Spi­tals­ärzte-Umfrage: Noch genug zu tun

25.05.2016 | Politik

Immer mehr Arbeit in weni­ger Zeit bei zu wenig Per­so­nal. Dass der Zeit­druck steigt, das spü­ren auch die Ärzte im Spi­tal, wie eine aktu­elle IFES-Umfrage zeigt. Die größ­ten Belas­tun­gen sind unver­än­dert: Doku­men­ta­tion, Per­so­nal­man­gel und Ambu­lanz­über­las­tung. Ver­bes­sert hat sich hin­ge­gen die Arbeits­zeit. Von Marion Huber

Es hat sich viel getan, aber noch nicht über­all genug. Das ist das Fazit, das der Bun­des­ku­ri­en­ob­mann der ange­stell­ten Ärzte, Harald Mayer, aus einer aktu­el­len Befra­gung von Spi­tals­ärz­ten zieht. „In man­chen Berei­chen ist es erschre­ckend, wie wenig sich getan hat“, ortet er noch unend­lich viel Hand­lungs­be­darf. Damit spricht Mayer die Doku­men­ta­ti­ons­last und den unge­brems­ten Zustrom in die Ambu­lan­zen an, die den Spi­tals­ärz­ten den All­tag erschwe­ren. Unnö­tig erschwe­ren, denn eigent­lich gäbe es aus Sicht des Bun­des­ku­ri­en­ob­manns für bei­des eine Lösung. Weil die Spi­tals­ärzte heuer bereits zum fünf­ten Mal inner­halb von 13 Jah­ren befragt wur­den, las­sen sich Trends und Ent­wick­lun­gen beson­ders gut nach­voll­zie­hen, betont Stu­di­en­lei­ter Georg Michen­tha­ler vom Insti­tut für Empi­ri­sche Sozi­al­for­schung (IFES).

Die Ver­kür­zung der Arbeits­zeit durch die Novelle des KA-AZG zeigt Wir­kung: Die durch­schnitt­li­che wöchent­li­che Arbeits­zeit inklu­sive Nacht­dienste ist auf 48 Stun­den gesun­ken. Bei der Umfrage 2006 waren es noch 59 Stun­den. Auch die höchste Stun­den­an­zahl in einer Arbeits­wo­che ist von 75 Stun­den (2006) auf 62 Stun­den gesun­ken. Das heißt aber nicht, dass das Wunsch­ziel bereits erreicht ist: Das liegt bei den Ärz­ten näm­lich durch­schnitt­lich bei 41 Stun­den. Schon jetzt werde das Opt-Out von der Arbeits­zeit­ver­kür­zung nur von 33 Pro­zent der Befrag­ten in Anspruch genom­men, so Mayer: „Die Poli­tik braucht nicht zu glau­ben, dass das Opt-Out end­los aus­ge­dehnt wer­den kann. Die jun­gen Ärzte wol­len das noch weni­ger als die ältere Gene­ra­tion.“ Das spie­gelt auch ein ande­res Ergeb­nis wider: 83 Pro­zent der Befrag­ten ste­hen hin­ter der Beschrän­kung der maximal zuläs­si­gen Dienst­dauer auf 25 Stun­den. Für Michen­tha­ler ein inter­es­san­ter Ver­gleich: Als 2013 die Zustim­mung zur geplan­ten Beschrän­kung abge­fragt wurde, waren nur 76 Pro­zent dafür. „Mitt­ler­weile sind mehr Ärzte über­zeugt, dass sich die Beschrän­kung bewährt hat.“

Die Umfrage zeigt aber auch, dass die im Zuge der Umset­zung des KA-AZG geführ­ten Gehalts­ver­hand­lun­gen Früchte getra­gen haben. 60 Pro­zent der Befrag­ten hat­ten keine Ein­bu­ßen bei ihrem Ein­kom­men; 57 Pro­zent sind mit ihrem Ein­kom­men zufrie­den. Hier sei man auf dem rich­ti­gen Weg, so Mayer.

