Arzt-Pati­en­ten-Gespräch: Das zen­trale Element

10.09.2016 | Medizin

Für den Pati­en­ten stellt die Bezie­hung zum behan­deln­den Arzt das zen­trale Ele­ment beim Arzt­be­such dar. Mit pro­fes­sio­nel­ler Gesprächs­füh­rung und dem Ein­satz von „Soft Skills“ kann die Zufrie­den­heit auf bei­den Sei­ten gestei­gert wer­den. Bei der Psy­cho­the­ra­pie­wo­che 2016, die heuer ihr 25-jäh­ri­ges Jubi­läum begeht, befasst sich ein Semi­nar mit den Grund­la­gen der Kom­mu­ni­ka­tion. Von Mar­lene Weinzierl

Wäh­rend des Stu­di­ums und in der prak­ti­schen Aus­bil­dung ler­nen Ärz­tin­nen und Ärzte Befunde zu inter­pre­tie­ren, Dia­gno­sen zu stel­len, The­ra­pien ein­zu­lei­ten und The­ra­pien zu beglei­ten. „Wie wir jedoch auf pro­fes­sio­nel­ler Ebene mit dem Pati­en­ten in Kon­takt sind, ihn so wie Bal­int sagt, ‚dort abho­len, wo er sich befin­det’, ist dabei lei­der ins Hin­ter­tref­fen gera­ten“, lau­tet das Resü­mee von Albert Wörtl, Fach­arzt für Psych­ia­trie und psy­cho­the­ra­peu­ti­sche Medi­zin in Salz­burg. Bei der Aus­bil­dung jun­ger Ärzte werde auf Fach­kom­pe­tenz und wis­sen­schaft­li­che Inhalte der Medi­zin gro­ßen Wert gelegt, dabei komme jedoch das Wis­sen dar­über, wie man mit den Sor­gen und Hoff­nun­gen der Pati­en­ten umgeht, „lei­der zu kurz“, meint der Lei­ter des PPP-Refe­rats der Ärz­te­kam­mer Salzburg.

Um den Umgang mit Pati­en­ten auf der Bezie­hungs­ebene auf eine pro­fes­sio­nelle Basis zu brin­gen, wid­met sich das ÖÄK-Diplom „Psy­cho­so­ziale Medi­zin“ im Sep­tem­ber 2016 im Rah­men der Psy­cho­the­ra­pie­wo­che in Bad Hof­gas­tein unter ande­rem der Arzt-Pati­en­ten-Bezie­hung und den Grund­la­gen der Kom­mu­ni­ka­tion unter der Lei­tung von Albert Wörtl.

Unter­su­chun­gen zufolge erlebt der Pati­ent die Bezie­hung zum behan­deln­den Arzt als das zen­trale Ele­ment beim Arzt­be­such. Wäh­rend des Stu­di­ums liegt – so Wörtl – der Fokus auf Objek­ti­vi­tät als wich­tigs­tem Bestand­teil von Dia­gnose und The­ra­pie. Der Arzt lernt, Sub­jek­ti­ves als stö­rend oder nicht rele­vant wahr­zu­neh­men und Empa­thie bis zu einem gewis­sen Grad zurück­zu­drän­gen. Für eine erfolg­rei­che Behand­lung sei es jedoch wich­tig, meh­rere Aspekte in den Aus­sa­gen von Pati­en­ten „mit­zu­le­sen“ sowie ver­bale und non­ver­bale Signale pro­fes­sio­nell ein­ord­nen zu kön­nen. Dies gilt ebenso für die Gegen­über­tra­gung, wie Wörtl betont: „Gele­gent­lich auf­tre­tende nega­tive Emo­tio­nen, die ein Pati­ent beim Arzt aus­löst, kön­nen wie ‚Labor­be­funde‘ betrach­tet und dazu genützt wer­den, das Ver­trau­ens­ver­hält­nis zwi­schen Arzt und Pati­ent zu stärken.“

Der Umgang mit ver­schie­de­nen For­men der Gesprächs­füh­rung kann geübt wer­den. Dies gilt auch für beson­ders her­aus­for­dernde Situa­tio­nen wie die Ver­mitt­lung von schlech­ten Nach­rich­ten oder den Umgang mit for­dern­den oder aggres­si­ven Pati­en­ten. Wörtl: „Mit einem Zuge­winn an Sicher­heit in der Kom­mu­ni­ka­tion mit Pati­en­ten steigt nicht nur die Zufrie­den­heit von Arzt und Pati­ent. Auch konnte eine prä­ven­tive Wir­kung im Hin­blick auf den Behan­deln­den nach­ge­wie­sen wer­den.“
 
