Non-Melanoma Skin Cancer: Unterschätzte Gefahr

10.09.2016 | Medizin

Auch wenn es keine genauen Daten zur Prävalenz von Basalzellkarzinom und Plattenepithelkarzinom gibt: Experten gehen davon aus, dass die tatsächliche Häufigkeit deutlich unterschätzt wird. Von Marlene Weinzierl

Zwei Prozent der Bevölkerung zwischen dem 16. und 70. Lebensjahr leiden an weißem Hautkrebs; bei den über 50-Jährigen liegt die Prävalenz sogar bei 15 Prozent. Diese Zahlen wurden für Deutschland erhoben, berichtet Univ. Prof. Rainer Kunstfeld von der Universitätsklinik für Dermatologie am Wiener AKH. „Das Basalzellkarzinom ist vermutlich die häufigste Krebserkrankung des Menschen überhaupt“, ergänzt Univ. Prof. Franz Trautinger von der Abteilung für Haut- und Geschlechtskrankheiten am Universitätsklinikum St. Pölten. Genaue Daten zur Prävalenz des weißen Melanoms in Österreich gibt es allerdings nicht: Die Behandlungen im niedergelassenen Bereich werden nicht flächendeckend in Tumorregistern erfasst; es besteht keine Meldepflicht. Die Experten gehen deshalb davon aus, dass die tatsächliche Häufigkeit deutlich unterschätzt wird. Männer sind insgesamt häufiger betroffen als Frauen.

Im Gegensatz zu den meist braun oder schwarz pigmentierten Melanomen handelt es sich beim sogenannten „weißen Hautkrebs“ um langsam wachsende Knoten, die für gewöhnlich hautfarben sind, allerdings auch eine rötliche oder bräunliche Färbung annehmen können. Trautinger bevorzugt daher die in der Fachliteratur verwendete Bezeichnung „Non-Melanoma Skin Cancer“ (NMSC). Damit fasst man Plattenepithelkarzinome und Basalzellkarzinome (Basaliome) zusammen. Der Überbegriff schließt – neben anderen, seltenen Formen von Hautkrebs – auch die aktinische Keratose als insitu Variante des Plattenepithelkarzinoms ein. In Europa leiden etwa 130 Millionen Menschen unter aktinischer Keratose, sagt Kunstfeld. Die „sehr rauen, eventuell Sandpapier-artigen Erhabenheiten auf der Haut“ seien meist schnell zu erkennen und häufig besser zu ertasten als zu sehen. Frühe und sehr oberflächliche Formen von NMSC können mit einer Lokaltherapie – ohne chirurgische Eingriffe – behandelt werden (siehe Kasten). Für eine effiziente Behandlung sei es laut Kunstfeld wichtig, dass medikamentöse Cremen oder Salben flächenhaft aufgetragen werden, denn: „Typisch für die aktinische Keratose ist die sogenannte Feldkanzerisierung“, wie der Experte betont. „Die Läsionen treten in der Regel multipel auf und betreffen chronisch sonnenlichtexponierte Areale, bevorzugt am Kopf und an den Extremitäten, auch wenn klinisch oft nur Zeichen des chronischen Lichtschadens erkennbar sind.“ Es sollten daher nicht nur einzelne Läsionen behandelt werden, sondern ebenso die Umgebung der aktinischen Keratose(n).

Was dabei besonders problematisch ist. „Etwa zehn bis 15 Prozent aller aktinischen Keratosen können über viele Jahre hinweg in ein invasives Plattenepithelkarzinom übergehen“, weiß Kunstfeld. Dieses wächst ähnlich wie das Basalzellkarzinom invasiv und lokal destruierend. Darüber hinaus bergen Plattenepithelkarzinome zusätzlich das Risiko einer lymphogenen (selten auch hämatogenen) Metastasierung in sich. Während Plattenepithelkarzinome zur Hyperkeratose neigen, bilden Basalzellkarzinome meist glatte Knoten. Beide können exulzerieren und dadurch bluten oder verkrusten.

NMSC: auch an untypischen Stellen

Die Mortalität durch NMSC ist laut Trautinger „sehr gering“. Kunstfeld ergänzt: „Es kommt immer mehr ins Bewusstsein der Ärzte, bei unklaren Hautveränderungen neben dem Melanom auch den ‚weißen Hautkrebs‘ ins diagnostische Spektrum aufzunehmen.“ Eine klinische Verdachtsdiagnose erfordert – besonders im Zweifelsfall – eine histologische Bestätigung durch eine excisionale oder inzisionale Biopsie, betonen beide Experten. Kunstfeld gibt zu bedenken, dass NMSC auch bei jüngeren Personen und auch an untypischen Stellen auftreten können: „Basaliome können manchmal nur schlecht diagnostiziert werden. Ulzerationen an den unteren Extremitäten müssen nicht zwangsläufig immer auf ein Venenproblem zurückzuführen sein. Auch Basalzellkarzinome können ulzerieren und ein venöses Ulcus vortäuschen.“ Auch wenn sich bei einer vermeintlichen Mykose oder einem chronischen Ekzem trotz entsprechender therapeutischer Maßnahmen keine Besserung zeigt, kann es sich um ein superfizielles Basalzellkarzinom oder die intraepitheliale Form des Plattenepithelkarzinoms (M. Bowen) handeln. Besonderes Augenmerk sollte Menschen mit Organtransplantationen gewidmet werden. Trautinger dazu: „Immunsupprimierte haben ein um bis zu 250-fach erhöhtes Risiko für ein NMSC.“

