Standpunkt – Vize-Präs. Johannes Steinhart: „New Deal“ für die Gesundheit

25.06.2016 | Standpunkt

© Zeitler

Den von der neu formierten Bundesregierung mit dem neuen Bundeskanzler an der Spitze propagierten New Deal wird es also für fünf konkrete Bereiche geben – die Gesundheit ist davon ausgenommen. Deswegen einige Überlegungen, wie die Stellungnahme des frisch gekürten Kanzlers für einen längst überfälligen ‚New Deal‘ im Gesundheitswesen aussehen hätte können:

Da mir die Expertise von Ärztinnen und Ärzten wichtig ist, werde ich sie künftig in alle zentralen Planungen des Gesundheitswesens einbinden, auf ihre Erfahrung hören, ihre Bedenken respektieren und versuchen, gemeinsam mit den Ärzten ein Gesundheitssystem zu gestalten, in dem das Wohl des Menschen im Mittelpunkt steht.

Ich sehe mit Sorge, dass die medizinische Versorgung im niedergelassenen Bereich zunehmend ins Hintertreffen gerät. Die Menschen warten wochenlang, ja oft monatelang auf Termine bei Fachärzten oder für Spezialuntersuchungen. Die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte als zentrale Anlaufstelle der wohnortnahen Versorgung werden durch die ausufernde Bürokratie und die unnötigen Erschwernisse für Gruppenpraxen zu reinen Verwaltern der Medizin, anstelle ein hörender und sprechender Teil der kranken Menschen zu sein.

Die Sorge vieler Menschen, ihren Hausarzt zu verlieren, können wir nachvollziehen. Als Regierung werden wir alles unternehmen, damit es auch in Zukunft die hausärztliche Zuwendung gibt und auch der freie Zugang zum Facharzt gewährleistet ist. Evident sind dabei unterschiedliche Modelle für die Stadt und das Land. Hier sollen die Kooperationsformen für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte in allen sinnvollen Formen gefördert werden und sie sollen selbst entscheiden können, welche Form der Zusammenarbeit sie im Sinne einer patientennahen medizinischen Betreuung wählen. Im Interesse der hilfesuchenden Menschen soll es beim Denken keine Tabus geben.


Stichwort Bürokratie: Ja, hier gibt es einiges zu entrümpeln. Angefangen von den unzähligen Vorschriften und Hürden – als Beispiel sei nur die Chefarztpflicht genannt – ist es auch blanker Unsinn, dass man nun mit der Registrierkassenpflicht eine neue Hürde errichtet hat. Schluss damit. Schluss muss auch sein mit den unnützen Kontrollen durch Mystery Shopper, die Ärzten und Patienten gleichermaßen unterstellen, das System hintergehen zu wollen. Kontrollen sind wichtig und es wird sie auch immer geben müssen. Nach Einschätzung des Hauptverbandes verhalten sich rund 99 Prozent der Ärzte korrekt – da frage ich mich schon: Wozu also dieser Aufwand? Ich verstehe die Sorge der Ärzte, dass unter diesen Umständen ein vertrauensvolles Arzt-Patienten-Verhältnis nahezu unmöglich ist. Deswegen: Schluss mit dem Mystery Shopping.

Die Lehrpraxis ist mir ein wichtiges Anliegen. Nur ein Bruchteil der Ausgaben, die für den Bau von Autobahnen vorgesehen sind, ist notwendig, um den jungen Ärztinnen und Ärzten zu signalisieren: Ihr seid uns wichtig. Und: Die Finanzierung der nun verpflichtenden Lehrpraxis als Teil der Ausbildung zum Allgemeinmediziner ist somit sichergestellt.

Mir ist klar, dass der MUKIPA mehr als 40 Jahre nach seiner Einführung dringend einer Erneuerung bedarf. Genauso klar ist auch, dass hier vorrangig die Ärztinnen und Ärzte nach dem aktuellen Stand des medizinischen Wissens entscheiden, welche Entwicklungen auch im bewährten Mutter-Kind-Pass künftig berücksichtigt werden sollten.

Dass man auf die Expertise der Ärzte – und hier schließt sich der Bogen zu meinen Ausführungen – hören sollte, hat uns das Mamma-Screening eindringlich vor Augen geführt. Der nun wiederum erleichterte Zugang zur Mammographie soll ebenso wie die bewusste Einbindung von Hausärzten und Gynäkologen die Teilnahme an diesem Screening wieder zu den beachtlichen Zahlen führen, die wir einst schon vorweisen konnten.

Es gibt genug zu tun: Packen wir es an.

Vergeblich haben wir auf solche oder ähnliche Ankündigungen eines ‚New Deals‘ für die Gesundheit gehofft. Doch: Es ist nicht zu spät.

Johannes Steinhart
3. Vize-Präsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 12 / 25.06.2016