Mys­tery Shop­ping: Keine Bagatelle

25.05.2016 | Politik

Es sind Maß­nah­men, die einem Über­wa­chungs­staat ähneln: Per­so­nen wer­den mit gefälsch­ten E‑Cards im Auf­trag der Sozi­al­ver­si­che­rung nach einem fest­ge­leg­ten Stich­pro­ben­plan Ärz­tin­nen und Ärzte über­prü­fen. Die ÖÄK berei­tet eine Beschwerde beim Ver­fas­sungs­ge­richts­hof vor.

Die ent­spre­chen­den „Richt­li­nien für die Durch­füh­rung, Doku­men­ta­tion und Qua­li­täts­si­che­rung von Kon­trol­len im Ver­trags­part­ner­be­reich“ hat die Trä­ger­kon­fe­renz im April die­ses Jah­res beschlos­sen. Ins­ge­samt wer­den in den neuen Richt­li­nien 13 „Schwer­punkte für Kon­trol­len“ durch „Mys­tery-Shop­per“ auf­ge­lis­tet – zum Teil völ­lig unver­ständ­lich: Wie sol­len etwa nicht-ärzt­li­che Mys­tery Shop­per – und das dürfte wohl auf die meis­ten Kas­sen­spit­zel zutref­fen – eine Ver­rech­nung von „nicht bezie­hungs­weise unvoll­stän­dig bezie­hungs­weise unzu­läs­sig erbrach­ten Leis­tun­gen“ fest­stel­len? Oder die „Ver­ord­nung von Heil­mit­teln, wenn bekannt ist – oder bei ent­spre­chen­der Sorg­falt bekannt sein müsste -, dass diese einer miss­bräuch­li­chen Ver­wen­dung zuge­führt wer­den“? Wie will ein „Mys­tery-Shop­per“ die „Ent­wick­lung von bezie­hungs­weise auf­fäl­lige Ver­än­de­rung bei War­te­zei­ten für die Erlan­gung bestimm­ter Leis­tun­gen“ detek­tie­ren, die dann dem Arzt zum Vor­wurf gemacht wird? Johan­nes Stein­hart, Kuri­en­ob­mann der nie­der­ge­las­se­nen Ärzte in der ÖÄK, dazu: „Es ist zu befürch­ten, dass mit die­sen Richt­li­nien der Will­kür Tür und Tor geöff­net ist.“

Zen­tra­ler Punkt in den Richt­li­nien ist die „unge­recht­fer­tigte Krank­mel­dung“ und die „Kon­trolle der Fest­stel­lung der Arbeits­un­fä­hig­keit“. Auch wird die ord­nungs­ge­mäße Erfül­lung aller büro­kra­ti­schen Auf­la­gen kon­trol­liert. Als letzte Kon­se­quenz droht der Ver­lust des Kas­sen­ver­tra­ges und damit der Grund­lage der wirt­schaft­li­chen Exis­tenz. Mys­tery-Shop­ping darf also auf kei­nen Fall baga­tel­li­siert werden.

Sen­si­bles Arzt-Pati­en­ten-Ver­hält­nis bedroht

Betrof­fen von den Besu­chen die­ser Spit­zel der Sozi­al­ver­si­che­rung sind alle Ver­trags­ärz­tin­nen und Ver­trags­ärzte, aber auch Kran­ken­häu­ser und nicht-ärzt­li­che Gesund­heits­be­rufe. Stein­hart zu den Aus­wir­kun­gen: „Wir Ärz­tin­nen und Ärzte müs­sen in Zukunft Angst haben, dass der, der uns gegen­über sitzt, lügt. Und das in einem der­art sen­si­blen Bereich wie es das Ver­hält­nis zwi­schen Arzt und Pati­ent ist – wo ohne Ver­trauen ja gar nichts geht.“ Dem Argu­ment, wonach auch Arbeits­in­spek­to­ren oder Prü­fer des Finanz­am­tes Kon­trol­len durch­führ­ten, kann Stein­hart nichts abge­win­nen. „Diese Prü­fer dekla­rie­ren sich und prü­fen anschlie­ßend.“ Bei Mys­tery Shop­ping hin­ge­gen werde „mit vol­ler Absicht von einem Spit­zel ein fal­scher Ein­druck erzeugt, nur um eine Krank­schrei­bung zu pro­vo­zie­ren“. Bei gewis­sen Beschwer­den könne man – auch trotz lang­jäh­ri­ger Erfah­rung als Arzt – nicht sofort eine Dia­gnose stel­len und müsse den Betref­fen­den trotz­dem auf­grund sei­ner Schmer­zen krankschreiben.

Des­we­gen emp­fiehlt die ÖÄK den Ärz­ten – vor allem bei Pati­en­ten, die ihnen unbe­kannt sind – eine Reihe von Vor­sichts­maß­nah­men (siehe Kas­ten). Par­al­lel dazu berei­tet die ÖÄK eine Beschwerde beim Ver­fas­sungs­ge­richts­hof vor. Bestärkt wird diese Vor­ge­hens­weise durch die Gut­ach­ten des Ver­fas­sungs­ju­ris­ten Univ. Prof. Heinz Mayer und des Straf­rechts­exper­ten Univ. Prof. Alois Birk­lbauer, die der Rege­lung Ver­fas­sungs­wid­rig­keit bescheinigen.

Vor­sichts­maß­nah­men

Zur Absi­che­rung wird allen Ärz­tin­nen und Ärz­ten eine Reihe von Vor­sichts­maß­nah­men emp­foh­len. Dies gilt beson­ders bei den­je­ni­gen Pati­en­ten, die dem Arzt per­sön­lich unbe­kannt sind.

  • Sor­gen Sie dafür, dass alle Ihre Mit­ar­bei­ter über „Mys­tery Shop­ping“ aus­rei­chend gut infor­miert sind.
  • Stel­len Sie kon­se­quent die Iden­ti­tät von Ihnen unbe­kann­ten Pati­en­ten mit­tels Über­prü­fung eines amt­li­chen Licht­bild­aus­wei­ses fest. Kann sich ein Pati­ent nicht aus­wei­sen, so leh­nen Sie – aus­ge­nom­men in Not­fäl­len – die Behand­lung gemäß den gel­ten­den Bestim­mun­gen prin­zi­pi­ell ab.
  • Klä­ren Sie von die­sen Vor­sichts­maß­nah­men betrof­fene – ob echte oder ver­meint­li­che – Pati­en­ten dar­über auf, dass Sie diese Maß­nah­men nicht eigen­mäch­tig oder gar bös­wil­lig tref­fen, son­dern weil Ihnen die Sozi­al­ver­si­che­rung Spit­zel in die Ordi­na­tion schickt.

Infor­ma­tio­nen für Ärzte und Patienten

Die nie­der­ge­las­se­nen Ärz­tin­nen und Ärzte erhal­ten mit einer der nächs­ten Aus­ga­ben der ÖÄZ ein War­te­zim­mer­pla­kat zum Thema „Mys­tery Shop­ping“; wei­ters auch Post­kar­ten mit Infor­ma­tio­nen für Pati­en­ten. Unter www.aerztezeitung.at wer­den diese Infor­ma­tio­nen (im For­mat A4) zum Down­load zur Ver­fü­gung ste­hen. Spots im War­te­zim­mer-TV unter­stüt­zen diese Aktivitäten.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 10 /​25.05.2016