Kaiserin Maria Theresia: Es geht voran…

25.09.2017 | Horizonte

Als Kaiserin Maria Theresia den niederländischen Arzt Gerard van Swieten 1745 nach Wien holte, legte sie den Grundstein für zahlreiche Reformen in Medizin und Gesundheitswesen. So wurde damals die Erste Wiener Medizinische Schule gegründet, erstmals geforscht, am Krankenbett gelehrt und das AKH eröffnet. Von Marion Huber

Vor 300 Jahren – im Mai 1717 – wurde die spätere Kaiserin Maria Theresia geboren. 1740 kam sie mit 23 Jahren an die Regierung – sie betrieb nicht nur bald eine umfassende Reformpolitik etwa in der Wirtschaft, sondern bemerkte auch bald, dass die medizinische Fakultät in Wien nicht gut aufgestellt war. Sie, die schon drei Kinder hatte, als sie den Thron bestieg, legte Wert darauf, einen gut ausgebildeten Arzt am Hof zu haben. Weil die Medizin in Holland – vor allem in Leiden – fortschrittlicher war als in Wien, ließ sie den niederländischen Arzt Gerard van Swieten 1745 in ihre Heimat kommen. Von den sieben Kindern, die Maria Theresia bis dahin zur Welt gebracht hatte, waren zwei Töchter schon im Kleinkindalter gestorben. Die Pocken waren damals eine ständige Gefahr; auch die Tochter der Kaiserin, Maria Elisabeth, erkrankte daran. Sie überlebte zwar, war aber zeitlebens entstellt. Von den elf Töchtern und fünf Söhnen, die Maria Theresia und Franz Stephan bekamen, erreichten nur zehn das Erwachsenenalter.

Wie van Swieten nach Wien kam

Gerard van Swieten hatte an der Hochschule im belgischen Löwen Medizin studiert; in Leiden schloss er mit 25 Jahren sein Medizinstudium bei Herman Boerhaave ab – dieser war einer der berühmtesten Ärzte seiner Zeit. Als Anna von Lothringen, eine Schwester von Maria Theresia, am Kindbettfieber erkrankte, ließ man van Swieten, der mit der Kaiserin schon damals in brieflichem Kontakt war, rufen. Obwohl er der Schwester der Kaiserin nicht mehr helfen konnte, war diese so beeindruckt, dass van Swieten der Nachfolger des bisherigen Leibarztes Jean Baptiste Bassand wurde.

Van Swieten war aber nicht nur Leibarzt der kaiserlichen Familie, sondern gleichzeitig u.a. auch Präses der medizinischen Fakultät, oberster ziviler und militärischer Sanitätschef der Erblande und Präsident der Zensur- und der Studienhofkommission. In dieser Funktion ordnete er eine Umgestaltung des österreichischen Gesundheitswesens und der medizinischen Hochschulausbildung an. Er reformierte die medizinische Fakultät, beaufsichtigte Prüfungen und stellte das bisher übliche Medizinstudium ab. Hatte man zuvor im Ausland studiert, wurden von da an nur noch im Inland promovierte Ärzte angestellt. Van Swieten entzog der medizinischen Fakultät schließlich auch das Recht der Ernennung der Professoren, berief Professoren selbst und erstellte eine straffe Prüfungsordnung. Trotz harscher Kritik von vielen Seiten reformierte van Swieten auch die übrigen Fakultäten. In Absprache mit der Kaiserin wollte er den Einfluss des Jesuitenordens im universitären Bereich zurückdrängen. So entstand 1755 anstelle des alten Gebäudes der Jesuiten jenes Bauwerk, das heute als „Alte Universität“ bekannt und Sitz der Akademie der Wissenschaften ist.

Erste Wiener Medizinische Schule

Mit diesen Reformen ging die medizinische Fakultät zum praxisnahen Unterricht über: Im Bürgerspital wurde erstmals am Krankenbett gelehrt, im Spital St. Marx entstand eine Schule für Hebammen, erstmals gab es auch einen Forschungsauftrag. Damit wurde van Swieten zum Gründer der Ersten Wiener Medizinischen Schule. Größen wie Anton de Haen – er übernahm nach dem Tod von van Swieten seine Stelle als Leibarzt von Maria Theresia –, Maximilian Stoll, Lorenz Gasser, Anton von Störck oder Leopold Auenbrugger (beide waren ebenfalls Ärzte am kaiserlichen Hof) lehrten und forschten von da an in Wien.

Joseph II. und das AKH

Nach dem Tod von Franz Stephan von Lothringen wurde sein ältester Sohn Joseph II. zum römisch-deutschen Kaiser gekrönt und war in den habsburgischen Erbländern Mitregent seiner Mutter Maria Theresia. Erst nach ihrem Tod 1780 konnte er als Alleinherrscher zahlreiche innenpolitische Reformen umsetzen, die Maria Theresia zuvor abgelehnt hatte. Joseph II. war ein Hauptvertreter des aufgeklärten Absolutismus; der Josephinismus ging als Sonderform in die europäische Geschichte ein.

Neben der Abschaffung von Folter und Zunftzwang fielenauch die Eröffnung des Allgemeinen Krankenhauses (1784) und des Josephinums (1785) in seine Zeit. Es war Joseph II., der dem Staat die Aufgabe der Kranken- und Armenfürsorg  übertrug. Das Alte Allgemeine Krankenhaus, das ursprünglich als Unterkunft für Invalide und Obdachlose diente, wurde im August 1784 als „Allgemeines Krankenhaus“ eröffnet. Als Vorbild diente das Pariser Zentralspital „Hôtel-Dieu“, das Joseph II. auf einer Reise nach Paris 1777 besichtigt hatte. Der Widmungsspruch im Torbogen zur Alser Straße „Saluti et solatio aegrorum“ („Zum Heil und zum Trost der Kranken“) ist auch am Eingang des neuen AKH angebracht. Das Krankenhaus wurde bald mit dem Gebär- und Irrenhaus vereinigt; der Narrenturm war der erste Spezialbau zur Unterbringung von Geisteskranken. Im Lauf der Jahre wurde das Allgemeine Krankenhaus wiederholt erweitert. 1812/13 begründete Georg Joseph Beer im Allgemeinen Krankenhaus Wien die weltweit erste Universitäts-Augenklinik. Johann Lukas Boër, der kaiserliche Leibchirurg unter Joseph II., etablierte die Geburtshilfe an der Universität Wien, das somit zum Zentrum der modernen Geburtshilfe wurde.

Das Josephinum wurde von Joseph II. als medizinisch-chirurgische Militärakademie gegründet und 1785 fertiggestellt. Damit verbunden war der Bau des zwischen dem Josephinum und dem Allgemeinen Krankenhaus gelegenen Militär-Spitals (später Garnisonspital Nummer 1), das über 1.200 Betten verfügte. Später wurde das Josephinum umgestaltet, kurzfristig geschlossen, wiedereröffnet und schließlich 1874 endgültig aufgelassen. Heute ist das Josephinum Sitz des Instituts für Geschichte der Medizin und beherbergt die aus etwa 1.200 Präparaten bestehende Wachsmodellsammlung, die von Joseph II. in Florenz für die neu gegründete Akademie in Auftrag gegeben wurde.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 18 / 25.09.2017