15a-Ver­ein­ba­rung: Para­dig­men­wech­sel geplant

10.11.2016 | Politik

Ins Gericht geht ÖÄK-Prä­si­dent Artur Wech­sel­ber­ger mit einer geplan­ten Ver­ein­ba­rung zwi­schen Bund, Län­dern und Sozi­al­ver­si­che­run­gen, mit der die Pri­mär­ver­sor­gung neu gere­gelt wer­den soll. Dane­ben fin­den sich auch noch wei­tere Bestim­mun­gen, die das Gesund­heits­we­sen in neue Bah­nen len­ken sollen.

Es gehe schlicht und ein­fach um die Macht, um die Macht bei der Pla­nung und Steue­rung des Gesund­heits­sys­tems, so der Ärz­te­prä­si­dent jüngst vor ver­sam­mel­ter Presse. Damit ver­bun­den ist ein Para­dig­men­wech­sel, der in eine so genannte 15a-Ver­ein­ba­rung zwi­schen Bund, Län­dern und Sozi­al­ver­si­che­rung gegos­sen ist. Alle, die sich im Gesund­heits­we­sen um die Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten bemü­hen – zual­ler­erst die Ärz­te­schaft –, hät­ten sich nun­mehr zu unter­wer­fen. Dem Dik­tat von Poli­tik und Finanzen.

Die jetzt geplante 15a-Ver­ein­ba­rung ist für Wech­sel­ber­ger im Wesent­li­chen nur eine Fort­set­zung des alten, im Jahr 2012 geschlos­se­nen Ver­tra­ges, denn auch er sei nur ein „büro­kra­ti­scher Moloch, des­sen Ergeb­nis nicht ein­mal Rauch ist“. Ziel sei es, das Niveau der Ver­sor­gung so nied­rig wie mög­lich zu hal­ten, um die Kos­ten zu sen­ken. Die Ärz­te­kam­mer werde aus der Pla­nung hin­aus­ge­drängt, um den Man­gel zu ver­wal­ten, kri­ti­siert Wechselberger.

Als „Skan­dal“ bezeich­net der Kuri­en­ob­mann der nie­der­ge­las­se­nen Ärzte in der ÖÄK, Johan­nes Stein­hart, die Tat­sa­che, dass „die Ärz­te­schaft mit ihrer Exper­tise und auch lang­jäh­ri­gen prak­ti­schen Erfah­rung von der Pla­nung völ­lig aus­ge­schlos­sen wer­den soll und nur noch abge­ho­bene Büro­kra­ten und Tech­no­kra­ten anhand von ent­seel­ten Algo­rith­men Pla­nun­gen vor­neh­men“. Er kri­ti­siert wei­ters, dass hier ver­sucht werde, „mit direk­tio­na­len, zen­tra­lis­ti­schen Vor­ga­ben einer hem­mungs­lo­sen Kon­zern-gesteu­er­ten Ver­sor­gung im nie­der­ge­las­se­nen Bereich den Weg zu bereiten.“

Der ÖÄK-Chef betrach­tet dar­über hin­aus die Ver­hand­lun­gen über den bis­he­ri­gen Ent­wurf des Gesund­heits­mi­nis­te­ri­ums für ein neues Gesetz für die medi­zi­ni­sche Pri­mär­ver­sor­gung für been­det. Nach 16 Ver­hand­lungs­run­den sei man zu einem Punkt gekom­men, wo eine Fort­set­zung kei­nen Sinn mehr habe. Er begrün­dete seine Ein­schät­zung damit, dass in dem Ent­wurf für einen 15a- Ver­trag zur Gesund­heit im Rah­men des geplan­ten Finanz­aus­gleichs nichts von einem sol­chen PHC-Gesetz stehe. Des­halb geht er davon aus, dass zwar nicht mehr über den Ent­wurf des Minis­te­ri­ums, wohl aber über die geplante neue Pri­mär­ver­sor­gung ver­han­delt wird.

