Arbeits- und Sozi­al­ver­si­che­rungs­recht: Aktu­el­les und Änderungen

25.03.2016 | Service

Zusätz­lich zur Steu­er­re­form sind mit Jän­ner 2016 zahl­rei­che Ände­run­gen im Arbeits- und Sozi­al­ver­si­che­rungs­recht in Kraft getre­ten. Einer­seits haben Geset­zes­än­de­run­gen wie die „Lohn- und Sozi­al­dum­ping-Bekämp­fung“ ihren Weg zu den Gerich­ten gefun­den, ande­rer­seits brin­gen Neue­run­gen im Bereich der Arbeits­ver­träge mehr Trans­pa­renz für den Arbeit­neh­mer. Von Mar­kus Metzl*

Ver­trags­klau­seln, Dienstzettel

In allen Dienst­ver­trä­gen, die ab 29. Dezem­ber 2015 neu aus­ge­stellt wer­den bezie­hungs­weise wenn sich bei bestehen­den Dienst­ver­trä­gen der Grund­lohn ändert (auf­grund einer Vor­rü­ckung oder Umstu­fung), ist zusätz­lich der Grund­lohn betrags­mä­ßig anzu­ge­ben. Diese Bestim­mung dient vor allem der Trans­pa­renz bei All-in-Ver­ein­ba­run­gen. Die fol­gen­den Bezeich­nun­gen sind dafür möglich:

  • Grund­lohn oder Ent­gelt für die Normalarbeitszeit
  • Über­zah­lung, Zusatz­ent­gelt, Abgel­tung sämt­li­cher sons­ti­ger Entgeltbestandteile

Quelle: § 2 Abs. 2 Z 9 AVRAG

Kon­kur­renz­klau­seln und Konventionalstrafe

Zukünf­tig ver­ein­barte Kon­kur­renz­klau­seln (mit der sich der Dienst­neh­mer ver­pflich­tet, bis zu einem Jahr nach Been­di­gung des Arbeits­ver­hält­nis­ses nicht in der Bran­che des alten Arbeit­ge­bers tätig zu wer­den) wer­den nur wirk­sam, wenn das Ent­gelt des Dienst­neh­mers die 20-fach täg­li­che ASVG-Höchst­grenze übersteigt:

Ver­ein­ba­run­gen vor dem 29.12.2015

Ver­ein­ba­run­gen ab dem 29.12.2015

€ 2.754,- inkl. ali­quo­ter Sonderzahlungen

€ 3.240,- exkl. Sonderzahlungen

Bei Ver­stö­ßen gegen die Kon­kur­renz­klau­sel wird die Kon­ven­tio­nal­strafe auf maximal sechs Monats­ent­gelte beschränkt.
Quelle: § 2c AVRAG, § 36 Abs 2 AngG

Arbeitsmarktmittel/​Beschäftigung

Ab die­sem Jahr wird der Haupt­ver­band jähr­lich im Nach­hin­ein alle Arbeit­ge­ber infor­mie­ren, die durch­schnitt­lich zumin­dest 25 Arbeit­neh­mer beschäf­ti­gen, ob diese mehr oder weni­ger ältere Per­so­nen (55+) im Ver­hält­nis zum Bran­chen­durch­schnitt beschäf­ti­gen. Diese Maß­nahme soll der Tat­sa­che ent­ge­gen­wir­ken, dass in der Alters­gruppe der „55+“ die Beschäf­ti­gung zwar steigt, aber die Arbeits­lo­sig­keit bei­nahe fünf­mal so stark wächst.
Quelle: § 31 Abs. 14 ASVG

IESG-Zuschlag und Sozialversicherungsbeiträge

Der Bei­trag zum Insol­venz-Ent­gelt-Fonds sinkt zum 1.1.2016 um 0,1 Pro­zent auf 0,35 Pro­zent. Diese Maß­nahme redu­ziert den Dienst­ge­ber­an­teil der Sozi­al­ver­si­che­rung (Lohn­ne­ben­kos­ten). Zusätz­lich wurde die Anglei­chung der SV-Bei­trags­sätze für Arbei­ter und Ange­stellte ab 1.1.2016 beschlossen.