Weni­ger erfreu­lich sind fol­gende Aspekte:

  • die Tat­sa­che, dass Ärz­tin­nen und Ärzte nach wie vor ein Drit­tel ihrer Arbeits­zeit für Admi­nis­tra­tion auf­wen­den. Nur rund 58 Pro­zent der Arbeits­zeit bestehen aus rein ärzt­li­cher Tätig­keit; ganze 35 Pro­zent ver­schlingt die Administration,bei Tur­nus­ärz­ten sogar die Hälfte der Arbeits­zeit. Mayer bezeich­net das als „unnö­tige Ver­schwen­dung“, die viel Poten­tial in sich berge: Nimmt man dem Arzt Teile der Admi­nis­tra­tion ab, würde mehr Zeit für den Pati­en­ten frei­ge­schau­felt. Der rie­sige Doku­men­ta­ti­ons­auf­wand ist für rund zwei Drit­tel der Befrag­ten ein „gra­vie­ren­des Problem“.
  • Das Per­so­nal ist zu knapp und der Zeit­druck steigt. 90 Pro­zent der Befrag­ten spü­ren die Per­so­nal­knapp­heit im Spi­tal­s­all­tag, 85 Pro­zent den zuneh­men­den Zeit­druck. Belas­tun­gen, die sich seit den letz­ten Befra­gun­gen kaum gebes­sert haben.
  • Unge­brems­ter Zustrom zu den Ambu­lan­zen: erst­mals wurde heuer abge­fragt, ob die Spi­tals­ärzte den ver­mehr­ten Zustrom in die Ambu­lan­zen per­sön­lich bemer­ken. Ergeb­nis: 77 Pro­zent kön­nen das bestä­ti­gen; 62 Pro­zent sehen darin sogar ein gra­vie­ren­des Pro­blem. Das bestä­tigt die For­de­run­gen von Mayer, „end­lich struk­tu­rierte Wege in die Ambu­lanz zu schaf­fen“ nach dem Motto: ohne Zuwei­sung kein Ambu­lanz­zu­gang. Mayer sieht auch für die Pati­en­ten Vor­teile, wenn sie von einem Arzt – in der Regel vom Haus­arzt – durch das Sys­tem gelei­tet wer­den. So werde es effi­zi­en­ter und leistbarer.

Und das wahr­schein­lich deut­lichste Zei­chen dafür, dass im Spi­tal bei wei­tem noch nicht alles gut ist: 60 Pro­zent der befrag­ten Ärzte kön­nen sich nicht vor­stel­len, mit 65 Jah­ren noch im Spi­tal zu arbei­ten. Für Mayer ist damit klar: „Die Poli­tik muss sich end­lich darum küm­mern, ordent­li­che Struk­tu­ren und Arbeits­be­din­gun­gen in den Spi­tä­lern zu schaffen.“

Die Umfrage im Detail

Die Spi­tals­ärzte-Umfrage wurde heuer bereits zum fünf­ten Mal (2003, 2006, 2010, 2013 und 2016) vom Insti­tut für empi­ri­sche Sozi­al­for­schung (IFES) im Auf­trag der Bun­des­ku­rie Ange­stellte Ärzte durch­ge­führt. Knapp 1.800 Spi­tals­ärzte wur­den von März bis April 2016 in Form von Tele­fon-Inter­views befragt. Der Groß­teil davon (rund 40 Pro­zent) waren Ober­ärzte, etwa ein Drit­tel Tur­nus­ärzte. Was bei der Ver­tei­lung für IFES-Stu­di­en­lei­ter Georg Michen­tha­ler auf­fäl­lig war: Der Trend der „Ver­weib­li­chung“ der Medi­zin geht wei­ter. Bei den Ärz­ten in Aus­bil­dung zum All­ge­mein­me­di­zi­ner sind mitt­ler­weile fast drei Vier­tel (73 Pro­zent) Frauen; in der Aus­bil­dung zum Fach­arzt bereits 60 Prozent.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 10 /​25.05.2016