Zika-Virus: „Zika ist nicht Ebola“

25.02.2016 | Medizin

Die WHO hat wegen der explosionsartigen Ausbreitung des Zika-Virus und der gehäuften Fälle von Mikrozephalie bei Neugeborenen den globalen Gesundheitsnotstand ausgerufen. Laut Experten sagt das über die Gefährlichkeit des Virus aber primär nichts aus. Mit dem Erlöschen der Ausbreitung ist zu rechnen, wenn eine Herdenimmunität erreicht wird. Dies könnte in einem Jahr der Fall sein.
Von Marion Huber

Es ist primär kein Urteil über die Gefährlichkeit der Erkrankung – so relativiert Univ. Prof. Herwig Kollaritsch vom Institut für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin der Medizinischen Universität Wien, die Tatsache, dass die WHO wegen der Ausbreitung des Zika-Virus den „globalen Gesundheitsnotstand“ ausgerufen hat. Der Gesundheitsnotstand solle in erster Linie die Behörden zur Aufmerksamkeit aufrufen und Gegenmaßnahmen erleichtern. Hierzulande sei jedenfalls keine Epidemie zu befürchten; es sei nicht mit autochthonen Zika-Fällen zu rechnen, weil „kompetente Überträger“ fehlen. Auch die Sektionsleiterin für Öffentliche Gesundheit im Gesundheitsministerium, Pamela Rendi-Wagner, betont, dass die WHO-Warnungen für Österreich nicht bis kaum gelten: „Wir sind von Zika-Virus-Infektionen nicht betroffen.“

Ein globaler Gesundheitsnotstand wurde zuletzt im August 2014 ausgerufen, als die Ebola-Epidemie in Westafrika schon mehr als vier Monate angedauert hatte. Dennoch betont auch die WHO: „Zika ist nicht Ebola.“ Es gebe keinen Grund zur Panik. Man müsse aber damit rechnen, dass sich bald bis zu vier Millionen Menschen mit dem Zika-Virus infiziert haben, so der Infektiologe Marcos Espinal, Leiter der Abteilung für übertragbare Krankheiten des US-amerikanischen Regionalbüros der WHO.

Dazu muss gesagt werden: Klinisch bleiben 80 Prozent der Zika-Virusinfektionen beim Menschen asymptomatisch. Nur jeder vierte bis fünfte Infizierte entwickelt typische, leichte Symptome des Zika-Virus. Dazu zählen Kopf-, Gelenk- und Muskelschmerzen sowie eine nicht-eitrige Konjunktivitis; die Körpertemperatur ist meist im subfebrilen Bereich. Das klinische Bild ähnelt einer milden Dengue- oder Chikungunyavirus-Infektion. Die Akutsymptome treten drei bis zwölf Tage – meist drei bis sieben Tage – nach einem infektiösen Mückenstich auf und halten bis zu einer Woche an.

Aber: Für Schwangere und deren Ungeborene stellt das Zika-Virus eine Gefahr dar. Immer mehr Babys von Frauen, die sich mit dem Zika-Virus infiziert hatten, kommen mit Mikrozephalie zur Welt. In einzelnen Fällen wurde im Gewebe betroffener Föten und Neugeborener beziehungsweise im Fruchtwasser der Mütter das Virus schon nachgewiesen. Ein kausaler Zusammenhang zwischen einer Zika-Virus-Infektion und Mikrozephalie wird immer wahrscheinlicher; um einen endgültigen Beweis zu erbringen, folgen derzeit Untersuchungen. Erst kürzlich haben Forscher aus Slowenien im „New England Journal of Medicine“ Ergebnisse publiziert, die die These bestätigen. Eine schwangere Frau, die sich in Brasilien mit Zika infiziert hatte, entschied sich für einen Abort, nachdem beim Fötus eine schwere Mikrozephalie entdeckt wurde. Bei der Autopsie haben die Forscher im Gehirn des Feten neben zahlreichen pathologischen Veränderungen auch Flavivirus-ähnliche Partikel und das gesamte Genom des Zika-Virus nachgewiesen. Spuren anderer Erreger wurden nicht gefunden.

Auch ein Zusammenhang zwischen dem Zika-Virus und dem Guillain-Barré-Syndrom wird vermutet. Schon bei einem vorangegangenen Zika-Ausbruch gingen in Brasilien, Venezuela, El Salvador und Martinique höhere Fallzahlen des Guillain-Barré-Syndroms mit jenen der Zika-Fälle einher. Konkret zeigten in Brasilien 62 Prozent der Patienten mit dem Guillain-Barré-Syndrom auch Symptome der Zika-Infektion. Auch beim aktuellen Ausbruch meldeten nach WHO-Angaben fünf der vom Zika-Virus betroffenen Länder – Brasilien, Kolumbien, El Salvador, Suriname und Venezuela – eine Zunahme von Guillain-Barré-Fällen.

