9 inhi­bi­tion in sub­jects with ele­va­ted risk“) zei­gen, dass durch den Ein­satz des PCSK9-Inhi­bi­tors Evo­lo­cu­mab als Zusatz­me­di­ka­tion bei der Sta­tin-Behand­lung von Pati­en­ten mit einer LDL-Kon­zen­tra­tion von über 70 mg/​dl das kar­dio­vas­ku­läre Risiko ver­rin­gert wer­den kann.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 10 /​25.05.2017