Steuer: Aktuelle Judikatur

25.01.2016 | Service

Von Herbert Emberger*

1. Immobilienertragssteuer für Altvermögen – nicht verfassungswidrig (VfGH vom 25.9.2015, G 111/2015)

Die Immobilienertragsbesteuerung jener Grundstücke, die vor dem 1.4.2002 erworben worden sind und nach dem 31.3.2012 veräußert worden sind, also die pauschale Besteuerung des Altvermögens, ist nicht verfassungswidrig. Die Ansicht, dass der Systemwechsel als faktisch rückwirkende unvorhersehbare und plötzliche Änderung zu werten sei, und daher das gesamte Regelwerk der Immobilienertragsbesteuerung als verfassungswidrig aufzuheben sei, ist nicht zutreffend.

Es besteht keine Rückwirkung, weil nicht vor In-Kraft-Treten der Neuregelung verwirklichte Veräußerungsvorgänge erfasst sind, sondern solche, die nach In-Kraft-Treten der Neuregelung durchgeführt wurden. Auch eine schutzwürdige Vertrauenslage, bei der der Gesetzgeber bestimmte Verhaltensweisen in der Vergangenheit gefördert hätte, kann der gesetzlichen Neuregelung nicht entnommen werden. Es besteht kein verfassungsrechtlich geschütztes Vertrauen auf eine unveränderte Fortsetzung einer Rechtslage.

Kein Werbungskostenabzug bei privaten Grundstücksveräußerungen (BFG vom 23.6.2014 RN/7100002/2014-RS1)

Hier ging es um die Kosten eines Fremdwährungskredites in Schweizer Franken im Zusammenhang mit dem Kaufpreis für ein Grundstück. Das Bundesfinanzgericht ist der Auffassung, dass der Ausschluss der Werbungskosten im Bereich der Immobilienertragsbesteuerung im Widerspruch zum so genannten Nettoprinzip steht und damit das Sachlichkeitsgebot verletzt sein könnte. Überdies sei mit der Einführung der Immobilienertragsbesteuerung und somit auch des Ausschlusses der Werbungskosten ein schwerwiegender und überfallsartiger Eingriff in bestehende Rechtspositionen vorgenommen worden. Die Folgen würden im Widerspruch zum Gleichheitssatz stehen.

BFG vom 18.9.2015, RV/7104890/2014: Anders lautet diese Entscheidung: Die Kosten des Energieausweises, der vom Verkäufer dem Käufer eines Grundstückes vorzulegen ist, sind keine abzugsfähigen Aufwendungen bei der Immobilienertragsbesteuerung.

BFG vom 18.9.2015, RV/7102645/2013: Pflichtteilszahlungen im Zusammenhang mit einem ererbten Grundstück reduzieren nicht den Gewinn (die Immobilienertragssteuer) aus der späteren Grundstücksveräußerung.

2. Unfall Privat-PKW – Werbungskosten (VwGH vom 24.3.2015, 2012/15/0074)

Aufwendungen für Schäden am PKW auf einer beruflich veranlassten Fahrt, geschehen durch einen Verkehrsunfall, können unter bestimmten Voraussetzungen Werbungskosten darstellen. Das gilt jedenfalls für einen unverschuldeten Unfall. Auch Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sind solche beruflich veranlassten Fahrten. Im konkreten Fall war auf einer beruflichen Fahrt ein Steinschlag eines entgegenkommenden Fahrzeuges die Ursache eines Schadens an der Windschutzscheibe, die dann zum Austausch der Windschutzscheibe geführt hat. Das Finanzamt hat den Abzug dieser Werbungskosten mit der Begründung verwehrt, dass es der behaupteten beruflichen Veranlassung des Schadensereignisses keinen Glauben schenke. Es sei unglaubwürdig, dass auf einer gering frequentierten Landstraße ein so heftiger Steinschlag geschehen sei und der Betreffende sich nicht einmal das Kennzeichen des Fahrzeuges habe merken können. Der VwGH stellt fest, dass die Annahme bei Auftreten eines plötzlichen Schadensfalls sei es dem Autofahrer möglich, das Kennzeichen des vorbeifahrenden Fahrzeuges zu erkennen und festzuhalten, im Widerspruch zur Lebenserfahrung steht.