Das zunächst vor allem in Brasilien aufgetretene Zika-Virus wurde bald auch in andere Länder verschleppt. Inzwischen wurden Infektionen aus mehr als 30 Ländern gemeldet, wie anhand von Karten der WHO und der Europäischen Seuchenbehörde ersichtlich ist. Auch in mehreren europäischen Ländern wurden importierte Zika-Fälle diagnostiziert. Obwohl einer der möglichen Überträger des Virus, die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus), in Südeuropa vorkommt, ist bislang keine in Europa erworbene Zika-Infektion bekannt. In Österreich sind drei Fälle bei Reiserückkehrern aus Brasilien und Kolumbien bekannt geworden, die sich dort infiziert hatten.

Ausbreitung

  • Am schwersten betroffen ist Brasilien: Neben Hunderttausenden möglichen Zika-Infektionen gibt es mehr als 3.800 Verdachtsfälle für Mikrozephalie. Bestätigt waren letzten Meldungen zufolge mehr als 40 Mikrozephalie-Fälle bei Kindern von Schwangeren, die sich während der Schwangerschaft mit Zika infiziert hatten. Auch erste Todesfälle, die in direkter Verbindung mit dem Virus stehen, wurden gemeldet.
  • In Kolumbien wurden mehr als 25.600 Zika-Fälle registriert. Die Zahl der Verdachtsfälle bei Schwangeren ist binnen kurzer Zeit auf mehr als 3.100 gestiegen.
  • In Honduras wurden etwa 1.000 Infektionen mit dem Zika-Virus nachgewiesen; der nationale Gesundheitsnotstand wurde ausgerufen.
  • In Nicaragua und der Dominikanischen Republik gab es vereinzelt Fälle.
  • Auch in einigen europäischen Ländern – darunter die Schweiz und Österreich – sowie in den USA und Kanada wurden importierte Zika-Infektionen gemeldet.
  • Zuletzt wurde auch ein erster importierter Fall in China registriert.
  • In Spanien wurde kürzlich erstmals in Europa bei einer Schwangeren eine importierte Zika-Infektion diagnostiziert.
  • Der US-amerikanische Bundesstaat Florida hat nach neun importierten Zika-Fällen in vier Counties den medizinischen Notstand ausgerufen. (Stand: 16.2.2016)

Bislang gibt es weder einen Impfstoff noch eine medikamentöse Prophylaxe gegen das Zika-Virus. Die Prävention beruht ausschließlich auf der Vermeidung von Mückenstichen. Die USA und Brasilien forschen nun gemeinsam an einer Vakzine. Gegen andere Erkrankungen aus der gleichen Virus-Familie wie etwa Dengue gibt es bereits Impfstoffe in verschiedenen Entwicklungsstadien. Warum laut Kollaritsch die Entwicklung eines Impfstoffs für die aktuelle Epidemie aber keinerlei Bedeutung hat, lesen Sie im Interview.

Ursprung, Übertragung & Diagnostik

Das Zika-Virus ist Forschern seit 1947 bekannt; erstmals wurde der Erreger im Zika Forest in Uganda aus Affen isoliert. Erst seitdem 2007 auf der Pazifikinsel Yap in Mikronesien rund 100 Menschen daran erkrankten, gilt Zika als „emerging pathogen“ – als Erreger mit dem Potenzial, sich global auszubreiten.

Übertragung:
Überträger des Virus sind in erster Linie Stechmücken der Gattung Aedes – in bisher bekannten Ausbrüchen vor allem die Gelbfiebermücke Aedes aegypti, die in weiten Teilen der Tropen und teilweise auch in den Subtropen verbreitet ist. Auch die bis in gemäßigte Breiten vorkommende Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) gilt als übertragungskompetent. Allerdings wurde auch in einzelnen Fällen die Möglichkeit von sexueller Übertragung sowie von perinataler Infektion beschrieben. So ist erst kürzlich eine Infektion im US-Bundesstaat Texas bekannt geworden, die laut der dortigen Gesundheitsbehörde wahrscheinlich auf eine Übertragung durch Geschlechtsverkehr zurückgeht. Als „Vorsichtsmaßnahme“ hat die WHO zuletzt auch empfohlen, Blutspenden von Reisenden aus Zika-Risikogebieten auszusetzen. In Großbritannien und Kanada etwa wurden entsprechende Maßnahmen bereits umgesetzt. In Österreich werden von jedem Spender im Rahmen einer Befragung auch Auslandsaufenthalte erhoben. War ein Spender in einem Gebiet, in dem das Zika-Virus grassiert, gilt laut der Blutspendezentrale des Roten Kreuzes in Wien eine „Rückstellungsfrist“ von zumindest 28 Tagen.

Diagnostik:
Bis zu drei Tagen nach Symptombeginn kann das Zika-Virus mittels RT-PCR im Serum oder Plasma nachgewiesen werden. Danach ist nur ein indirekter Nachweis mittels Antikörpernachweis im Blut möglich. Aufgrund der ähnlichen klinischen Symptomatik wie bei Dengueund Chikungunya-Fieber sollte parallel auch auf diese beiden Virusinfektionen getestet werden. IgM- und IgG-Serumantikörper gegen das Zika-Virus werden gegen Ende der ersten Krankheitswoche nachweisbar, zeigen aber Kreuzreaktivitäten mit anderen Flaviviren. In Österreich ist die Diagnostik an der Referenzzentrale für Arboviren an der Virologie der Medizinischen Universität Wien möglich.

