Herz­in­suf­fi­zi­enz und Eisen­man­gel: Sub­sti­tu­ie­ren statt hospitalisieren

25.09.2017 | Medizin

Bei Eisen­man­gel han­delt es sich um u.a. ein Resorp­ti­ons­pro­blem, was vor allem im Hin­blick auf die Ernäh­rung und Medi­ka­men­ten­auf­nahme unter­schätzt wird. Von beson­de­rer Bedeu­tung ist dies bei Pati­en­ten mit Herz­in­suf­fi­zi­enz: Rund 50 bis 60 Pro­zent von ihnen haben einen Eisen­man­gel. Die­ser ist das eigent­li­che Pro­blem – und nicht die Anämie. Von Mar­lene Weinzierl

Rund 50 bis 60 Pro­zent der Pati­en­ten mit Herz­in­suf­fi­zi­enz wei­sen einen Eisen­man­gel auf, schätzt Univ. Doz. Mar­tin Hüls­mann von der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Innere Medi­zin II im Wie­ner AKH. Lange Zeit ist man davon aus­ge­gan­gen, dass ein Eisen­man­gel erst dann krank­heits­re­le­vant ist, wenn eine Anämie vor­liegt. Heute weiß man: Nicht die Anämie ist das Haupt­pro­blem, son­dern der Eisen­man­gel selbst. In Ery­thro­poe­tin-Stu­dien wie die RED-HF-Stu­die („Reduc­tion of Events With Dar­be­poe­tin Alfa in Heart Fail­ure“) konnte gezeigt wer­den, dass „die Anämie höchs­tens ein wich­ti­ger Indi­ka­tor für einen stark aus­ge­präg­ten Eisen­man­gel ist“, so Hüls­mann wei­ter. Die­ser wirkt sich aller­dings dele­tär aus: Herz­in­suf­fi­zi­ente Pati­en­ten mit einem Eisen­man­gel haben eine ver­min­derte Leis­tungs­fä­hig­keit und ster­ben auch frü­her als Pati­en­ten mit ähn­li­cher Erkran­kung und nor­ma­lem Eisen­sta­tus – unab­hän­gig davon, ob eine Anämie vor­liegt oder nicht. So lag bei­spiels­weise in einer Stu­die das Drei-Jah­res-Über­le­ben von Pati­en­ten mit Eisen­man­gel mit einer Mor­ta­li­tät von 46 Pro­zent signi­fi­kant nied­ri­ger als in der Pati­en­ten­gruppe mit nor­ma­lem Eisen­sta­tus, in der die Mor­ta­li­tät 33 Pro­zent betrug.

„Ein Eisen­er­satz ist des­halb nicht erst bei Pati­en­ten mit einer Anämie indi­ziert, son­dern bereits bei bestehen­dem Eisen­man­gel mit einem ansonst nor­ma­len Blut­bild“, betont Univ. Prof. Ger­hard Pölzl von der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Innere Medi­zin III in Inns­bruck. In einer ande­ren, erst kürz­lich ver­öf­fent­lich­ten Stu­die konnte erst­mals gezeigt wer­den, dass die intra­ve­nöse Eisen­sub­sti­tu­tion der weni­ger effek­ti­ven ora­len Sub­sti­tu­tion vor­zu­zie­hen ist. Hüls­mann dazu: „Bei der ora­len Gabe muss man drei bis vier Monate war­ten, bis der Eisen­spie­gel even­tu­ell wie­der auf­ge­füllt ist. Bei der intra­ve­nö­sen Ver­ab­rei­chung pas­siert das sofort.“ Was auch ein Argu­ment dafür ist­dass es sich beim Eisen­man­gel um ein Resorp­ti­ons­pro­blem han­delt. „Bei einer chro­ni­schen Stau­ung und Unter­durch­blu­tung ist vor allem der Gas­tro­in­testi­nal­trakt betei­ligt. Diese Tat­sa­che wird oft unter­schätzt, vor allem in Bezug auf die Ernäh­rung und die Medi­ka­men­ten­auf­nahme“, so der Experte. Bei herz­in­suf­fi­zi­en­ten Pati­en­ten kommt es bei vol­len Eisen­spei­chern zu einer Sup­pres­sion der Eisen­ver­wer­tung; Grund dafür sind Ent­zün­dungs­pro­zesse. Eine zen­trale Rolle spielt dabei das in der Leber pro­du­zierte Hep­ci­din. Ent­zün­dungs­pro­zesse erhö­hen die Hep­ci­din Pro­duk­tion und blo­ckie­ren so den Eisen­trans­port aus der Zelle und die ente­r­ale Eisen­auf­nahme. Der Eisen­man­gel ver­ur­sacht eine redu­zierte Sau­er­stoff­uti­li­sa­tion in den Mito­chon­drien, eine Unter­ver­sor­gung der (Kardio-)Myozyten und eine ein­ge­schränkte Pro­duk­tion von Hämo­glo­bin. All das resul­tiert schließ­lich in einem nied­ri­gen Ener­gie­sta­tus mit ein­ge­schränk­ter Leis­tungs­fä­hig­keit und „bedeu­tet eine wei­tere Ver­schlech­te­rung der Belas­tungs­dys­pnoe, ein Kar­di­nal­sym­ptom der Herz­in­suf­fi­zi­enz“, betont Pölzl. Ein häu­fi­ger Grund für Eisen­man­gel sind auch Blu­tun­gen: Men­schen, die an Herz­in­suf­fi­zi­enz lei­den, neh­men auch oft Anti­ko­agu­lan­tien, die zu chro­ni­schen Blu­tun­gen in der Magen- oder Darm­schleim­haut füh­ren kön­nen, weiß Pölzl aus der Praxis.

