Primärversorgung 2020 die Alternative: Bestechend einfach

10.03.2016 | Politik

Ein Alternativmodell für die Primärversorgung im Jahr 2020 hat kürzlich die ÖÄK vorgelegt. Künftig sollen Hausarzt, ärztliche Gruppenpraxis sowie erweiterte Gruppenpraxis im Rahmen des bestehenden Gesamtvertrages existieren. Daraus sollen ein größeres Leistungsangebot, eine bessere Vernetzung und eine noch engere Zusammenarbeit mit nicht-ärztlichen Gesundheitsberufen resultieren. Von Agnes M. Mühlgassner

Es ist so einfach wie selbsterklärend – das von der ÖÄK präferierte und kürzlich der Öffentlichkeit präsentierte Modell, wie Primärversorgung in Österreich künftig aussehen kann und soll.

Die Struktur: In diesem Modell gibt es den Hausarzt ebenso wie die ärztliche Gruppenpraxis und die erweiterte Gruppenpraxis. Diese drei allgemeinmedizinischen Versorgungseinrichtungen sind untereinander und auch mit nicht-ärztlichen Gesundheitsberufen vernetzt oder beschäftigen diese auch. Für jede Einrichtung der Primärversorgung ist ein bestimmtes Mindest-Leistungsspektrum definiert ebenso auch wie die Öffnungszeiten. Nicht-ärztliche Gesundheitsberufe wie mobile Krankenschwestern, Sozialarbeiter, Diätologen oder Wundmanager können für die erweiterte Gruppenpraxis als auch für die regional vernetzten Ordinationen entweder beim Arzt angestellt sein oder von der Gemeinde, den Ländern und den Krankenkassen zur Verfügung gestellt werden. Dadurch könnte eine Entlastung des Spitalsbereichs möglich sein.

Die wesentlichen Unterschiede zu den Plänen der Politik: Dieser Vorschlag der ÖÄK ist im bestehenden Gesamtvertrag umsetzbar; er beruht auf Freiwilligkeit und baut auf bewährten Modellen wie zum Beispiel Styriamed.net auf. Ähnliches ist mit pannoniamed.net auch im Burgenland geplant.

Die Versorgungsformen selbst – alle im Rahmen des bestehenden Gesamtvertrages – sind den regionalen Gegebenheiten anzupassen. Im ländlichen Raum etwa wird die virtuelle Vernetzung einen wichtigen Stellenwert haben – das Erfolgsbeispiel Styriamed.net in der Steiermark zeigt, wie es geht. Dabei arbeiten niedergelassene Allgemeinmediziner und Fachärzte mit und ohne Kassenvertrag zusammen mit Spitalsärzten in Form einer virtuellen Gruppenpraxis zusammen. Styriamed.net gibt es mittlerweile nahezu flächendeckend in der ganzen Steiermark.

Im städtischen Bereich wiederum kann die Vernetzung im „Grätzel“ – so sagen die Wiener zu einem einem bestimmten, eng umschriebenen lokalen Bereich – zur Verbesserung der Versorgung beitragen. Entscheidend wird hier sein, dass der Ärztefunkdienst mit einbezogen wird, um eine Betreuung der Patienten rund um die Uhr zu gewährleisten. Für die Umsetzung der Primärversorgung 2020 sind flexible Formen der Zusammenarbeit erforderlich. Dazu zählen Vereinfachungen bei den Vertretungs-Bestimmungen, Time-Sharing-Praxen und entsprechende Bereitschaftsdienstmodelle, aber auch, dass Ordinationsinhaber und Vertretung parallel arbeiten, wenn dies erforderlich ist.

Drei Fragen an Johannes Steinhart

Johannes Steinhart, Bundeskurienobmann niedergelassene Ärzte in der ÖÄK, im Gespräch mit Agnes M. Mühlgassner.

ÖÄZ: Gibt es schon Verhandlungen mit dem Ministerium zum geplanten PHC-Gesetz?
Steinhart: Auf Büroebene. In Wirklichkeit kann man eine funktionierende Primärversorgung ja ohne Gesetz auf die Beine stellen – wenn alle das wollen. In Wien haben Stadt und Gebietskrankenkasse gemeinsam mit der Ärztekammer gezeigt, dass es so geht. Das erste PHC-Zentrum in Wien ist ja aus einer Gruppenpraxis von Allgemeinmedizinern entstanden. Es wird ja immer so getan, als wäre Primärversorgung ein neues Thema. In Wirklichkeit ist es ja nur genau das, was Allgemeinmediziner und Fachärzte in den letzten Jahrzehnten schon immer gemacht haben.

Braucht es ein eigenes PHC-Gesetz?
Es sind vermutlich punktuelle Änderungen im Ärztegesetz und im ASVG notwendig, um ein solches System der Primärversorgung aufbauen und ausbauen zu können. Ein eigenes Gesetz ist dazu nicht nötig. Diejenigen, die die Gründung von PHC-Zentren vorantreiben, glauben, sie können damit Geld einsparen. In Wirklichkeit bringen sie damit das jetzige System um – und dann kommen die Konzernketten, die die medizinische Versorgung übernehmen. In einem solchen System wäre auch die freie Arztwahl nicht mehr gegeben. Wir wollen aber den freien Beruf des Arztes und die freie Arztwahl sichern. Wir wollen ein System, das auf Freiwilligkeit basiert und nicht auf Zwang. Und das alles im Rahmen des jetzigen Gesamtvertrages.

Wie sollte denn ein System idealerweise aussehen?
Die Primärversorgung hat es schon immer gegeben, sie muss nur weiterentwickelt werden. Wir wollen einen evolutionären Weg, damit dieses bestehende System auch in Zukunft noch funktioniert. Wenn wir das bestehende System ausbauen, spezielles Personal haben und auch eine spezielle Ausstattung, dann müssen auch die Kosten abgebildet werden, damit der Betrieb aufrecht erhalten werden kann und ein entsprechendes Angebot möglich ist nach dem Prinzip ‚Geld folgt Leistung’. So sollte das System sein. Vieles wäre einfacher, wenn man die Expertise von uns Ärzten auch einbeziehen würde. Das ist ja vermutlich auch der Grund, warum Styriamed.net so gut funktioniert – weil es von Ärzten entwickelt wurde, so wie es dem Bedarf entspricht.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 5 / 10.03.2016