Fruktoseintoleranz: Oft in Kombination mit Histamin-Intoleranz

15.12.2016 | Medizin

Als häufigste Nahrungsmittelunverträglichkeit kann Fruktoseintoleranz kann neben klassischen Symptomen wie Durchfällen, Krämpfen und Blähungen auch Ursache von depressiven Verstimmungen sein. Fruktoseintoleranz kommt häufig bei Menschen, die an Reizdarmsyndrom leiden, vor und ist nicht so eindeutig zu erkennen wie eine Laktoseunverträglichkeit. Von Verena Isak

Während Patienten mit Laktoseunverträglichkeit oft schon die Diagnose selbst vermuten, da Symptome wie Bauchschmerzen, Blähungen beziehungsweise ein Blähbauch, Durchfälle und Krämpfe nach dem Konsum von Milch und Milchprodukten auftreten, und durch Weglassen derselben besser werden, ist eine Fruktoseintoleranz nicht so klar erkennbar, da Fruktose in vielen verschiedenen Nahrungsmitteln enthalten ist, u.a. in Fruchtsäften, Marmeladen, Honig, aber auch in Knoblauch und Zwiebel.

Der bereits defekte Fruktose-Transporter im Dünndarm, GLUT5, wird außerdem durch Sorbit gehemmt, was zu einer Fruktose- Malabsorption beiträgt. Sorbit, ein Zuckeraustauschstoff, der u.a. in Birnen und Zwetschken enthalten ist, ist außerdem ein Inhaltsstoff von „zuckerfreien“ Produkten wie Bonbons, Kaugummis oder Diabetikerprodukten. Glukose hingegen kann den GLUT5-Carrier anregen: „Saccharose besteht 1:1 aus Glukose und Fruktose und ist dadurch gut resorbierbar und verträglich“, erklärt Univ. Prof. Harald Vogelsang von der Universitätsklinik für Innere Medizin III der Medizinischen Universität Wien.

Neben Blähungen/einem Blähbauch, Völlegefühl, Krämpfen und Durchfall oder auch Verstopfungen können Patienten mit einer Fruktose-Unverträglichkeit noch weitere Symptome aufweisen: „Ein Heißhunger auf Süßes oder fallweise depressive Verstimmungen sind typisch für eine Fruktoseintoleranz. Manche Patienten bekommen Antidepressiva verschrieben, obwohl sie eigentlich unter einer Fruktosemalabsorption leiden“, erklärt Univ. Prof. Reinhart Jarisch vom Allergiezentrum Floridsdorf in Wien. „Speziell die Durchfälle können blitzartig auftreten.“ Vogelsang ergänzt: „Blutige Stühle, Gewichtsverlust oder Laborveränderungen kommen bei Nahrungsmittelunverträglichkeiten nicht vor.“ Diese „red flags“ deuten auf eine andere, mitunter schwere Erkrankung hin, und müssen daher unbedingt abgeklärt werden.

Diagnose mittels H2-Atemtest

Diagnostiziert werden sowohl die Laktose- als auch die Fruktosemalabsorption mittels H2-Atemtest. Dabei trinkt der Patient nach einer Nahrungskarenz von etwa zwölf Stunden eine Testlösung mit Fruktose beziehungsweise Laktose. Danach wird in 15- bis 30-minütigen Abständen über drei Stunden hindurch der Wasserstoffgehalt in der ausgeatmeten Luft gemessen. Eine Erhöhung des Wasserstoffgehalts entsteht dadurch, dass der im Dünndarm nicht resorbierte Zucker von Bakterien im Dickdarm fermentiert wurde, wobei Wasserstoff entsteht, der dann ins Blut diffundiert und so über die Lunge wieder abgeatmet wird. Wird auf beide Unverträglichkeiten getestet, muss das an zwei verschiedenen Tagen passieren. „Man sollte sich austesten lassen und nicht selbst herumprobieren“, betont Jarisch.

Wird eine Laktoseintoleranz festgestellt, sollte auf laktosefreie Milchprodukte umgestiegen werden. Aber: „Hartkäse und Butter enthalten fast keine Laktose, das ist viel mehr ein Werbegag“, sagt Vogelsang. Bei einer Fruktoseunverträglichkeit sollte für zwei bis drei Wochen eine fruktosefreie Diät eingehalten werden. Danach kann wieder Obst mit geringem Fruktosegehalt in kleinen Portionen gegessen werden. Außerdem gibt es Laktase- beziehungsweise Xylose-Isomerase-Kapseln. Letzteres Enzym wandelt Fruktose in Glukose um, sodass es im Darm aufgenommen werden kann.