Infor­ma­tio­nen gezielt abfragen

Im Anschluss an den Spon­tan­be­richt des Pati­en­ten sollte der Arzt bei­spiels­weise in einem Lenk­be­richt gezielt Infor­ma­tio­nen abfra­gen, die nicht nur die Sym­pto­ma­tik, son­dern auch das Erle­ben des Pati­en­ten und seine Theo­rie zur Sym­pto­ma­tik betref­fen („auto­gene Krank­heits­theo­rie“). Zwei Ebe­nen wer­den dabei laut Wörtl immer mit­ge­le­sen. Auf der Inter­pre­ta­ti­ons­ebene stellt sich die Frage: „Was bedeu­tet das für mich als Arzt?“. Die Meta-Inter­pre­ta­tion hin­ge­gen beschäf­tigt sich mit der Frage: „Was bedeu­tet das für den Pati­en­ten?“ – diese ist für den Behan­deln­den anfangs nicht so leicht zugäng­lich. „Für Gesprä­che gibt es aller­dings rela­tiv ein­fa­che Tech­ni­ken, soge­nannte ‚Soft Skills‘, um die Arzt-Pati­en­ten- Bezie­hung zu ver­bes­sern“, sagt Wörtl. Hilf­reich sei das WWSZ-Schema: War­ten, Wie­der­ho­len, Spie­geln und Zusam­men­fas­sen (siehe Kasten).

„Aus der Neu­ro­bio­lo­gie weiß man, dass Worte sehr wirk­same Waf­fen sind, die große Hilfe dar­stel­len und sozu­sa­gen ‚hei­len‘, auf der ande­ren Seite aber auch schwere Trau­ma­ti­sie­run­gen her­vor­ru­fen kön­nen“, wie Wörtl unter­streicht. Das Risiko wachse mit dem Stress des Pati­en­ten: „Je schlech­ter die zu über­mit­telnde Nach­richt und je irri­tier­ter der Pati­ent ist, umso mehr Fein­ge­fühl und Vor­sicht sind gebo­ten.“ Ins­be­son­dere bei der Ver­mitt­lung von Befun­den bös­ar­ti­ger Erkran­kun­gen bestehe eine starke Dis­kre­panz zwi­schen dem Wunsch des Arz­tes auf­zu­klä­ren und sich recht­lich abzu­si­chern und der mas­si­ven Angst oder Ver­un­si­che­rung des Pati­en­ten. Wäh­rend der Arzt alle not­wen­di­gen objek­ti­ven Infor­ma­tio­nen wei­ter­gibt, stellt der Pati­ent eigene Asso­zia­tio­nen zu den im Gespräch gefal­le­nen Begrif­fen wie zum Bei­spiel „Krebs“ oder „Lebens­er­war­tung“ her. Somit ver­deut­li­chen u.a. diese Fak­to­ren – neben zahl­rei­chen ande­ren –, dass beson­ders auf die Würde und den Respekt gegen­über dem Pati­en­ten geach­tet wer­den muss.

WWSZ-Schema

War­ten: Im Durch­schnitt wird der Pati­ent nach 22 Sekun­den Spon­tan­be­richt vom Arzt unter­bro­chen. Dadurch fin­det er kaum Gele­gen­heit, über seine sub­jek­tive Krank­heits­theo­rie oder sein emo­tio­na­les Erle­ben zu sprechen.

Wie­der­ho­len: Durch das Wie­der­ho­len des letz­ten Sat­zes oder der letz­ten wich­ti­gen Infor­ma­tion wird der Pati­ent zum Wei­ter­spre­chen ermutigt.

Spie­geln: Damit sich der Pati­ent auch abseits von Sym­ptom­schil­de­run­gen ver­stan­den fühlt, ist das Anspre­chen der Emo­tio­nen, die man am Pati­en­ten erlebt, hilf­reich („Das macht Ihnen große Angst?“).

Zusam­men­fas­sen: Mit einer Zusam­men­fas­sung des bis­her Erfah­re­nen durch den Arzt erhält der Pati­ent die Mög­lich­keit, Miss­ver­ständ­nisse anzu­spre­chen und zu klären.

Psy­cho­the­ra­pie­wo­che: Die Entstehung

Rund um die Ent­ste­hung des Psy­cho­the­ra­pie­ge­set­zes im Jahr 1991 fasste Sieg­fried Odehnal, der­zei­ti­ger Prä­si­dent der Aka­de­mie für Psy­cho­the­ra­peu­ti­sche Medi­zin, den Ent­schluss, eine spe­zi­elle Ver­an­stal­tung für Ärz­tin­nen und Ärzte ins Leben zu rufen, um psy­cho­the­ra­peu­ti­sches Wis­sen zu ver­mit­teln. Im Gespräch mit Gün­ther Bartl, mit dem der schon jah­re­lang bei der Orga­ni­sa­tion von psy­cho­the­ra­peu­ti­schen Semi­na­ren zusam­men gear­bei­tet hatte, ent­stand der Titel „Psy­cho­the­ra­pie­wo­che“. Die erste Ver­an­stal­tung in die­sem neuen For­mat fand – damals mit 145 Teil­neh­mern – im Jahr 1992 statt.

Psy­cho­the­ra­pie­wo­che 2016

Psy­cho­so­ziale, Psy­cho­so­ma­ti­sche, Psy­cho­the­ra­peu­ti­sche Medizin

17. bis 23. Sep­tem­ber 2016, Bad Hofgastein

The­men­aus­zug: Belas­tung, Stress, Trauma; ÖÄK-Diplom – Bio­gra­phi­sche Ana­mnese und bio-psycho-sozia­les Krank­heits­mo­dell; Balintgruppe

www.psychotherapiewoche.at

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 17 /​10.09.2016