Fettleber: Steigende Tendenz

25.04.2017 | Medizin

In der westlichen Welt leiden mehr als 40 Prozent der über 60-Jährigen und bis zu 20 Prozent der unter 20-Jährigen an einer nicht-alkoholischen Fettleber. Sie stellt in mehr als drei Viertel der Fälle die Ursache für überhöhte Leberwerte dar. Von Marlene Weinzierl

Fettleber-Erkrankungen sind mit rund 60 Prozent die häufigste Ursache für chronische Lebererkrankungen. Wiederholt erhöhte Leberwerte „einfach nur zu beobachten“ hält Univ. Prof. Wolfgang Vogel, der an der Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie an der MedUni Innsbruck tätig war, für nicht vertretbar. „Erhöhte Leberwerte muss man ernst nehmen, ätiologisch abklären und richtig zuordnen“, betont der Experte. Steckt doch hinter 75 Prozent der erhöhten Leberwerte eine Fettleber. Bis zu 44 Prozent aller Menschen in der EU zwischen 30 und 60 Jahren leiden an einer Fettleber. Dafür wurden die Daten aus Querschnittstudien von Deutschland, Frankreich und Italien analysiert. Vermutlich gelten sie auch annähernd für Österreich. Epidemiologische Daten aus Österreich gibt es nicht.

Charakteristisch für die meisten chronischen Lebererkrankungen ist, dass der Betroffene keine typischen Symptome hat – „abgesehen von denen mit viraler Ursache, bei denen es zu Müdigkeit und Abgeschlagenheit kommen kann“ –, sagt Vogel. Vergrößert sich die Leber durch Fetteinlagerungen, macht sich der Kapseldehnungsschmerz als Druck- oder Spannungsgefühl im rechten Oberbauch bemerkbar. Oft leidet der Betroffene an Stoffwechselproblemen wie einer Hyperlipidämie oder Glukosetoleranzstörung. Eine Fettleber-Erkrankung wird in Abhängigkeit von Entzündungsgrad und Bindegewebsablagerungen nach zehn bis 20 Jahren gefährlich im Sinn einer nichtalkoholischen Steatohepatitis. Prognostisch von Bedeutung sind vor allem der Lebensstil und das Alter.

Ein Drittel genetisch bedingt

Bei der Fettleber ist ein Drittel der Erkrankungen auf genetische Faktoren zurückzuführen – namentlich auf das für den Fettstoffwechsel maßgebliche Gen PNPLA3, auch Adiponutrin genannt. Wenn es durch die Änderung des Lebensstils nicht zu einer Besserung kommt, müssen andere, seltenere Ursachen für eine Leberverfettung ausgeschlossen werden. Dazu gehören vor allem Eisen- oder Kupferstoffwechselstörungen wie zum Beispiel Morbus Wilson. Auszuschließen ist ebenso eine Virushepatitis B oder C. Aber auch exogene Faktoren – etwa Inhalationsstoffe wie zum Beispiel Vinylchloridm oder Acetaldehyde – können als Auslöser fungieren ebenso wie Kortison.

Eine Fettleber-Hepatitis setzt die Schädigung der Leber durch Radikale und Toxine im Alkohol- und Fettstoffwechsel oder auch durch exogene Faktoren voraus. „Über Fettablagerungen führt dies schließlich zu inflammatorischen Prozessen“, führt Vogel weiter aus. Nur eine Minderheit der Betroffenen entwickelt im weiteren Verlauf tatsächlich eine Leberzirrhose und ein Leberkarzinom. Vogel dazu: „Die Herausforderung besteht also darin, jene Patienten zu ermitteln, die eine Fettleber-Hepatitis beziehungsweise eine Fibrose entwickeln, da diese in einem früheren Stadium maligen werden als andere chronische Lebererkrankungen.“

Eine Biopsie hilft bei der Unterscheidung zwischen einer Steatohepatitis und einer Fettleber im Anfangsstadium. „Die andere Möglichkeit besteht in der Langzeitbeobachtung des Patienten“, sagt Vogel. Neben der Lebensstiländerung des Patienten werden idealerweise zusätzlich Verlaufs-Elastographien durchgeführt, um chronisch progrediente Erkrankungen zu erkennen. Die nicht-invasive Fibrose- Diagnostik ist derzeit noch überwiegend ultraschallbasiert. Vogel hofft, dass die herkömmliche Elastographie in Zukunft vermehrt durch die sensitivere Magnetresonanz- Elastographie ersetzt werden wird.

Bei drei Viertel aller Lebererkrankungen handelt es sich entweder um eine alkoholische oder eine nicht-alkoholische Fettleber sowie eine Kombination aus beiden. Die alkoholische Fettleber ist vor allem in der westlichen Welt, im Speziellen in Österreich ein Thema. Laut OECD-Bericht 2015 weisen die Österreicher nach den Litauern die zweithöchste Alkoholkonsumation per capita ab dem Alter von 15 Jahren auf. Immer wieder verblüfft ist Vogel darüber, dass kaum jemand eine Vorstellung darüber hat, welche Menge Alkohol als gesundheitlich unbedenklich gilt. Die Obergrenze liegt hier bei „einem Achtel Wein oder einem kleinen Bier oder einem Stamperl Schnaps pro Tag“.

