Ärzte-Ausbildungsordnung neu: Anders oder besser?

10.03.2016 | Politik

Vieles ist durch die neue Ärzte-Ausbildungsordnung anders geworden. Ob damit auch alles besser wird, diskutierten Turnusärzte-Vertreter der Landesärztekammern vor kurzem bei einem Round Table der ÖÄZ. In erster Linie soll die Ausbildung strukturierter und internationaler werden – und die Ausbildungskultur muss sich ändern, lautete der Tenor. Von Marion Huber

„Mehr Struktur durch modulares System“

Internationaler soll die Ausbildung durch die neue Ärzte-Ausbildungsordnung werden – und „ehrlicher, wenn es um Zahlen, um Leistungen, um die Umsetzung des mitverantwortlichen Tätigkeitsbereichs durch das Krankenpflege-Personal, somit also des Paragraph 15 des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes, geht“. Das erwartet Karlheinz Kornhäusl, stellvertretender Bundeskurienobmann der Kurie Angestellte Ärzte in der ÖÄK: „Insgesamt soll alles strukturierter werden.“ Bisher sei die Ausbildung ein Aneinanderreihen von einzelnen Monaten an verschiedenen Abteilungen gewesen, so Kornhäusl: „Wenn man Pech hatte, wusste man nicht einmal, wo man nächste Woche ist.“ Das neue modulare System, in dem Strukturen vorgegeben sind, sei ganz anders. Wie auch immer man die neue Ausbildungsordnung empfindet: „Jedenfalls ist sie etwas Neues und kann in Zukunft viel Gutes bringen“, glaubt Kornhäusl. Natürlich gibt es durch diese Änderung auch Unsicherheiten, gibt Michaela Zalka, Turnusärzte-Vertreterin der Ärztekammer Burgenland, zu bedenken. „Das System steckt in den Kinderschuhen. Es wird da und dort kranken und Stolpersteine geben.“ Deshalb sei die Re-Evaluierungsphase entscheidend; dabei werde sich zeigen, wo nachgebessert werden müsse.

Weil es noch viele Ärzte in der Schleife gebe, die sich in der alten Ausbildungsordnung befänden, werde es „Parallelwelten und Parallelstrukturen“ in der Ausbildung geben, sagt Stephan Ubl, Obmann der Sektion Turnusärzte der Ärztekammer Wien. Dennoch glaubt auch er, dass es sich nach den ersten schwierigen Jahren einpendeln werde.

„Finanzierung der Lehrpraxis muss gesichert sein“

Selbst wenn die neue Ärzteausbildung „Potential hat, das System zu verbessern“, sieht Johannes Haas, Obmann-Stellvertreter der Kurie Angestellte Ärzte der Ärztekammer Salzburg, ein großes Problem: nämlich dass die Finanzierung der Lehrpraxen nicht gesichert ist. Dem stimmt Kornhäusl zu: „So großartig die Lehrpraxis ist, ohne die strittige Finanzierung ist sie ein Etikettenschwindel.“ Die ÖÄK fordert schon seit Jahren, dass die Finanzierung der Lehrpraxis gesichert sein muss; die Politik war dazu bis dato nicht bereit. Was Kornhäusl noch erreichen will: die von der ÖÄK geforderte Ausweitung der Lehrpraxis auf zwölf Monate. Grundsätzlich waren sich die Turnusärzte-Vertreter aber einig, dass die verpflichtende Lehrpraxis ein „Meilenstein“ ist. Doris Müller, Turnusärzte-Vertreterin der Ärztekammer Oberösterreich, ist sicher, dass damit die Ausbildung der Allgemeinmediziner „eindeutig“ verbessert wird. Nicht umsonst werde die Lehrpraxis etwa in der Turnusärzte-Evaluierung am besten bewertet – und nicht umsonst ist sie in anderen Ländern „Standard“ in der Ausbildung.

„Wird die Ausbildung zum Allgemeinmediziner attraktiver?“

Stefan Halper, Obmann-Stellvertreter der Kurie Angestellte Ärzte in der Ärztekammer Niederösterreich, räumt ein, dass Niederösterreich von Anfang an „eines der skeptischen Bundesländer“ gewesen sei. Dass die Ausbildung länger dauert oder etwa Dermatologie und HNO als Pflichtfächer weggefallen sind, betrachtet er als Nachteil. Dass bei den Ausbildungsfächern gegebenenfalls nachjustiert werden muss, glaubt auch Kornhäusl: „Wir müssen evaluieren, ob der Fächerkanon in einigen Jahren noch passt.“ Erst die Zukunft werde zeigen, ob die jungen Ärzte die neue Ausbildung zum Allgemeinmediziner wirklich annehmen oder ob der befürchtete Mangel an Allgemeinmedizinern eintritt. Das Gros der Medizinstudenten strebe jedenfalls nicht die Allgemeinmedizin an, so Halper. Für Wien schätzt Ubl, dass 90 Prozent derer, die auf eine Ausbildungsstelle warten, nicht die Ausbildung zum Allgemeinmediziner machen wollen. „Nur zehn Prozent werden in dieses Rad hineinkommen.“

„Viele junge Ärzte werden im Spital bleiben und sich gegen die Ausbildung zum Allgemeinmediziner entscheiden“, befürchtet auch Zalka. Kornhäusl sieht „wahnsinnige Probleme“ auf den niedergelassenen Bereich zukommen: „Das System, wie es jetzt ist, hat sich komplett überholt.“ Als Einzelkämpfer bei geringen Honoraren in einer Landarztpraxis zu arbeiten, interessiere junge Ärzte heute nicht mehr. Wenn sich „die Entscheidungsträger nichts einfallen lassen“ – etwa in Sachen Job Sharing, bessere Arbeitsbedingungen, adäquate Leistungskataloge und Honorierung etc. – „werden die jungen Ärzte im Spital bleiben“, so Kornhäusl.