3. Kinderbetreuungskosten – Betreuung durch eine pädagogisch qualifizierte Person (VwGH vom 30.9.2015, 2012/15/0211)

Betreuungskosten für Kinder bis zum zehnten Lebensjahr (im Ausnahmefall bis zum 16. Lebensjahr) sind als außergewöhnliche Belastung bis 2.300 Euro pro Jahr abzugsfähig. Voraussetzung ist die Betreuung in öffentlichen oder privaten Kinderbetreuungseinrichtungen oder durch eine pädagogisch qualifizierte Person. Diese Person muss zumindest eine Ausbildung wie für Tagesmütter oder Tagesväter haben; ein pädagogisches Praktikum reicht nicht aus.

4. Befreiung von der Immobilienertragssteuer bei Hauptwohnsitzen (BFG 17.4.2015 RV/2101044/2014)

Von der Immobilienertragsbesteuerung ausgenommen sind Einkünfte aus der Veräußerung von Eigenheimen oder Eigentumswohnungen samt Grund und Boden, wenn sie ab der Anschaffung bis zur Veräußerung mindestens zwei Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird oder innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Veräußerung mindestens fünf Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird. Im Konkreten war der zweite Tatbestand vorliegend. Fraglich war, ob der gesamte Veräußerungserlös steuerfrei bleibt, oder ob der 1.000m² übersteigende Grundanteil steuerverfangen ist, was die Einkommenssteuerrichtlinien ausführen. Das BFG hat hingegen festgestellt, dass die Befreiung grundsätzlich unabhängig von der Größe des Grundstückes zusteht. § 30 EStG sieht nämlich eine größenmäßige Begrenzung nicht vor. Die Finanzverwaltung hat gegen diese Entscheidung Amtsbeschwerde an den VwGH eingebracht.

5. Großes Pendlerpauschale eines Spitalsarztes (BFG 9.6.2015, RV/7102861/2012)

Für den betreffenden Spitalsarzt war es unmöglich, die Dienste an die Zeiten der öffentlichen Verkehrsmittel anzupassen. Der Beginn eines Dienstes war zwar festgelegt, das Ende war aber flexibel. Das Dienstende hat sich beinahe täglich geändert und es konnte das vorgesehene Ende des Dienstes laut Dienstplan in rund 90 Prozent der Dienstleistungen nicht eingehalten werden. Da also das tatsächliche Dienstende nicht vorhersehbar war, konnte der Betreffende den Zeitpunkt des Fahrantrittes nicht wissen und somit auch nicht, ob er die Heimreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln bewerkstelligen wird können. Es war also die Heimfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht planbar und damit war von der Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmitteln auszugehen, das heißt es war das große Pendlerpauschale anzuerkennen, das immer zusteht, wenn im Lohnzahlungszeitraum überwiegend die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohn- und Arbeitsstätte zumindestens hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar ist.

6. Medizinisches Training in einem Fitnessstudio – keine außergewöhnliche Belastung (BFG vom 10.6.2015, RV/5100841/2013)

Kosten für ein „health-medizinisches Training“ in einem Fitnesscenter, das medizinisch verordnet war, wurden nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Dem Betroffenen wurde zur Behandlung von Bluthochdruck neben einer medikamentösen Intervention eine Reduktion des Körpergewichtes und gesunde Ernährung, körperliche Bewegung empfohlen. Regelmäßiges körperliches Training senkt nachweislich den Blutdruck und gehört damit zum Therapieprogramm jedes Menschen mit Hypertonie. Bewegung ist auch bei Gonarthrose als Therapie angezeigt.

