Management dyspeptischer Beschwerden: Die Indikation muss stimmen

25.03.2016 | Medizin

Um ganz konkrete Indikationen geht es bei der Ulkusprophylaxe bei der Behandlung mit NSAR, ASS, Plavix und SSRI. So erhöht sich beispielsweise bei einer dualen Plättchenhemmung mit ASS und Clopidogrel das Risiko einer gastrointestinalen Blutung um das Siebenfache.Von Irene Mlekusch

Völlegefühl, Blähungen, Aufstoßen, Sodbrennen, Übelkeit und Oberbauchschmerzen sind häufig der Grund, wieso ein Arzt aufgesucht wird. „Die Patienten klagen über Magenschmerzen“, sagt Univ. Prof. Heinz Hammer von der Klinischen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie an der MedUni Graz. Er mahnt zur Vorsicht, da Patienten unter Umständen bei der Organzuteilung ihrer Beschwerden nicht zwischen Magen und Bauch unterscheiden. Somit kommt der sorgfältigen Anamnese noch vor allen anderen Diagnosemodalitäten eine entscheidende Bedeutung zu. Fragen nach Art und Dauer der Beschwerden, extraintestinalen Begleitsymptomen und die Medikamentenanamnese erleichtern die zielgerichtete Diagnostik.

Indikation für Gastroskopie

Die Indikation zur Gastroskopie wird in Abhängigkeit vom Beschwerdebild gestellt. Univ. Prof. Clemens Dejaco von der Klinischen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie an der Universitätsklinik für Innere Medizin III in Wien, meint, den Patienten in jedem Fall zu fragen, ob er bereits einmal eine endoskopische Untersuchung hatte und falls ja, wie lange diese zurück liegt. „Liegen Warnsymptome wie Schluckbeschwerden, plötzlich auftretende starke oder nächtliche Oberbauchschmerzen, rezidivierendes Erbrechen oder Melaena, Alter über 50 Jahre, ein auffälliges Labor, eine positive Familienanamnese hinsichtlich Malignom oder eine B-Symptomatik vor, ist eine Gastroskopie auf alle Fälle angezeigt”, bestätigt Dejaco.

Die Entnahme von Biopsien dient der Differentialdiagnose einer vorliegenden Gastritis, vor allem aber dem Ausschluss von Tumoren beziehungsweise Tumorvorstufen, dem Zollinger-Ellison-Syndrom oder seltenen spezifischen Ursachen wie zum Beispiel Morbus Crohn des Magens und Duodenums oder eosinophiler Ösophagitis/Gastroenteritis. Der Nachweis einer Infektion mit Helicobacter pylori kann ebenfalls über eine Biospie erfolgen, aber auch im Schnelltest oder mit nicht- invasiven Methoden wie Harnstoff-Atemtest, Stuhl-Antigentest oder Antikörpernachweis im Serum. Hammer ist der Meinung, dass in Österreich im internationalen Vergleich zu häufig gastroskopiert wird.

Untersuchungen wie das Magenröntgen sind Dejaco zufolge heute weitgehend obsolet, da mittels Gastroskopie bereits viele diskrete Veränderungen an der Schleimhaut detektiert werden können. „Ein auffälliges Magenröntgen bedingt somit eine nachfolgende Gastroskopie“, folgert Dejaco. Und weiter: „Ein unauffälliges Röntgen schließt eine Erkrankung oder Tumorvorstufen aber nicht aus.“

Säure-assoziierte Erkrankungen wie die gastroösophageale Refluxkrankheit, Ulkuserkrankungen, Helicobacter pylori-Eradikation und das Zollinger-Ellison-Syndrom stellen ebenso eine Indikation für die Behandlung mit Protonenpumpenhemmern (PPI) dar wie die Ulkusprophylaxe bei einer indizierten Therapie mit NSAR oder Thrombozytenaggregationshemmern und die funktionelle Dyspepsie. „Junge Patienten mit Dyspepsie und normalem Labor können auch ohne Gastroskopie eine probatorische PPI-Therapie für eine Woche erhalten“, sagt Dejaco. In vielen Fällen ist mit einer derartigen Behandlung eine rasche Besserung der Beschwerden zu erreichen. Aufgrund der sinkenden Durchseuchung mit Helicobacter pylori ist vor einer begleitenden Eradikation der Nachweis der Infektion zu erbringen. Zur Behandlung der Refluxkrankheit werden die PPI als Akut- oder Erhaltungstherapie verabreicht und je nach Beschwerdeintensität als Bedarfs- oder Dauermedikation eingesetzt.