Über­sicht der aktu­el­len Beitragssätze:

2015

2016

Angestellte/​Arbeiter

Angestellte/​Arbeiter

DN-Anteil:

18,07% /​18,20%

18,12%

DG-Anteil*:

21,63% /​21,50%

21,48%

Gesamt:

39,70% /​39,70%

39,60%

*Sen­kung des IESG-Zuschlags bereits berücksichtigt.

Quelle: BGBL II 2015/​375

Novelle MSchG/​VKG

Ab 1.1.2016 gilt das Beschäf­ti­gungs­ver­bot gemäß MSchG auch für freie Dienst­neh­mer nach § 4 Abs. 4 ASVG. Im Fall einer Fehl­ge­burt besteht eben­falls für die Zeit von vier Wochen danach ein Kün­di­gungs- und Entlassungsschutz.

Locke­rung bei den Mel­de­fris­ten für Eltern­ka­renz: Wenn ein Eltern­teil kei­nen Karenz­an­spruch hat (zum Bei­spiel Selbst­stän­dig­keit), kann der andere Eltern­teil seine Karenz nicht nur wie bis­her unmit­tel­bar nach dem Mut­ter­schutz, son­dern auch zu einem spä­te­ren Zeit­punkt beginnen.

Wird eine Dienst­neh­me­rin wäh­rend einer Eltern­ka­renz wie­der schwan­ger, hat sie ab dem Jahr 2016 unter den fol­gen­den Vor­aus­set­zun­gen kei­nen erneu­ten Anspruch auf Wochengeld:

  • Bei Wahl einer der bei­den Kurz­va­ri­an­ten des Kin­der­be­treu­ungs­gel­des (15 +3 und 12 +2 Mona­ten) ist die Bezugs­dauer kür­zer als die maxi­male gesetz­li­che Karen­zeit (2. Geburts­tag des Kindes).
  • Gering­fü­gig beschäf­tigte Ange­stellte ohne § 19a ASVG (Selbst­ver­si­che­rung).

Begrün­dung: Der § 14 Abs. 2 MSchG bezieht sich für die Zeit eines indi­vi­du­el­len Beschäf­ti­gungs­ver­bots strikt auf den Ent­gelt­schnitt der letz­ten 13 Wochen vor Beginn des Mut­ter­schut­zes. Des Wei­te­ren besteht auch kein Anspruch auf Ent­gelt für sechs Wochen nach der Ent­bin­dung, wenn die Dienst­neh­me­rin zuvor in Karenz bezie­hungs­weise in einer Karenz­ver­län­ge­rung war. In die­sem Fall ist der Arbeit­ge­ber wie­der in der Pflicht, da der § 8 Abs 4 AngG fol­gen­des besagt: „Hat aber eine schwan­gere Ange­stellte bei einem auf­rech­ten Arbeits­ver­hält­nis kei­nen Anspruch auf Wochen­geld, so steht ihr nach der Ent­bin­dung für die Dauer von sechs Wochen eine Ent­gelt­fort­zah­lung durch den Arbeit­ge­ber zu.“

Zusätz­lich neu gere­gelt wurde die Eltern­teil­zeit für Kin­der. Diese unter­liegt ab sofort einer Band­breite, in der eine Arbeits­zeit­re­duk­tion mit dem Arbeit­ge­ber zu ver­ein­ba­ren ist. Diese beträgt:

  • eine Min­dest­ar­beits­zeit von zwölf Wochen­stun­den und
  • eine Min­dest­ab­sen­kung der Nor­mal­ar­beits­zeit um min­des­tens 20 Prozent.

