Medi­ka­men­ten­si­cher­heit: Auf­klä­rung an ers­ter Stelle

25.09.2016 | Politik

Für einen siche­ren Umgang mit Medi­ka­men­ten sind die nie­der­schwel­lige Infor­ma­tion und Gesund­heits­kom­pe­tenz der Pati­en­ten maß­geb­lich. Wie Medi­ka­ti­ons­lis­ten und Auf­klä­rungs­ge­sprä­che zur Medi­ka­men­ten­si­cher­heit bei­tra­gen, stand im Mit­tel­punkt beim 2. Inter­na­tio­na­len Tag der Pati­en­ten­si­cher­heit. Von Marion Huber

Pati­en­ten­si­cher­heit betrifft alle, die im Behand­lungs­pro­zess ein­ge­bun­den sind – von Ärz­ten und Pfle­ge­be­ru­fen, über Pati­en­ten und deren Ange­hö­ri­gen“, betonte ÖÄK-Prä­si­dent Artur Wech­sel­ber­ger anläss­lich des Tages der Pati­en­ten­si­cher­heit am 17. Sep­tem­ber. Dies­mal stand alles im Zei­chen der „Medi­ka­men­ten­si­cher­heit“. Denn Feh­ler­quel­len gibt es viele: die Mög­lich­kei­ten und Fülle der Medi­ka­mente stei­gen; weil Medi­ka­mente an ver­schie­de­nen Stel­len ver­schrie­ben wer­den, fehlt die Über­sicht; dazu kom­men neben ande­ren Fak­to­ren auch Ein­nahme-Feh­ler von Pati­en­ten. Eine beson­dere Her­aus­for­de­rung sieht Wech­sel­ber­ger in der Poly­phar­ma­zie, vor allem bei älte­ren und chro­nisch kran­ken Men­schen: Einer­seits steige dadurch die Wahr­schein­lich­keit von Inter­ak­tio­nen und Neben­wir­kun­gen; ande­rer­seits „nimmt mit stei­gen­der Zahl der Medi­ka­mente auch die Com­pli­ance und Ein­nah­me­ge­nau­ig­keit ab“, warnte Wechselberger.

Umso „ent­schei­den­der“ sei des­halb auch die Rolle des Pati­en­ten, sagte Bri­gitte Ettl, Prä­si­den­tin der Platt­form Pati­en­ten­si­cher­heit, die den Inter­na­tio­na­len Tag der Pati­en­ten­si­cher­heit mit­be­grün­det hat. Was die Pati­en­ten brau­chen: Infor­ma­tion rund um das Thema „Medi­ka­tion“, sprach die ärzt­li­che Direk­to­rin im Kran­ken­haus Hiet­zing in Wien für alle Exper­ten am Podium. Wech­sel­ber­ger fügte hinzu: „Wenn Pati­en­ten gut über alle Aspekte der medi­ka­men­tö­sen Behand­lung infor­miert sind, steigt das Bewusst­sein für den sorg­fäl­ti­gen Umgang mit Medi­ka­men­ten.“ Die gene­relle Infor­ma­tion sowie die indi­vi­du­elle Auf­klä­rung im Rah­men der Behand­lung sind für eine erfolg­rei­che The­ra­pie „maß­geb­lich“, appel­lierte der ÖÄK-Prä­si­dent: „Wir müs­sen den Pati­en­ten ver­ständ­lich machen, wel­chen Nut­zen, aber auch wel­che Neben­wir­kun­gen und Wech­sel­wir­kun­gen die Medi­ka­mente haben, die sie einnehmen.“

Auch aus Sicht der Gesund­heits- und Kran­ken­pflege steht bei der Medi­ka­ti­ons­si­cher­heit die Infor­ma­tion der Pati­en­ten im Vor­der­grund. „Wir müs­sen die Pati­en­ten dort abho­len, wo sie Unter­stüt­zung brau­chen“, sagte Ursula Froh­ner, Prä­si­den­tin des Öster­rei­chi­schen Gesund­heits­und Kran­ken­pfle­ge­ver­bands. Sie ver­wies auf die „6‑R-Regel“: dem rich­ti­gen Pati­en­ten zur rich­ti­gen Zeit den rich­ti­gen Wirk­stoff in der rich­ti­gen Dosis und der rich­ti­gen Zube­rei­tungs­form und Appli­ka­ti­ons­form zu ver­ab­rei­chen. Dazu komme eine klare, voll­stän­dige und über­sicht­li­che Dokumentation.

Neben der rich­ti­gen Ver­ord­nung und Ein­nahme von Medi­ka­men­ten tut sich für Max Wel­lan, Prä­si­dent der Apo­the­ker­kam­mer, ein ande­res Pro­blem­feld auf: näm­lich Medi­ka­men­ten­fäl­schun­gen. Die Fäl­schungs­si­cher­heit, Lie­fer­fä­hig­keit und Ver­füg­bar­keit von Medi­ka­men­ten seien heute selbst­ver­ständ­lich. „Das ist aber nicht immer so“, unter­strich Wel­lan. 95 Pro­zent der Medi­ka­mente, die im Inter­net ille­gal ver­trie­ben wer­den, sind laut Wel­lan gefälscht – und damit ent­we­der völ­lig unwirk­sam oder aber hoch­gra­dig gesund­heits­schäd­lich. Auch dar­über müss­ten Pati­en­ten infor­miert werden.

