Depressionen: Alternative Strategien

25.10.2016 | Medizin

Der Einsatz von neueren Substanzen, eine Kombinationstherapie sowie Augmentationsstrategien und schließlich der Wechsel der Substanzklassen etwa bei Nichtansprechen sind mögliche alternative Strategien. Von Marlene Weinzierl

Erster Schritt bei der Behandlung ist eine ausführliche (Medikamenten) Anamnese: Welche Therapien haben bereits stattgefunden? Welche Medikamente wurden wie lange eingenommen und in welcher Dosis? Kann der Patient seine Compliance plausibel machen? Nicht nachzufragen führe dazu, dass das Krankheitsbild oft falsch eingeschätzt wird, warnt Univ. Prof. Siegfried Kasper von derUniversitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am AKH Wien. Er schlägt im Anschluss die Erhöhung der Medikamentendosis vor, den Plasmaspiegel bestimmen zu lassen. Denn dieser liefere Klarheit im Hinblick auf die tatsächliche Verfügbarkeit des Medikaments.

Weisen die Laborwerte auf eine (partielle) Resistenz hin, gibt es bei der weiteren Vorgangsweise verschiedene Ansätze. In den meisten Fällen findet bei den Betroffenen eine Kombinationstherapie mit einem anderen Antidepressivum mit einem zusätzlichen Wirkmechanismus wie beispielsweise einem SSRI und Mirtazepin oder die Augmentation mit einem atypischen Antipsychotikum statt. Allerdings kann auch die Umstellung innerhalb einer Substanzklasse den gewünschten Erfolg bringen, weiß Univ. Prof. Wolfgang Fleischhacker vom Department für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der Medizinischen Universität Innsbruck: „Rund 30 Prozent der Patienten profitieren von der Umstellung von einem SSRI auf einen anderen.“ Eine weitere Alternative ist der Einsatz neuerer Substanzen wie Vortioxetin oder Agomelatin, die einen spezifischen Wirkmechanismus aufweisen, der durch die SSRIs beziehungsweise SNRIs nicht gegeben ist.

Klassische Kombination

Bei der klassischen Kombinationstherapie wird also das zuerst verordnete Antidepressivum durch ein weiteres Antidepressivum ergänzt. Eine Variante wäre zum Beispiel ein SSRI plus ein breiter wirksames Antidepressivum. Wie Fleischhacker berichtet, belegen Studien den Erfolg von SSRI in Kombination mit Mirtazapin ebenso wie in Kombination mit Venlafaxin.

Im Rahmen der Augmentation hingegen wird das Antidepressivum durch andere Medikamente unterstützt. Dabei handelt es sich etwa um Antipsychotika der neueren Generation, Lithium und Schilddrüsenhormone. Für die neueren Medikamente gibt es mehr Studien, welche die Wirksamkeit der Augmentation mit Antipsychotika belegen, während Studien mit Lithium und Schilddrüsenhormonen hauptsächlich in Kombination mit „alten“ trizyklischen Antidepressiva durchgeführt wurden. „Im klinischen Alltag sollte der Arzt nicht zögern, therapieresistenten Patienten zusätzlich sogenannte atypische Antipsychotika zu verabreichen“, meint Kasper. Man solle dabei allerdings auf eine entsprechend niedrige Dosierung achten, die jene Dosis, wie sie bei Psychosen eingesetzt wird, deutlich unterschreitet. Für die Augmentation kommen die antipsychotisch wirksamen Substanzen wie zum Beispiel Quetiapin, Aripiprazol und Olanzapin in Frage. In Österreich ist derzeit nur Quetiapin für diese Indikation zugelassen.

Elektrokonvulsion

Bei schweren und auch bei psychotischen Depressionen, die therapieresistent sind, hat sich laut den Experten die Elektrokonvulsionstherapie am besten bewährt; sie wird an einigen – besonders universitären – Zentren in Österreich durchgeführt. Obwohl sie zu den wirksamsten und sichersten Verfahren zur Behandlung von depressiven Menschen gehört, sei die Elektrokrampftherapie noch immer eine „zu Unrecht“ stigmatisierte Methode. „Selbstverständlich sollte bei allen Patienten auch eine meist stützende, das heißt dem Verlauf und der Akuität der Krankheit orientierte sogenannte medizinische Psychotherapie durchgeführt werden. Sie kommt bei rund 95 Prozent der Patienten mit Depressionen zum Einsatz“, wie Kasper ausführt.

Stützende Psychotherapie

Eine Psychotherapie als nicht-medikamentöse Maßnahme ist laut Univ. Prof. Siegfried Kasper immer indiziert – auch bei Therapieresistenz, denn: „Man muss mit dem Patienten sprechen.“ Eine der am häufigsten und erfolgreich angewandten Psychotherapien ist die stützende Psychotherapie, die sich an der Akuität, der Schwere und dem Krankheitsverlauf orientiert. Eine weitere Therapie ist beispielsweise die CBASPMethode (Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy), ergänzt Univ. Prof. Wolfgang Fleischhacker. Sie hat sich als Therapiemethode bei leichten bis mittelgradigen Depressionen gut bewährt. Intensität und Ausrichtung der Psychotherapie hängen generell vom Schweregrad und vom Krankheitsverlauf der Depression ab – auch unter Einbeziehung der aktuellen Lebenssituation, weiß Kasper. Dabei ist es wichtig, dem Patienten seinen Krankheitsverlauf mit den Symptomen, den Ursachen sowie den Behandlungsmöglichkeiten zu erklären und ihm eine Anleitung für den täglichen Umgang mit seiner Erkrankung zu geben.

Macht man die Betroffenen auf folgende Punkte aufmerksam, ist dies Vertrauens-bildend und trägt somit zum Behandlungserfolg bei:

  • Die Patienten sollten umfassend über das Nutzen-/Risiko Verhältnis der Therapie aufgeklärt werden – und das wiederholt.
  • Der Patient hat auf zwei Behandlungsverfahren noch nicht ausreichend angesprochen; die Möglichkeiten sind noch nicht ausgeschöpft.
  • Man muss sich nicht „zusammenreißen“.
  • Geduld ist angesagt, da die Wirkung mit einer Latenzzeit von ein bis zwei Wochen, also nicht unmittelbar einsetzt.
  • Die Wahrscheinlichkeit, dass der Betroffene Nebenwirkungen hat, liegt bei rund 30 Prozent.
  • Anfangs können Nebenwirkungen die einzige Reaktion auf die Behandlung sein; sie verschwinden allerdings häufig nach den ersten Behandlungstagen von selbst.
  • Der Patient soll ermutigt werden, sich bei allfälligen Fragen rasch zu melden – auch telefonisch.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 20 / 25.10.2016