In allen ande­ren Fäl­len, zum Bei­spiel bei einer Reduk­tion um nur zehn Pro­zent der Nor­mal­ar­beits­zeit, liegt (nur) eine Baga­tell­ver­schie­bung vor. Ach­tung: Man­gels gesetz­li­cher Rege­lung könnte diese Umge­hung eben­falls als voll­wer­tige Eltern­teil­zeit mit Kün­di­gungs- und Ent­las­sungs­schutz gewer­tet wer­den. Es bleibt abzu­war­ten, wie die Gerichte bei einer Baga­tell­ver­schie­bung ent­schei­den wer­den.
Quelle: § 10 Abs. 1a, § 14 Abs. 2, § 15 Abs 3,
§ 15h Abs. 1 MSchG, § 8 Abs. 1 VKG, § 8 Abs. 4 AngG.

Reha­bi­li­ta­ti­ons­geld

Wenn ein Arbeit­neh­mer bei einem auf­rech­ten Dienst­ver­hält­nis Reha­bi­li­ta­ti­ons­geld oder Umschu­lungs­geld für min­des­tens ein Jahr bezieht, ruht auto­ma­tisch die Ent­gelt­fort­zah­lungs­pflicht und es wird von Geset­zes wegen Karenz (ohne Ver­ein­ba­rung) ange­ord­net. Alle dienst­zeit­ab­hän­gi­gen Ansprü­che ruhen. Es ist eine Abmel­dung mit Ende des Ent­gelt­be­zugs bei gleich­zei­tig auf­rech­tem Dienst­ver­hält­nis an die GKK zu über­mit­teln.
Quelle: § 15b Abs 1,2 AVRAG

Aus­bil­dungs­kos­ten­rück­ersatz

Für alle neuen Aus­bil­dungs­kos­ten­rück­ersatz­ver­ein­ba­run­gen gilt eine maxi­male Bin­dungs­dauer von vier Jah­ren (in beson­de­ren Fäl­len wie die Pilo­ten­aus­bil­dung acht Jahre). Die Kos­ten sind monat­lich zu ali­quo­tie­ren. Für jede neue Aus­bil­dung muss zusätz­lich eine wei­tere (neue) Ver­ein­ba­rung mit dem Dienst­neh­mer abge­schlos­sen werden.

Arbeitszeitrecht/​Reisezeiten

Bei akti­ver Rei­se­zeit ist ab 2016 eine täg­li­che Arbeits­zeit von bis zu zwölf Stun­den (2015 waren es nur zehn Stun­den) mög­lich, wenn der Arbeit­neh­mer (Per­so­nen ab 18 Jah­ren) auf Anord­nung des Arbeit­ge­bers das Fahr­zeug lenkt. Eine aktive Rei­se­zeit im Sinne des AZG muss aus­drück­lich oder schlüs­sig ver­ein­bart wer­den. Die Höchst­grenze gem. § 9 AZG von 50 Wochen­stun­den bleibt unver­än­dert auf­recht.
Quelle: § 20b Abs 6 AZG; Quelle: § 2d Abs 3 AVRAG

Son­der­über­stun­den

In Betrie­ben ohne Betriebs­rat kön­nen bei vor­über­ge­hend auf­tre­ten­dem erhöh­ten Arbeits­be­darf zur Ver­hin­de­rung eines unver­hält­nis­mä­ßi­gen wirt­schaft­li­chen Nach­teils durch Betriebs­ver­ein­ba­rung, die den zustän­di­gen kol­lek­tiv­ver­trags­fä­hi­gen Kör­per­schaf­ten der Arbeit­ge­ber und der Arbeit­neh­mer sowie dem zustän­di­gen Arbeits­in­spek­to­rat zu über­mit­teln ist, in höchs­tens 24 Wochen des Kalen­der­jah­res Über­stun­den bis zu einer Wochen­ar­beits­zeit von 60 Stun­den zuge­las­sen wer­den, wenn andere Maß­nah­men nicht zumut­bar sind.