Stechmücken-Monitoring

Die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) überprüft in Österreich seit 2011 Stechmücken auf humanpathogene Viren wie das West-Nil-Virus, Dengue, Chikungunya und auch das Zika-Virus. An vordefinierten Standorten werden Stechmücken gesammelt, klassifiziert und mittels molekularbiologischen Methoden gezielt die Durchseuchungsrate der Gelsenbestände mit den Erregern bestimmt. Das Zika-Virus wurde noch nie nachgewiesen.

„Herdenimmunität stoppt Ausbreitung“

Die Ausbreitung des Zika-Virus in den Endemiegebieten wird binnen eines Jahres gestoppt sein, sobald die Herdenimmunität erreicht ist. Davon zeigte sich Univ. Prof. Herwig Kollaritsch vom Institut für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin der Medizinischen Universität Wien im Gespräch mit Marion Huber überzeugt.

ÖÄZ: Die WHO hat den globalen Gesundheitsnotstand ausgerufen. Wie ist das einzuschätzen?
Kollaritsch: Um dies richtig zu verstehen: Die WHO will damit erreichen, dass die Aufmerksamkeit der nationalen Gesundheitsbehörden geweckt wird und alle Maßnahmen in Kraft gesetzt werden, die Überwachung und Bekämpfung der Erkrankung effizienter zu machen. Die Ausrufung des Gesundheitsnotstandes erleichtert den nationalen Behörden, Sondermaßnahmen wie etwa die Einführung einer Meldepflicht zu initiieren und durchzusetzen. Dagegen ist die mediale Berichterstattung wie immer bei neu auftretenden Erkrankungen durch massive Spekulation und wenig wissenschaftliche Substanz geprägt.

Warum breitet sich das Zika-Virus jetzt so ‚explosionsartig‘ aus, wie die WHO es formuliert hat?
Die rasante Ausbreitung hat mehrere Ursachen: Erstens – und das kennen wir von anderen Viren wie Chikungunya und Dengue – ist beim Vorhandensein eines kompetenten Überträgers eine rasche Ausbreitung in einer nicht immunen Population leicht möglich. Zweitens sind Zika-Infizierte oftmals klinisch nicht krank. Das heißt, sie sind in den meisten Fällen nicht bettlägerig, halten sich im Freien auf und sind damit für Überträger leicht zugänglich.

Gibt es außer Schwangeren noch weitere Risikogruppen, bei denen Vorsicht geboten ist?
Im Wesentlichen nicht. Ältere, polymorbide oder immunsupprimierte Personen könnten durch schwerere klinische Verläufe gefährdet sein. Noch ist nicht klar, ob und in welchem Ausmaß Guillain-Barré-Syndrome im Anschluss an die akute Erkrankung auftreten und dadurch die Prognose der an sich harmlosen Krankheit deutlich verschlechtern.

Wie schätzen Sie die weitere Ausbreitung ein? Wird es lokale Fälle außerhalb Zentralamerikas oder vermehrt Fälle einer Übertragung durch Geschlechtsverkehr geben wie zuletzt in den USA?
Überall dort, wo kompetente Überträger heimisch sind, besteht potentielle Gefahr für die Ausbreitung. Geschlechtsverkehr spielt epidemiologisch überhaupt keine Rolle, ist aber als individuelle Gefahr ernst zu nehmen. Damit ist gemeint, dass Frauen etwa zwei Menstruationszyklen nach dem Aufenthalt in einem Endemiegebiet mit einer Schwangerschaft zuwarten sollten; Männer, die aus solchen Gebieten kommen, sollten für eine Zeit von einigen Wochen beim Geschlechtsverkehr Kondome verwenden.

Wie groß ist das Potential eines Impfstoffs?
Die Entwicklung eines Impfstoffes ist für die laufende Epidemie mit Sicherheit ohne Bedeutung, weil mit dem Erlöschen der Ausbreitung zu rechnen ist, wenn eine Herdenimmunität erreicht wird. Wie hoch der Prozentsatz der Immunen in der Bevölkerung sein muss, ist noch nicht klar. Schließt man analog von Chikungunya auf Zika, so müsste eine Immunitätsrate von knapp einem Drittel der Bevölkerung dazu führen, dass die rasante Ausbreitung sich rapide verlangsamt und schließlich erlischt. Dieser Status wird mit ziemlicher Sicherheit bei der Ausbreitungsgeschwindigkeit des Zika-Virus in den betroffenen Gebieten in weniger als einem Jahr erreicht. Bis zur Markteinführung eines Impfstoffes muss man selbst bei perfektem Verlauf der Entwicklung von einer Dauer von mehreren Jahren ausgehen.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 4 / 25.02.2016