„Wir müssen uns aktiv um die Ausbildung bemühen“

Zwar legt die neue Ärzteausbildungsordnung die Rahmenbedingungen fest – den Rahmen müssten die Ärzte aber erst aktiv füllen, betont Joachim Rettl, Obmann-Stellvertreter der Kurie Angestellte Ärzte der Ärztekammer Kärnten. „Papier ist geduldig. Das Engagement muss aus uns selbst kommen. Jeder Arzt muss von sich aus motiviert sein und die Jungen ausbilden wollen.“ Dem stimmt auch Kornhäusl zu: Man könne die besten Gesetze und Verordnungen schreiben, „aber wenn es nicht gelingt, das in die Köpfe zu bekommen, ist alles umsonst“. Dann bleibe Gesetz totes Gesetz. Es brauche den viel beschworenen Paradigmenwechsel und ein Umdenken: dass man die jungen Ärzte unter der Führung der Erfahrenen selbst arbeiten lässt, dass man sich aktiv um die Ausbildung bemüht etc. „Wir alle, Ausbildner wie Auszubildende, müssen die Ausbildung im Spitalsalltag zum Leben erwecken“, so Müller.

ine positive Entwicklung zeichnet sich schon jetzt bei den Studenten im Klinisch-Praktischen Jahr (KPJ) ab. Mit ihrem Ausbildungsverantwortlichen lernen sie, was in ihrem Logbuch vorgesehen ist, schildert Müller: „So soll Ausbildung nicht nur im Klinisch-Praktischen Jahr aussehen sondern auch im Basisjahr etc.“ Potential für ein verbessertes Lernen sehen die Vertreter auch in den Rasterzeugnissen: „Weil im Rahmen der neuen Ausbildungsordnung Rasterzeugnisse öfter ausgestellt werden, gibt es mehr Gelegenheit für eine Evaluierung der absolvierten Ausbildungsschritte und damit auch für einen Austausch zwischen Auszubildenden und Ausbildnern“, hofft Doris Pecival, Turnusärzte-Vertreterin der Ärztekammer Tirol. Wie man mit den Rasterzeugnissen in der Praxis umgeht, müsse sich aber erst zeigen. Das Um und Auf ist für Haas dabei jedenfalls, dass im Rasterzeugnis geforderte Inhalte auch wirklich vermittelt werden und es keine „Blanko Unterschriften“ gibt. „Ein unterschriebenes Rasterzeugnis darf es nur geben, wenn die Fertigkeiten tatsächlich erlernt wurden.“

Die enge und engagierte Zusammenarbeit zwischen Ausbildner und Auszubildendem – wie sie Rettl etwa im anglo-amerikanischen Raum selbst erlebt hat – sollte Österreich als Vorbild dienen. „Wir, die junge Generation, sind dabei umso mehr gefragt, weil wir es sind, die in zehn Jahren ausbilden werden“, blickt Zalka in die Zukunft.

„Maßnahmen, die Ausbildung ermöglichen“

Dass auch entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen, um hochwertige Ausbildung erst möglich zu machen, betonten die Turnusärzte-Vertreter unisono. Das Ausbildungsschema ist durch das Ärzte-Gesetz, die Ärzte-Ausbildungsordnung sowie die Verordnung über Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten sowie über die Ausgestaltung und Form der Rasterzeugnisse vorgegeben. Die ÖÄK versucht seit Jahren die Ausbildung zu verbessern; künftig müssten auch die Träger in die Pflicht genommen werden, betont Ubl. „Sie müssen darauf achten, dass jeder einzelne Ausbildner auch genügend Zeit hat, um auszubilden.“ Darum müssten Ärzten im Arbeitsalltag auch flankierend andere Berufsgruppen zur Seite stehen, fordert Halper. Und: „Endlich“ müsse auch die Umsetzung des mitverantwortlichen Tätigkeitsbereiches durch das Krankenpflegepersonal funktionieren. „Wenn dieser unendliche Dokumentationsaufwand von der Obrigkeit schon als notwendig erachtet wird, muss es auch entsprechende Mannstunden an Hilfsleistungen für die Ärzteschaft geben“, so Halper. Kornhäusl will zusätzlich zur Verbesserung der Ausbildung auch familienfördernde Maßnahmen massiv in den Fokus rücken. Flankierende Maßnahmen in verschiedenen Bereichen müssten eine Ausbildung möglich machen, die den Namen „Ausbildung“ auch wirklich verdient. „Wir werden weiter diskutieren, uns weiter engagieren und weiter Maßnahmen umsetzen“, so sein Fazit.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 5 / 10.03.2016