ASS als Dauermedikation: Ulkusprophylaxe mit PPIs

Da die Einnahme von ASS das Risiko einer gastrointestinalen Blutung dosisabhängig um den Faktor zwei bis drei erhöht, wird bei der Dauermedikation mit ASS zur Ulkusprophylaxe bei Risikopatienten die Verabreichung von PPIs empfohlen. Hammer dazu: „Der Ausdruck Magenschoner sollte vermieden werden, denn in der Ulkusprophylaxe geht es um konkrete Indikationsstellungen in Bezug auf die Behandlung mit NSAR, ASS, Plavix und SSRI und somit darum, Todesfälle durch Blutungen zu vermeiden.“ Bei der dualen Plättchenhemmung mit ASS und Clopidogrel erhöht sich das Risiko einer gastrointestinalen Blutung sogar um das Siebenfache. Hammer geht davon aus, dass viele Patienten, die keine PPI brauchen, sie erhalten und andere wiederum, welche die Medikation bräuchten, nicht bekommen. „Bei der richtigen Indikation dauerhaft angewendet, verbessern PPI die Lebensqualität der Patienten und verhindern Komplikationen wie Blutungen oder Ösophagusstenosen”, fasst der Experte zusammen.

Der unkritische Einsatz von PPI über einen längeren Zeitraum rückt potentielle Nebenwirkungen in den Vordergrund der Diskussionen. „Die FDA sieht derzeit nur ein gering erhöhtes Risiko für Osteoporose und osteoporotisch bedingte Frakturen bei Patienten mit PPI-Langzeittherapie bei Refluxkrankheit“, führt Hammer aus. Des Weiteren wird die verminderte Wirkung von Clopidogrel bei gleichzeitiger Verabreichung von PPIs untersucht.

Bisher wird den Patienten daher eine zeitversetzte Einnahme um zwölf bis 15 Stunden empfohlen und im Fall eines niedrigen gastrointestinalen Risikoprofils in Kombination mit einem hohen oder sehr hohen kardiovaskulären Risiko von der Einnahme von PPIs abgeraten. Außerdem weisen Studien auf eine Zusammenhang zwischen der Einnahme von PPIs und gastrointestinalen Infekten vor allem mit Salmonellen, Campylobacter oder Clostridium difficilie sowie ambulant erworbenen Pneumonien hin. Betroffen sind vor allem Risikogruppen wie ältere oder immunsupprimierte Patienten, Kinder und Patienten mit fortgeschrittener Leberzirrhose.

Auswirkungen von PPIs auf Vitamin B12, Vitamin C, Eisen und Magnesium wurden ebenfalls untersucht, scheinen aber moderat und klinisch nicht relevant zu sein. Die Kontrolle von vor allem älteren Risikopatienten kann individuell angezeigt sein. Für ein erhöhtes Malignomrisiko unter der Langzeittherapie mit PPIs wurde bislang ebenfalls keine Evidenz gefunden. Dagegen wurde in den letzten Jahren nachgewiesen, dass verdauungslabile Nahrungsbestandteile unter der Einnahme von PPIs durch die eingeschränkte Proteolyse im Magen zu potenten Allergenen werden können. Hammer stellt all diesen potentiellen Nebenwirkungen gegenüber, dass „Dank der PPIs” seit den 1990er Jahren die peptischen Stenosen deutlich abgenommen hätten und chirurgische Eingriffe bei langstreckiger Refluxösophagitis sehr selten geworden seien. „Für die Kurzzeittherapie spielen mögliche Nebenwirkungen keine Rolle“, so Hammer, den alternativ oder in Kombination mit PPI komme nun auch Alginat zum Einsatz. „Letzteres verhindert lediglich das Aufsteigen der Magensäure und kann vor allem beim Ausschleichen der PPIs unterstützend eingesetzt werden“, so der Experte.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 6 / 25.03.2016