Der Ärz­te­kam­mer-Prä­si­dent hält ein eige­nes Gesetz auch nicht für nötig, die Rege­lun­gen könn­ten auch in bestehende Gesetze, wie das ASVG oder das Ärz­te­ge­setz, auf­ge­nom­men wer­den. Wech­sel­ber­ger begrüßt aus­drück­lich, dass der 15a-Ver­trags­ent­wurf für die Pri­mär­ver­sor­gung die Mög­lich­keit zur Ver­net­zung bestehen­der Pra­xen, sowie für Zen­tren die Mög­lich­keit von Grup­pen­pra­xen vorsieht.

Posi­tiv bewer­tet Wech­sel­ber­ger, dass für den elek­tro­ni­schen Gesund­heits­akt ELGA 41 Mil­lio­nen Euro pro­jek­tiert wer­den sol­len. Er hofft, dass diese Mit­tel auch den nie­der­ge­las­se­nen Ärz­ten zur Ver­fü­gung gestellt wer­den. Auch dass zumin­dest ein ers­ter Schritt gesetzt wird, die Lehr­pra­xen von der öffent­li­chen Hand zu finan­zie­ren, begrüßt der Ärz­te­kam­mer- Prä­si­dent. Wei­ters sei es gelun­gen, die geplante Strei­chung des Wahl­arzt-Rück­ersat­zes abzu­wen­den. Nicht mehr vor­ge­se­hen ist auch die Ein­schrän­kung der ärzt­li­chen Neben­tä­tig­kei­ten von ange­stell­ten Ärzten.

Minis­te­rium will Gesetz

An einem eige­nen Pri­mär­ver­sor­gungs- Gesetz fest­hal­ten will man indes im Gesund­heits­mi­nis­te­rium, da ein­heit­li­che Rah­men­be­din­gun­gen von­nö­ten seien. Ein Spre­cher des Res­sorts von Minis­te­rin Sabine Ober­hau­ser (SPÖ) erklärte gegen­über der APA, die Gesprä­che mit der Ärz­te­kam­mer über den Minis­te­ri­ums­ent­wurf seien zwar vor­läu­fig abge­schlos­sen. Jetzt werde aber im nächs­ten Schritt der Ent­wurf mit dem Koali­ti­ons­part­ner abge­stimmt. Dabei solle der wei­tere Fahr­plan fest­ge­legt wer­den. Danach seien wei­tere Gespräch u.a. mit der Ärz­te­kam­mer vorgesehen.

Für VP-Gesund­heits­spre­cher Erwin Rasin­ger maß­geb­lich ist die abso­lute Prio­ri­tät des nie­der­ge­las­se­nen Haus­arz­tes in der Pri­mär­ver­sor­gung. Vor­ran­gig gehe es daher um die Inhalte und Ziele und weni­ger um ein zusätz­li­ches Gesetz. Was nun das Zustan­de­kom­men des 15a-Ent­wur­fes betrifft, ist das für Rasin­ger wie­der nur ein Bei­spiel für die Pra­xis, dass man die Ärz­te­schaft, ihre Ver­tre­tung und ihre Exper­tise zunächst von den Ver­hand­lun­gen aus­schließe, um ihnen danach vor­zu­wer­fen, sie seien nicht koope­ra­tiv. In die­sem Stil­mit­tel komme eine man­gelnde Wert­schät­zung zum Aus­druck, „die ich für einen Rie­sen­feh­ler halte“.