Zusätz­lich ist ein arbeits­me­di­zi­ni­sches Gut­ach­ten zwecks Unbe­denk­lich­keit die­ser zusätz­li­chen Über­stun­den ein­zu­ho­len. In Betrie­ben mit Betriebs­rat reicht dafür eine Betriebs­ver­ein­ba­rung. Die arbeits­me­di­zi­ni­sche Unbe­denk­lich­keit entfällt. 

Gründe für Son­der­über­stun­den sind zum Bei­spiel bestimmte Groß­pro­jekte mit erhöh­tem Arbeits­be­darf, die nur von ein­ge­schul­tem Per­so­nal zu erle­di­gen sind und bei Ver­zug eine Pöna­le­zah­lung bezie­hungs­weie der Ver­lust von Fol­ge­auf­trä­gen droht.

Nach den 24 Wochen ist unbe­dingt eine acht­wö­chige Pause (nor­male Über­stun­den bis 50 Wochen­stun­den sind wäh­rend­des­sen erlaubt) ein­zu­hal­ten, bevor erneut Son­der­über­stun­den geleis­tet wer­den kön­nen. Der Arbeit­neh­mer hat die Mög­lich­keit, diese Son­der­über­stun­den jeder­zeit ohne Benach­tei­li­gung abzu­leh­nen (§ 7 Abs. 6a AZG).

Abschlie­ßend noch ein Hin­weis an alle Steu­er­zah­ler: Zwi­schen Februar und Juli 2016 wer­den alle Ban­ken bei Über­wei­sung auf eine IBAN eines Finanz­am­tes die ver­pflich­tende Ver­wen­dung der „Finanz­amts­zah­lung“ umset­zen. Eine Über­wei­sung an das Finanz­amt hat danach grund­sätz­lich im Sinne des § 211 Abs. 5 BAO/­Fi­nan­zOn­line-Ver­ord­nung 2006 zu erfolgen,

  • wenn das dem Zah­lungs­pflich­ti­gen von sei­nem Kre­dit­in­sti­tut zur Ver­fü­gung gestellte Elec­tro­nic-Ban­king-Sys­tem die Funk­tion „Finanz­amts­zah­lung“ beinhal­tet, dann im Wege einer solchen
  • oder in Form des dem Zah­lungs­pflich­ti­gen im Sys­tem Finanz-Online zur Ver­fü­gung gestell­ten „eps“-Verfahrens (e‑payment stan­dard) und
  • wenn der Steu­er­pflich­tige über einen Inter­net-Anschluss verfügt.

Im Umkehr­schluss bedeu­tet das: Wenn man zwar über einen Inter­net­an­schluss ver­fügt, aber bis­her kein Elec­tro­nic-Ban­king-Sys­tem ver­wen­det, kann man die Abga­ben wei­ter­hin mit den her­kömm­li­chen Zah­lungs­an­wei­sun­gen über­wei­sen. Wich­tig wird aber sein, regel­mä­ßig zu prü­fen, ob die Zah­lun­gen rich­tig zuge­ord­net und die Selbst­be­mes­sungs­ab­ga­ben (wie zum Bei­spiel Umsatz­steuer, Lohn­steuer, Dienst­ge­ber­bei­trag u.ä.) auch rich­tig erfasst wur­den. Ist jeman­dem im Sinn der Ver­ord­nung eine elek­tro­ni­sche Über­wei­sung zumut­bar, das Elec­tro­nic-Ban­king-Sys­tem ver­fügt aber nicht über die Funk­tion „Finanz­amts­zah­lung“, müs­sen die Abga­ben im Wege des eps-Ver­fah­rens über Finan­zOn­line bezahlt wer­den.
Quelle: § 7 Abs. 4 und 4a AZG

*) Dr. Mar­kus Metzl ist Bereichs­lei­ter Finan­zen in der ÖÄK

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 6 /​25.03.2016