„Goldstandard“ bei der Therapie von Basalzell- und Plattenepithelkarzinomen ist – laut den Aussagen der Experten – nach wie vor die chirurgische Entfernung. Bei weit fortgeschrittenen Basalzellkarzinomen, die nicht mehr chirurgisch behandelt werden können, ist neben der Strahlentherapie seit kurzem ein oral zu verabreichendes Medikament verfügbar. Der Wirkstoff Vismodegib inhibiert den Hedgehog-Signalweg, der bei den meisten Basaliomen eine aktivierende Mutation aufweist und beschert auf diese Weise „eindrucksvolle Behandlungserfolge“ (Kunstfeld).

Die Korrelation zwischen der Sonnenexposition als Hauptrisikofaktor und der Entstehung von Hautkrebs ist beim NMSC „wesentlich direkter“ als beim Melanom, berichtet Trautinger. Die wichtigste primäre Prävention ist daher ein adäquater Sonnenschutz. Da mit dem Alter auch die Wahrscheinlichkeit steigt, dass die kumulative UV-Schädigung klinisch manifest wird, tritt „weißer Hautkrebs“ meist in der zweiten Lebenshälfte auf. Eine der Herausforderungen, der sich Dermatologen im Laufe ihres Berufslebens immer wieder stellen müssen, ist demnach, NMSC als geriatrische Erkrankung adäquat zu behandeln. Trautinger etwa fragt: „Wann soll beziehungsweise muss man hochbetagten Patienten mit NMSC eine Behandlung zumuten und: Wie aggressiv soll oder darf diese sein?“ Diese Entscheidungen müssten individuell getroffen werden, betont Trautinger. Dabei spiele nicht nur die natürliche Lebenserwartung eine zentrale Rolle, sondern auch der Allgemeinzustand, Immunstatus sowie die individuellen Möglichkeiten und Präferenzen des Betroffenen.

Chemoprävention für NMSC

Dem Wunsch nach einer einfachen oralen Prävention scheint man laut Trautinger indessen „einen Schritt näher“ gekommen zu sein. In der im Vorjahr publizierten ONTRAC-Studie aus Australien konnte nachgewiesen werden, dass die regelmäßige Einnahme von Nicotinamid (Vitamin B3) das Hautkrebsrisiko bei NMSC-Hochrisikopersonen verringert. Trautinger damit: „Somit könnte eine Art Chemoprävention für NMSC möglich werden.“

Bei Sonnenschutzmitteln, die DNA-Reparaturenzyme beinhalten, machen beide Experten darauf aufmerksam, dass Langzeitdaten und groß angelegte Studien bei gesunden Probanden fehlen. Studien zufolge zeigte die Applikation von Sonnencremes mit der Endonuklease T4N5 als Reparaturenzym bei Patienten mit Xeroderma pigmentosum protektive Wirkung. „T4N5-hältige Präparate stehen allerdings nicht zur Verfügung und man kann nicht mit Sicherheit sagen, ob Personen ohne DNA-Reparatur-Defizienz beziehungsweise ohne erhöhtes Hautkrebsrisiko von einer äußerlichen Zufuhr von diesem oderanderen Reparaturenzymen zusätzlich zum gewöhnlichen Sonnenschutz profitieren“, sagt Trautinger. Kunstfeld wiederum hält diesen Ansatz neben der Verwendung von bewährten physikalischen und chemischen Sonnenschutzfiltern für einen „innovativen Schritt in die richtige Richtung“.
 

Lokaltherapeutika bei NMSC

Bei frühen und oberflächlichen Formen des NMSC kommen als Lokaltherapie Imiquimod (5% oder 3,75%), Ingenolmebutat, Diclofenac-Hyaluronsäure und 5-Fluorouracil sowie die photodynamische Therapie mit Aminolävulinsäure als Photosensibilisator zum Einsatz. Diese Verfahren sind zur „Flächentherapie“ geeignet.
Für Einzelläsionen, wenn keine Flächentherapie gewünscht oder erforderlich ist, kann Kryotherapie, mit flüssigem Stickstoff eingesetzt werden.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 17 / 10.09.2016