Zustim­mend ver­merkt der VP-Experte die Auf­recht­erhal­tung des Wahl­ärzte-Rück­ersat­zes und der Neben­be­schäf­ti­gung für ange­stellte Ärzte. Gerade diese Mög­lich­kei­ten seien für die Ver­sor­gung in Öster­reich wich­tig, wes­halb Rasin­ger immer „gegen die von der SP-Seite der Sozi­al­ver­si­che­rung und SP-Gesund­heits­spre­cher Spin­del­ber­ger“ betrie­bene Strei­chung gewe­sen sei. Dem zitier­ten SPÖ-Gesund­heits­spre­cher Erwin Spin­del­ber­ger geht übri­gens die „Blo­cka­de­po­li­tik der Ärz­te­kam­mer­funk­tio­näre schon lang­sam auf den Wecker“. Auf die poten­zi­ell nega­ti­ven Kon­se­quen­zen einer Zen­tra­li­sie­rung des Gesund­heits­sys­tems durch finanz­ge­trie­bene, grund­le­gende Ände­run­gen auf die Qua­li­tät und Wohn­ort­nähe der Gesund­heits­be­treu­ung geht er aller­dings in sei­nen reflex­ar­ti­gen Äuße­run­gen nicht ein.

Grund­le­gende Ableh­nung der geplan­ten Art. 15a-Ver­ein­ba­rung signa­li­siert FP-Gesund­heits­spre­che­rin Dag­mar Bela­ko­witsch-Jene­wein. Sie befürch­tet die Eta­blie­rung eines „DDR-Sys­tems“ in Öster­reich. Die Kom­bi­na­tion von Pri­mary-Health-Zen­tren als Kon­kur­renz zum nie­der­ge­las­se­nen Bereich passe gut in die von SP-Spin­del­ber­ger im Som­mer gefor­derte Total­ab­schaf­fung des Wahl­arzt­rück­ersat­zes und folg­lich der freien Arzt­wahl. Wenig Gefal­len an den Plä­nen von Regie­rung, Län­dern und Kran­ken­kas­sen fin­den auch die Grü­nen. Sie begrü­ßen grund­sätz­lich die geplante För­de­rung für den Aus­bau der Pri­mär­ver­sor­gung, for­dern jedoch eine völ­lige „Neu­auf­stel­lung“ des Orga­ni­sa­ti­ons­kon­zep­tes. Eva Mück­stein, Gesund­heits­spre­che­rin der Grü­nen, stößt sich an der plan­wirt­schaft­li­chen Steue­rung zu Las­ten des bis­he­ri­gen Gesamt­ver­trags­kon­zep­tes und ver­steht den mas­si­ven Wider­stand gegen diese Form der Zen­tra­li­sie­rung. Der nie­der­schwel­lige Zugang zur Gesund­heits­ver­sor­gung müsse ebenso gesi­chert wer­den wie die freie Zusam­men­ar­beit von frei­be­ruf­li­chen und ange­stell­ten Ärz­ten sowie ande­ren Gesundheitsberufen.

Die For­de­run­gen der Ärztekammer

  • Echte Ein­bin­dung in die Gestal­tung des öster­rei­chi­schen Gesund­heits­we­sens, beson­ders auch in die Stel­len­pla­nung – statt „pro forma“-Recht zur Stellungnahme
  • Aus­bau des Ver­sor­gungs­sys­tems im nie­der­ge­las­se­nen Bereich durch Schaf­fung neuer Kassenstellen
  • Attrak­ti­vie­rung des ärzt­li­chen Arbeits­um­felds im Spi­tal und im Kassensystem
  • Kein Auf­wei­chen der Arbeit­neh­mer-Schutz­ge­setze für ange­stellte Ärz­tin­nen und Ärzte
  • Kein auto­ma­ti­scher Ver­lust der Ver­träge mit Son­der­kran­ken­ver­si­che­rungs­trä­gern bei Rück­le­gung eines Gebietskrankenkassen-Vertrags
  • Voll­stän­dige Finan­zie­rung der Lehrpraxen
  • Behe­bung der tech­ni­schen Män­gel und Finan­zie­rung des Pra­xis­auf­wan­des für ELGA inklu­sive e‑Medikation
  • Prio­ri­tät der Ver­sor­gung in Arzt­pra­xen bezie­hungs­weise ärzt­li­chen Grup­pen­pra­xen vor der Ver­sor­gung durch Kran­ken­an­stal­ten oder durch kas­sen­ei­gene Einrichtungen
  • Schutz des Haus­arz­tes als Primärversorger

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 21 /​10.11.2016