Die Kosten des Trainings stehen daher im ursächlichen Zusammenhang mit den durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen konkret bescheinigten Erkrankungen des Betreffenden. Es wurde im Konkreten vor Beginn des Trainings im Fitnessstudio eine ärztliche Anordnung, aus der sich sowohl Häufigkeit als auch Intensität der Übungen ergeben haben, ausgestellt. Daraufhin wurde das Training vom Arzt an die geänderte Leistungsfähigkeit angepasst. Es wurde jede Trainingseinheit durch eine qualifizierte Person medizinischer Gesundheitsberufe überwacht und kontrolliert. Neben anderen Krankheitsbildern war insbesondere die Gonarthrose und eine kurz zuvor durchgeführte Operation des Kniegelenks die Ursache des ärztlich verordneten und kontrollierten Trainings. Die Kosten waren daher als außergewöhnliche Belastung zur berücksichtigen.

7. Sonderklassegebühren – keine außergewöhnliche Belastung (BFG 9.7.2015, RS/5101381/2014)

Die Kosten einer Behandlung (einer Operation) an der Sonderklasse wurden vom Bundesfinanzgericht nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Bei pflichtversicherten Steuerpflichtigen sind die Kosten über den von der gesetzlichen Krankversicherung getragenen Kosten dann außergewöhnliche Belastungen, wenn diese Aufwendungen aus triftigen Gründen medizinisch geboten sind. Dies gilt auch für Sonderklassegebühren. Dabei genügen bloße Wünsche und Vorstellungen über eine bestimmte medizinische Betreuung ebenso wenig wie allgemein gehaltene Befürchtungen. Die triftigen medizinischen Gründe müssen in feststehenden oder sich konkret abzeichnenden ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen bestehen, welche ohne die mit den höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eintreten würden.

Aus einer Bestätigung war im konkreten Fall zu entnehmen, dass der Betreffende nahezu gehunfähig war und eine längere Wartezeit auf die Operation – auf der allgemeinen Klasse zwölf Monate – wegen der Schmerzen unzumutbar war. Der Patient hat daher die Sonderklasse in Anspruch genommen.

Zunächst weist das Bundesfinanzgericht darauf hin, dass an der Sonderklasse keine medizinisch bessere Betreuung vorgesehen ist. Die Sonderklasse diene nicht dazu, um im medizinischen Bereich eine Zweiklassengesellschaft zu schaffen. Für die Behandlung in einem Spital ist ausschließlich der Gesundheitszustand heranzuziehen. Dies gilt grundsätzlich auch für die Vergabe von Operationsterminen. Im konkreten Fall war nicht zu entnehmen, dass die Durchführung der Operation außerhalb der Sonderklasse zu ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen geführt hätte. Es ist also kein triftiger medizinischer Grund für die Inanspruchnahme der Sonderklasse festzustellen. Das gilt auch für die Schmerzen beziehungsweise die zwölfmonatige Wartezeit. Die Kosten der Sonderklasse – das entspricht auch der bisherigen Judikatur – waren nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig.

8. Burn out-Behandlung – keine Werbungskosten (BFG 10.7.2015, RV6100468/2013)

Burn out ist eine Volkskrankheit und kann jeden Steuerpflichtigen treffen – und zwar unabhängig von der Art des konkret ausgeübten Berufes; es ist daher auch keine typische Berufskrankheit im Sinne des ASVG, daher sind die Kosten keine Werbungskosten (beziehungsweise Betriebsausgaben). Wenn, könnten die Kosten unter Umständen als außergewöhnliche Belastung Berücksichtigung finden.

9. Vertreter eines niedergelassenen Facharztes – kein steuerrechtliches Dienstverhältnis (BFG 19.11.2015 GZ. RV/2100115/2014)

Zur Frage, ob der Vertreter eines niedergelassenen Facharztes mit seiner regelmäßigen an bestimmten Wochentagen durchgeführten Vertretungstätigkeit in einem steuerrechtlichen Dienstverhältnis zum vertretenen Arzt steht, hatte der Unabhängige Finanzsenat ursprünglich das Vorliegen eines Dienstverhältnisses verneint; der Verwaltungsgerichtshof hat aber aufgrund der Amtsbeschwerde des Finanzamtes diese Entscheidung aufgehoben und zur neuerlichen Behandlung zurückverwiesen. In der jetzt vorliegenden neuerlichen Entscheidung vom 19.11.2015 GZ. RV/2100115/2014 hat das Bundesfinanzgericht das Vorliegen eines Dienstverhältnisses wiederum abgelehnt und das Rechtsverhältnis des Vertreters als selbständiges bezeichnet. Dies mit folgender Begründung:

Ein Dienstverhältnis liegt unter anderem vor, wenn der Betreffende verpflichtet ist, im geschäftlichen Organismus des Arbeitsgebers dessen Weisungen zu folgen. Die ausgeübte Tätigkeit muss in all ihrer Erscheinungsform diesen Voraussetzungen entsprechen. Auf die gewählte Bezeichnung des Dienstverhältnisses – sei es als Dienstvertrag, freier Dienstvertrag oder Werkvertrag – kommt es nicht an.

Primär wesentlich für die Beurteilung ist die persönliche Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber und die damit zusammenhängende Eingliederung in die geschäftliche Organisation des Arbeitgebers; ist damit noch keine klare Abgrenzung möglich, ist auf weitere Kriterien abzustellen.

Diese Weisungsgebundenheit wird seitens des Bundesfinanzgerichtes abgelehnt, damit auch die Eingliederung in das Unternehmen. Die Auffassung der Österreichischen Ärztekammer, dass die Vertreter als Wohnsitzärzte nicht weisungsgebunden und daher voll eigenverantwortlich tätig sind, wird also übernommen. Regelungen im Kassenvertrag über den Umfang der auf Kassenkosten erbringbaren Leistungen stellen inhaltlich keine Weisungsmöglichkeiten des Vertreters dar, sondern sind im Kassenvertrag vorgegebene Rahmenbedingungen. Sie ändern also an der Weisungsungebundenheit des Vertreters nichts. Der Vertreter kann somit zur Haftung herangezogen werden, was einem Unternehmerrisiko gleichkommt. Eine Einbindung in die geschäftliche Organisation kann im konkreten Fall nicht vorliegen, unter anderem, da der vertretene Arzt während der Tätigkeit des Vertreters nicht anwesend ist und die Ordination sowie die Betriebsmittel dem Vertreter lediglich zur Verfügung gestellt werden. Der Vertreter wird eigenverantwortlich tätig. Es ist für den Patienten nicht zu übersehen, dass er nicht vom vertretenen Arzt, sondern vom Vertreter behandelt wird.

Zitiert wird vom Bundesfinanzgericht eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 22.1.2008, 4OB210/07 zur Eigenverantwortlichkeit und zur Haftung des Vertretungsarztes wie folgt: Es fehle an jeder Abhängigkeit des Urlaubsvertreters von dem auf Urlaub befindlichen Arzt. Rein administrative Umstände wie zum Beispiel die Bezahlung mittels eines Tagespauschales, die Benutzung des Ordinationsraumes samt Instrumentarium, fielen nicht ins Gewicht. Das Gleiche gilt für die Tatsache, dass die Honorare, die der Vertreter erarbeitet, seitens der Pflichtkrankenkassen, dem vertretenen Arzt zugehen. Das Bundesfinanzgericht zitiert weiters als wesentlich für die vorliegende Rechtsfrage die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 6.7.1956, 0954/54, in der dieser feststellt, dass ein Arzt hinsichtlich des für die Vertretung vom praktischen Ärzten bezogenen Entgeltes eindeutig als Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechtes anzusehen ist, da er ebenso selbstständig in der Ausübung des freien Berufes ist wie der praktische Arzt, den er vertritt. Er ist auch nicht in dessen Unternehmen eingegliedert. Es liegt also ein Leistungsaustausch zwischen dem Vertreter und dem zu Vertretenden vor, wobei der Vertreter seine Leistungen als selbständiger Unternehmer erbringt.

*) HR Dr. Herbert Emberger ist Steuerkonsulent der ÖÄK

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 1-2 / 25.01.2016