Kniegelenk: Häufiger Schmerzgeber

15.08.2016 | Medizin

Das Kniegelenk zählt – nach dem Wirbelsäulenbereich – zur zweithäufigsten Schmerzlokalisation im Bewegungsapparat. Rund 40 Prozent der Österreicher sind zumindest einmal im Leben davon betroffen.
Von Christina Schaar

Abnutzungserscheinungen – sie machen sich etwa ab dem 30. Lebensjahr bemerkbar –, Sportverletzungen, Spitzensport und Übergewicht zählen zu den häufigsten Ursachen von Schmerzen im Kniegelenk. „Bei jüngeren Menschen stehen Meniskusschäden, Seiten-, Kreuzband- und Knorpelverletzungen im Vordergrund, bei älteren Menschen Arthrose und Gelenksknorpelabnützung“, erklärt Ao. Univ. Prof. Christian Gäbler, Facharzt für Unfallchirurgie und Sporttraumatologie in Wien. Bei Ballsport komme es am häufigsten zu einem Riss des vorderen Kreuzbandes, begünstigt durch spontane Drehbewegungen.

Neben Problemen von Meniskus, Kreuzband und Seitenband sieht Univ. Prof. Hans Tilscher, Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, auch Entzündungen (manchmal Arthrose-aktivierte Arthrose) oder Beschwerden nach Infektionen als Ursache für Kniebeschwerden. Bei chronischen Knieschmerzen sei zu überlegen, ob es sich um einen Tumor, um unfallsbedingte oder belastungsbedingte Veränderungen handle, so Tilscher. Entscheidend ist jedoch, welche Struktur den Schaden und die Beschwerden verursacht. Bei genauerer Untersuchung von chronisch arthrotischen Beschwerden kämen bei Menikusproblemen eine Fülle an Schmerzen zum Vorschein, die nicht vom Meniskus selbst, sondern von der Bänderstruktur kommen, weswegen für Tilscher die klinisch manuelle Untersuchung „unverzichtbar ist“. Auch wenn ein MRI obligatorisch durchgeführt wird, kann die Schmerzursache erst durch die manuelle Untersuchung lokalisiert werden – beispielsweise wenn Knie- oder Hüftgelenk die Beschwerden auslösen.

Ursachen unterschiedlich

Spitzensportler, Balletttänzer und sportlich sehr aktive Menschen sind einer höheren Verletzungsgefahr ausgesetzt. Bei sportlichen Patienten kommt es oft im Rahmen eines Plica-Syndroms zu keiner wesentlichen Verbesserung der Beschwerden, da es aufgrund des entzündlich veränderten und verhärteten Randes der Plica zu einer Reibung am Knorpel kommt, welcher letztendlich zerstört wird. Aus diesem Grund sollte eine Arthroskopie zur Entfernung der Plica frühzeitig in Erwägung gezogen werden, wobei mit einer raschen Besserung der Beschwerden zu rechnen ist, außer „es sind schon deutliche Knorpelschäden aufgetreten“, weiß Gäbler. Eine weitere häufige Ursache für Knieschmerzen ist die Hypoplasie des femoropatellaren Gleitlagers mit Lateralisation der Kniescheibe, welche zu einer Chondropathie der lateralen Patellafacette führen könne.

„Nach der Wirbelsäule ist das Knie der wichtigste Schmerzgeber mit Auswirkung auf die Lokomotion“, meint Tilscher. Jedoch: Im Alter nehmen Kniebeschwerden zu und Frauen leiden häufiger an Kniebeschwerden. Dies ist nicht nur auf den Bandapparat zurückzuführen sondern vor allem darauf, dass sie eine andere Beckenform und einen anderen Gang als Männer haben.

Knorpel und Arthrose

Arthrose zeigt sich an einem generalisierten Knorpelschaden beziehungsweise einer Knorpelabnutzung. Diese Abnutzung kann degenerativer oder traumatischer Natur sein, wobei den Aussagen von Gäbler zufolge bei der konservativen Behandlung die Physiotherapie die wichtigste Säule ist. Unterstützend wird eine Knorpelaufbaukur empfohlen wie zum Beispiel mit Chondroitinsulfat, Hyaluronsäure, Kollagen-Hydrolysat, Glucosamin-Sulfat, Grünlippmuschel-Extrakt oder Ackerschachtelhalm-Konzentrat.

Als „nicht zielführend“ und deswegen auch nicht sinnvoll erachtet Gäbler die sogenannte Knorpelglättung, welche oft im Rahmen einer Arthroskopie durchgeführt wird. Viel effektiver erweisen sich Microfractures (Knocheneinbohrung) und ACP (autologes konditioniertes Plasma)-Infiltrationen, welche den Heilungsprozess von Muskel-, Sehnen- und Knorpelproblemen beschleunigen, wie in internationalen Studien gezeigt werden konnte.

Therapieabgrenzung: konservativ – operativ

Unisono bestätigen beide Experten, dass in erster Linie die konservative Therapie zu bevorzugen ist. Bei einer akuten Verletzung zielt die Therapie nach entsprechender Auswertung der bildgebenden Diagnostik auf eine akute Schmerztherapie ab, um das Kniegelenk vorübergehend zu entlasten. Dabei kommen grundsätzlich entzündungshemmende Substanzen wie etwa Diclofenac mit Magenschutz zum Einsatz – gleichermaßen bei jungen und älteren Patienten, wobei bei diesen besonders auf die Nierenfunktion Rücksicht genommen werden muss. Darüber hinaus seien Kältetherapie, Infiltrationen oder auch eine große Kniebandage sehr effektiv. Diese ermöglicht ein effektives Muskelzusammenspiel ähnlich wie beim Taping.

Wie Tilscher weiter ausführt, sind sowohl durch den Einsatz von Trockennadeln als auch durch Akupunktur „ausgezeichnete“ Erfolge zu erzielen. Ebenso leisteten Heilgymnastik, spezielle Übungen und passendes Schuhwerk einen entscheidenden Beitrag. Jedoch: Bei einem akuten Unfall wie zum Beispiel bei einem Meniskusriss oder einem Seitenbandriss „muss jedenfalls operiert werden“, betont Tilscher.

Wann ist eine Operation indiziert? Gäbler dazu: „Diese Frage stellt sich dann, wenn mit der Operation ein besseres Ergebnis zu erwarten ist.“ Somit werde die Indikation „immer individuell“ gestellt. Jedoch müsse ein Meniskusriss operiert werden, wenn er symptomatisch ist und vor allem dann, wenn die Gefahr besteht, dass dadurch Knorpelschäden entstehen könnten. Voraussetzung ist allerdings, dass sich der Meniskus in einer Lokalisation befindet, die es ermöglicht, dass möglichst schonend reseziert oder genäht werden kann. So werde ein Horizontalriss üblicherweise nicht operiert. Bei Kreuzbandrissen favorisiert Gäbler die „All Inside Technik“ – eine schonende, mit wenig Schmerzen und geringerem Operationsrisiko verbundene Methode. Die arthroskopische Gelenktoilette bei Knieschmerzen im Alter bewertet Gäbler als „absolut sinnlos“; sie sei bei Menschen, die an Arthrose leiden, nicht indiziert. Der Fokus der Therapie liege auf der konservativen Behandlung. Führt diese nicht zum erwünschten Erfolg, müsse an einen Gelenksersatz gedacht werden.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 15-16 / 15.08.2016