Wäh­rend bis­lang die hoch­do­sierte Eisen­gabe wegen loka­ler und all­er­gi­scher Reak­tio­nen ver­pönt war – maximal 100 Mil­li­gramm wur­den pro Ein­zel­do­sis ver­ab­reicht – sind es heute mit­un­ter auch bis zu 1.000 Mil­li­gramm pro Gabe. Es gibt ver­schie­dene neue Eisen­for­mu­lie­run­gen, die rela­tiv rasch den Eisen­man­gel aus­glei­chen. Am bes­ten unter­sucht ist Eisen­car­boxy­mal­tose; bei Ein­mal-Appli­ka­tion kön­nen durch­aus 1.000 Mil­li­gramm ver­ab­reicht wer­den. Im Gegen­satz zu den ande­ren Eisen­sub­stra­ten wur­den bei Eisen­car­boxy­mal­tose auch „keine rele­van­ten Neben­wir­kun­gen“ beob­ach­tet, berich­tet der Experte. Kom­plexe Dosie­rungs­sche­men gehö­ren der Ver­gan­gen­heit an; in Abhän­gig­keit vom Kör­per­ge­wicht wer­den in der Regel 500 oder 1.000 Mil­li­gramm Eisen ver­ab­reicht. Vier Wochen bis drei Monate spä­ter wird der Eisen­spie­gel kon­trol­liert und gege­be­nen­falls neu­er­lich Eisen sub­sti­tu­iert.

Weni­ger Krankenhausaufenthalte 

Dar­über hin­aus gibt es nur für die Sub­sti­tu­tion mit Eisen­car­boxy­mal­tose meh­rere kleine Stu­dien, die bele­gen, dass die Leis­tungs­fä­hig­keit von Pati­en­ten mit einem Eisen­man­gel – unab­hän­gig von einer Anämie – ver­bes­sert wer­den kann. „Über­ra­schen­der­weise zeigte sich auch eine Ver­bes­se­rung der Nie­ren­funk­tion“, ergänzt Pölzl. In Meta­ana­ly­sen wie­derum konnte nach­ge­wie­sen wer­den, dass­durch die Eisen­sub­sti­tu­tion die Zahl der
Kran­ken­haus­auf­ent­halte von Herz­in­suf­fi­zi­en­ten signi­fi­kant redu­ziert wer­den kann. Grund­sätz­lich könn­ten die Betrof­fe­nen also auch im nie­der­ge­las­se­nen Bereich behan­delt wer­den. Aller­dings: „Auf­grund der aktu­el­len Ver­rech­nungs­pra­xis müs­sen wir Pati­en­ten heute zwecks Eisen­sub­sti­tu­tion noch hos­pi­ta­li­sie­ren, um eine even­tu­elle spä­tere Hos­pi­ta­li­sa­tion zu ver­mei­den“, unter­streicht Hülsmann.

Da der Groß­teil der Pati­en­ten mit Herz­in­suf­fi­zi­enz – rund 80 Pro­zent – im nie­der­ge­las­se­nen Bereich betreut wird, sollte der Haus­arzt neben Elek­tro­ly­ten, Nie­ren- und Schild­drü­sen­funk­tion auch den Eisen­sta­tus regel­mä­ßig über­prü­fen, um eine gezielte Zuwei­sung zu ermög­li­chen. Ent­schei­dend bei Pati­en­ten mit Herz­in­suf­fi­zi­enz ist der funk­tio­nelle Eisen­man­gel. Indi­ka­to­ren dabei sind ein Serum-Fer­ri­tin zwi­schen 100 und 300 Mikro­gramm pro Liter und eine Trans­fer­rin-Sät­ti­gung unter 20 Pro­zent. „Der Eisen­spie­gel selbst ist irrele­vant“, erklärt Hüls­mann. Diese bei­den Werte soll­ten bei herz­in­suf­fi­zi­en­ten Pati­en­ten rou­ti­ne­mä­ßig über­prüft wer­den. Sind die Werte unauf­fäl­lig, und die kli­ni­sche Sym­pto­ma­tik ver­schlech­tert sich, kann Eisen­man­gel die Ursa­che dafür sein. Hin­weise auf einen (ekla­tan­ten) Eisen­man­gel sind Blu­tun­gen, schwar­zer Stuhl, brü­chige Nägel und Haarausfall. 

Pro­gnos­ti­sche Fak­to­ren

• Gleich­zei­ti­ges Auf­tre­ten von Eisen­man­gel mit Herz­in­suf­fi­zi­enz kor­re­liert direkt mit dem Schwe­re­grad der Herz­in­suf­fi­zi­enz.
• Eine Anämie mit nor­ma­lem Eisen­sta­tus ist pro­gnos­tisch güns­ti­ger als Eisen­man­gel.
• Eine Anämie mit Eisen­man­gel ist pro­gnos­tisch beson­ders ungünstig.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 18 /​25.09.2017