Metabolische Fettleber

Übergewichtige Patienten sind nicht von einer alkoholischen, sondern von einer metabolischen Lebererkrankung betroffen, die auf eine Änderung des Lebensstils anspricht. Das metabolische Syndrom ist eine der Hauptursachen für die Entstehung einer nicht-alkoholischen Fettleber (NAFLD). Übergewichtige, die erhöhte Blutfettwerte und eine arterielle Hypertonie haben, weisen eine höhere Wahrscheinlichkeit für eine Fettlebererkrankung auf. In der westlichen Welt sind über 40 Prozent der über 60-Jährigen und bis zu 20 Prozent der unter 20-Jährigen von einer nichtalkoholischen Fettleber betroffen. Nahezu jeder sechste normalgewichtige Erwachsene und mehr als die Hälfte aller Diabetiker ist davon betroffen. Sind sowohl Alkohol als auch Übergewicht die Ursachen für eine Fettleber, spricht man im angloamerikanischen Raum von einer „both alcoholic and non-alcoholic fatty liver – kurz BAFL.

Für die Untersuchung der Fettleber gibt es keine spezifischen Labormarker. „Erhöhte Leberwerte weisen auf gewisse Stoffwechselvorgänge hin, stellen aber keine direkten Marker für eine bestimmte Lebererkrankung dar“, ergänzt Vogel. Aus dem Transaminasen-Profil könne „zumindest ein gewisser Verdacht“ formuliert werden. Ist etwa GOT höher als GPT und Gamma-GT von den dreien numerisch führend, liegt die Wahrscheinlichkeit für eine Fettlebererkrankung bei über 50 Prozent. „Beweis ist das natürlich keiner“, schränkt Vogel ein.

Die Empfehlung des Experten: Im klinischen Alltag solle man sich vor allem am metabolischen Risiko orientieren. Greifen ungesundes Ernährungsverhalten mit Bewegungsarmut und auffälligen Stoffwechselwerten beim Patienten ineinander, könne man von einer metabolisch bedingten Fettlebererkrankung ausgehen.

Bei der Therapie bildet die Lebensstilmodifikation die Basis. Um eine Leberentzündung zu beseitigen, ist ein Gewichtsverlust von fünf bis zehn Prozent notwendig; Studien zufolge schafft das ein Drittel der Betroffenen.

Die meisten Betroffenen benötigen eine medikamentöse Therapie, wobei hier die Optionen noch limitiert sind. Erster Ansatzpunkt ist die Behandlung der Stoffwechsel-Begleiterkrankungen wie Typ 2-Diabetes oder Hypercholesterinämie. Dazu gehören Insulin-Sensitizer wie Metformin und Glitazone ebenso wie Fibrate. Statine wurden den Betroffenen lange Zeit aus Angst vor Nebenwirkungen vorenthalten. Patienten mit einer nicht-alkoholischen Fettleber weisen unter einer Behandlung mit Statinen nicht nur ein geringeres Risiko für eine kardiovaskuläre Erkrankung auf, sondern haben auch ein signifikant verringertes Tumorrisiko.

Eine neue Substanz, die Gallensäurerezeptoren stimuliert und somit Entzündungen und einer Fibrose entgegensteuert, setzt bei der Rückbildung des Bindegewebes an: Obeticholsäure, die als FXR-Agonist metabolisch regulierend wirkt, ist bislang in den USA bei cholestatischen Lebererkrankungen zugelassen und wird in Kürze auch hierzulande für die primär biliäre Zirrhose zugelassen werden. Die Fettleber wird vermutlich die nächste Indikation für eine Behandlung mit dieser Substanzklasse sein.

Ein weiterer Kernrezeptor-Ligand, der sich derzeit gerade in der Testphase befindet, ist Elafibranor. Er wirkt als PPAR-Alpha- und Delta- Agonist in der Therapie der nicht-alkoholischen Fettleber und könnte Fibrate und Glitazone mit seiner kombinierten antidiabetischen und antientzündlichen Wirkungsweise bald ablösen.

Alkoholkonsum: Grenzwerte

Gefährdungsgrenze

Frauen: ab 40 Gramm Alkohol pro Tag
(circa 1 Liter Bier oder 0,5 Liter Wein)
Männer: ab 60 Gramm Alkohol pro Tag
(circa 1,5 Liter Bier oder 0,75 Liter Wein)

In Österreich trinken zehn Prozent der Frauen und 23 Prozent der Männer mehr Alkohol, als in diesen Grenzwerten angegeben wird. Bei den Betroffenen ist meist von einer alkoholischen Fettlebererkrankung auszugehen.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 8 / 25.04.2017