Medi­ka­ti­ons­liste führen

Ein ein­fa­ches Hilfs­mit­tel, um die Medi­ka­men­ten­si­cher­heit zu erhö­hen, kommt von der Platt­form Pati­en­ten­si­cher­heit: eine Medi­ka­men­ten­liste, in die der Pati­ent sowohl ver­schrei­bungs­pflich­tige als auch rezept­freie, homöo­pa­thi­sche und pflanz­li­che Mit­tel ein­trägt. „Wenn der Pati­ent diese Medi­ka­men­ten­liste ins Kran­ken­haus mit­bringt, kann sich das medi­zi­ni­sche Per­so­nal rasch einen Über­blick ver­schaf­fen, wel­che Medi­ka­mente wann und in wel­cher Dosis ein­ge­nom­men wer­den“, erklärte Ettl. Auf der Home­page der Platt­form Pati­en­ten­si­cher­heit steht dafür eine Vor­lage zum Down­load zur Ver­fü­gung (www.plattformpatientensicherheit.at).

Auch der ÖÄK-Prä­si­dent ist über­zeugt, dass eine voll­stän­dige Medi­ka­ti­ons­liste ein „wert­vol­ler Bei­trag“ zur Pati­en­ten- und Medi­ka­ti­ons­si­cher­heit ist. Auch eine elek­tro­ni­sche Form – wie bei der E‑Medikation geplant – sei grund­sätz­lich zu begrü­ßen, wenn auch „über­prüft wer­den muss, wel­che Gefah­ren­quelle sie schafft“. So dürfe es bei der Inter­ak­ti­ons­prü­fung der E‑Medikation zum Bei­spiel kein „ove­ra­ler­ting“ geben, weil es die Arbeit der Ärzte erschwere. „Eine Wech­sel­wir­kung darf nur dann ein Alarm­si­gnal aus­lö­sen, wenn sie rele­vant für die Behand­lung ist“, for­derte Wech­sel­ber­ger. Für ein Sys­tem sei die­ses Abwä­gen schwie­rig, weil „die The­ra­pie­ent­schei­dung ein hoch kom­ple­xer Vor­gang ist“. Dass das Inter­ak­ti­ons-Tool „sicher ver­bes­se­rungs­wür­dig“ sei, dem stimmte auch Pati­en­ten­an­walt Gerald Bachin­ger zu; er wünschte sich den­noch, dass die E‑Medikation genutzt wird, um eine Über­sicht der ein­ge­nom­me­nen Medi­ka­mente zu bekommen.

Nie­der­schwel­lige Information

Um die Pati­en­ten­si­cher­heit zu erhö­hen, müsse die Ori­en­tie­rung im Gesund­heits­sys­tem für die Pati­en­ten leich­ter wer­den, for­derte Pamela Rendi-Wag­ner, Sek­ti­ons­lei­te­rin im Gesund­heits­mi­nis­te­rium: „Wir – das Gesund­heits­mi­nis­te­rium und die Sys­tem­part­ner – müs­sen es so aus­stat­ten, dass Pati­en­ten sich zurecht­fin­den.“ Nur durch eine unab­hän­gige und nie­der­schwel­lige Infor­ma­tion könne man da die Gesund­heits­kom­pe­tenz stär­ken. All das trägt zur Pati­en­ten­si­cher­heit bei – und des­halb „muss die Pati­en­ten­si­cher­heit in allen Struk­tu­ren und Pro­zes­sen des Gesund­heits­we­sens ver­an­kert wer­den“, so Rendi-Wagner.

Einen „gro­ßen Schritt“ in Rich­tung bes­sere Pati­en­ten­si­cher­heit hat die ÖÄK schon 2009 – ein Jahr nach­dem die Platt­form Pati­en­ten­si­cher­heit gegrün­det wurde – gemacht: Sie hat das Feh­ler­be­richts­und Lern­sys­tem CIRSmedical.at gestar­tet. Viele der dort berich­te­ten Fälle haben auch mit Medi­ka­ti­ons­feh­lern zu tun; die ÖÄK nutzt diese Mel­dun­gen nach­hal­tig, um den Ärz­ten die Ris­ken und Feh­ler, die berich­tet wer­den, sowie Ver­bes­se­rungs­maß­nah­men in Fort­bil­dungs­an­ge­bo­ten zur Kennt­nis zu brin­gen. Wech­sel­ber­ger abschlie­ßend: „Es muss Teil der Kul­tur sein, im Sinne der Pati­en­ten­si­cher­heit Feh­ler recht­zei­tig zu erken­nen und zu ver­mei­den sowie gege­be­nen­falls mit Feh­lern umzu­ge­hen und aus ihnen zu lernen.“

Der „Inter­na­tio­nale Tag der Pati­en­ten­si­cher­heit“ wurde 2015 von der öster­rei­chi­schen „Platt­form Pati­en­ten­si­cher­heit“ gemein­sam mit dem deut­schen „Akti­ons­bünd­nis Pati­en­ten­si­cher­heit“ und der Orga­ni­sa­tion „Pati­en­ten­si­cher­heit Schweiz“ ins Leben geru­fen. Damit wird der 17. Sep­tem­ber jähr­lich einem Thema aus dem Gebiet der Pati­en­ten­si­cher­heit gewid­met; im Vor­jahr war es „Hygiene“. Wei­tere Infor­ma­tio­nen gibt es unter www.tagderpatientensicherheit.at

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 18 /​25.09.2016