Zwar ist die Laktoseintoleranz die bekannteste der Nahrungsmittelunverträglichkeiten, allerdings kommt sie seltener vor als Histamin- oder Fruktoseintoleranz. „Rund fünf Prozent leiden unter einer Laktoseunverträglichkeit, bei Fruktose sind es zehn bis maximal 15 Prozent“, schätzt Univ. Prof. Felix Wantke, ebenfalls vom Allergiezentrum Floridsdorf in Wien. „Hochtechnisierte Länder haben höhere Prävalenzen, weil Fruktose Speisen hinzugefügt wird.“ Dabei ist die Dosis beim H2-Atemtest relevant: „Normalerweise werden 25 Gramm Fruktose verwendet. Würde die Dosis auf 50 Gramm verdoppelt werden, würde bei rund 50 Prozent eine Fruktosemalabsorption diagnostiziert werden“, erklärt Vogelsang.

Die Zuweisungen wegen des Verdachts auf Nahrungsmittelunverträglichkeiten sind den Aussagen der Experten zufolge in den letzten Jahren im Steigen. Bei der Laktoseintoleranz ist ein Nord-Süd-Gefälle zu beobachten, mit wesentlich mehr Betroffenen in Afrika und Asien, als etwa in Skandinavien. Da die Persistenz des Enzyms Laktase in der Darmschleimhaut genetisch veranlagt ist, bleibt die Prävalenz konstant. Beide Geschlechter sind gleich häufig betroffen, allerdings gibt es mehr weibliche als männliche Patienten, da Frauen wegen dieser Beschwerden häufiger zum Arzt gehen.

„Eine Fruktoseunverträglichkeit tritt oft in Kombination mit einer Histaminintoleranz auf, eine Laktoseintoleranz meistens isoliert“, erklärt Jarisch. Außerdem findet sich eine Fruktosemalabsorption sehr häufig bei Patienten mit Reizdarmsyndrom. In einer randomisierten, doppelblinden Studie, die am Allergiezentrum Floridsdorf durchgeführt wurde, erhielten mehr als 200 Patienten mit Reizdarmsyndrom randomisiert für drei Wochen entweder eine laktose- oder fruktosefreie Diät. Dabei zeigte sich einerseits, dass mehr als 80 Prozent zusätzlich zum Reizdarmsyndrom eine Fruktoseintoleranz hatten sowie knapp 40 Prozent eine Laktoseunverträglichkeit. Eine signifikante Besserung der Symptome konnte nicht nur bei Einhaltung der jeweilig entsprechenden (richtigen) Diät erzielt werden, sondern auch, wenn die „falsche“ Diät befolgt wurde. „Dass auch die falsche Diät hilft, zeigt, wie sehr die Psyche einen Einfluss auf den Gastrointestinaltrakt hat“, interpretiert Jarisch die Ergebnisse. Und weiter: „Es gibt Milliarden Bakterien, unser Wissen ist daher noch unvollständig.“

„Beschwerden im Mund wie Brennen oder Jucken kommen bei einer Malabsorption nicht vor und sind Symptome einer Allergie“, stellt Wantke fest. Eine echte Lebensmittelallergie allerdings ist selten und betrifft hauptsächlich Kinder bis zum sechsten Lebensjahr, ergänzt Jarisch. Bei Erwachsenen hingegen sind Kreuzreaktionen häufig: „Birkenpollenallergiker können auf Kernobst reagieren. Bei einer Beifußallergie kann der Verzehr von Mangos oder Kiwis zu heftigen Reaktionen führen“, führt Wantke einige Beispiele an.

Weitere mögliche Differentialdiagnosen sind Gastritis, eine Hiatushernie, chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa, gynäkologische Probleme oder auch Zölia-kie. Letztere kann auch symptomlos verlaufen oder sich mittels Bauchschmerzen präsentieren, ist aber mit einer Prävalenz von 1:100 eine seltene Erkrankung und wird mittels Serummarker wie Endomysium- oder Transglutaminase-Antikörper und einer Gastroskopie diagnostiziert.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 23-24 / 15.12.2016