Hausapotheken: Eine erste Rettungsaktion

10.04.2016 | Politik

Was ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger zehn Jahre lang versucht hat, scheint jetzt zu gelingen: SPÖ und ÖVP haben sich auf eine Neuregelung der Hausapotheken geeinigt. 100 gefährdete Hausapotheken sollen dadurch gerettet werden.

Ein „wichtiger Schritt zur Absicherung der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum“ ist getan, betonte ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger. Denn nach jahrelangen Diskussionen haben sich SPÖ und ÖVP endlich auf eine Neuregelung für ärztliche Hausapotheken geeinigt und einen Initiativantrag in den Nationalrat eingebracht. Für Rasinger – der seit zehn Jahren zweifellos drängender Motor im Hintergrund ist – wird damit das klare Bekenntnis seiner Partei zum Erhalt der Hausapotheken in Gesetzesform gegossen. Und auch Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser sieht in der Einigung eine „rasche Lösung im Sinne der Patienten“. Durch die Novelle des Apothekengesetzes, das Ende April den Nationalrat passieren soll, werden nach ersten Schätzungen zumindest 130 akut gefährdete Hausapotheken vor der Schließung bewahrt.

Wie? Konkret hat sich die Koalition auf zwei neue Regelungen verständigt:

1. In flächenmäßig großen Gemeinden, in denen eine öffentliche Apotheke vorhanden ist, soll künftig ein Kassenarzt auch dann eine Hausapotheke betreiben dürfen, wenn die öffentliche Apotheke mehr als sechs Kilometer entfernt ist. Rund zehn Gemeinden sind von dieser Situation betroffen.

Die Mehrheit der gefährdeten Hausapotheken – nämlich rund 90 – sollen durch die zweite Änderung gerettet werden:

2.
Sie betrifft die sogenannte Nachfolgeregelung. Bestehende Hausapotheken von Kassenärzten dürfen künftig im Rahmen einer Ordinationsnachfolge fortgeführt werden, wenn der Standort der nächstgelegenen öffentlichen Apotheke vier Kilometer entfernt ist. Bisher musste die Entfernung sechs Kilometer betragen.

Damit könnten durch die Neuregelung auch jene zahlreichen Kassenstellen Interessenten finden, deren Nachbesetzung aufgrund der bisherigen Regelung schier unmöglich war.

„Es ist ein erster wichtiger Schritt zur Verbesserung der Medikamenten-Versorgung der Landbevölkerung sowie der Arbeitsbedingungen von Landärzten“, erklärten ÖÄK-Präsident Artur Wechselberger und der Obmann der Bundessektion Allgemeinmedizin in der ÖÄK, Gert Wiegele. Für die ÖÄK, die seit Jahren auf eine Lösung für die Hausapotheken pocht, gelte es jetzt abzuwarten, in welchem Ausmaß sich die eingebrachten Korrekturen tatsächlich positiv auf den akuten Landärzte-Mangel auswirkten. Auch andere Faktoren sind für den Mangel verantwortlich: Man denke an attraktive Arbeitsbedingungen, Honorierungen, Zusammenarbeitsformen etc.

Positiv ist die Wende bei den Hausapotheken auch für den Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte, Johannes Steinhart. Er sieht das Konzept der Apothekerkammer als „gescheitert“ an, angesichts der Tatsache, dass „rund 30 Prozent der Apotheken vor dem Bankrott stehen“. Abgesehen davon sei auch unbestritten, dass Hausapotheken „wesentlich ökonomischer sind“ als öffentliche Apotheken. Der neue Ansatz bedeutet jedoch keine Existenzsicherung für alle Hausapotheken. Wiegele nennt Beispiele: Da gibt es noch jene Kassenärzte, die ihre Hausapotheke verlieren könnten, wenn in der Nachbargemeinde eine öffentliche Apotheke in weniger als vier Kilometer Entfernung errichtet wird (siehe § 29 ApoG). Weiterhin sind auch Gemeinden mit zwei Kassen-Allgemeinmedizinern betroffen: wurde dort vor dem 1. Jänner 2016 die Konzession für eine öffentliche Apotheke erteilt, verliert der Arzt die Hausapotheke wenn er das 65. Lebensjahr vollendet hat, spätestens jedoch mit Ablauf des 31. Dezember 2018. (siehe § 62a Abs. 1 ApoG) Diese Regelung sei etwa allein in Kärnten in den letzten Jahren in fünf Fällen für das Schließen einer Hausapotheke verantwortlich gewesen.

Noch gibt es also Verbesserungspotential, um dem „Hausapotheken-Sterben“ grundsätzlich Einhalt zu gebieten. Denn seit langem weiß man, dass sich ein gesicherter Bestand von Hausapotheken positiv auf die landärztliche Versorgung auswirkt. Oder umgekehrt: Je weniger ärztliche Hausapotheken es gibt, umso schlechter die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung in peripheren Regionen.

Zusammenhang mit Landärztemangel

VP-Gesundheitssprecher Rasinger denkt hier vor allem an ältere, nicht mehr so mobile Patienten. Hand in Hand mit dem Hausapotheken-Sterben geht nicht nur das Landärzte-Sterben; in der Folge geht es auch um die Apotheken. „Nur dort, wo die ärztliche Versorgung funktioniert, haben auch die Apotheken eine vernünftige wirtschaftliche Grundlage“, erklärte Rasinger. „Und wenn rund 31 Prozent der Apotheken im Minus sind, ist das schlicht und einfach nicht vernünftig.“

Weshalb die ÖVP bereits vor zwei Jahren einen parlamentarischen Entschließungsantrag eingebracht habe, der die Gesundheitsministerin aufforderte, die medizinische und medikamentöse Versorgung im ländlichen Raum sicherzustellen – und der „von allen Parteien im Parlament beschlossen wurde“.

Die Regierung hatte wiederholt den Erhalt der Hausapotheken in Regierungsprogramme aufgenommen; doch sollten erst mit diesem Entschließungsantrag zur „Sicherstellung und Ausbau der Arzneimittelversorgung im ländlichen Raum“ bis spätestens Ende 2015 konkrete Schritte gesetzt werden. Mit einiger Verspätung kommt es jetzt endlich dazu. Das Zuwarten hatte laut Rasinger fatale Folgen: während man „um eine Verbesserung gerungen hat“, seien 150 Hausapotheken geschlossen worden. Ob die verbliebenen 850 ausreichen, um eine wohnortnahe ärztliche Versorgung der Patienten am Land sicherstellen, bleibt abzuwarten…

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 7 / 10.04.2016