Ärztetage Velden: Multitasking – nur eingeschränkt möglich

25.06.2016 | Medizin


Multitasking ist nur möglich, solange zwei Tätigkeiten einfacher Natur ablaufen. Mit zunehmender Komplexität steigt auch die Fehleranfälligkeit. Details dazu gibt es bei einem Vortrag im Rahmen der diesjährigen Ärztetage in Velden Ende August.

Von Christina Schaar

Bei Aufmerksamkeitsfunktionen spielen die Aufmerksamkeitsaktivierung, die langfristige und dauerhafte, die selektive und die geteilte beziehungsweise räumliche Aufmerksamkeit eine entscheidende Rolle. „In all diesen Funktionen können subjektive Beschwerden vorliegen“, erklärt Ao. Univ. Prof. Ulrike Willinger von der Universitätsklinik für Neurologie am Wiener AKH. Liegen etwa Beschwerden beruflicher oder nicht beruflicher Natur vor (wie zum Beispiel Probleme des Gedächtnisses, Treffen von Entscheidungen), so werden diese unterschiedlich in Hinblick auf basale und höhere kognitive Funktionen untersucht und somit auch professionell abgeklärt. Ob und inwiefern Multitasking möglich ist, damit befasst sich ein Vortrag mit dem Thema „Aufmerksamkeit und Konzentration“ bei den diesjährigen Ärztetagen in Velden.

Verschiedene Messmethoden

Anhand einfacher und komplexer Aufgaben im Rahmen von Computertests sind Wahrnehmungsbeispiele mit dem Fokus auf Daueraufmerksamkeit zu bewältigen. Ein Test zur Überprüfung der gesamten Aufmerksamkeit dauert rund eineinhalb Stunden. Die weiteren Tests sind individuell unterschiedlich; meist sind dafür zwei bis drei weitere Termine erforderlich. Ziel der Überprüfung ist, im Rahmen der Testsituation unterschiedliche Bereiche von Aufmerksamkeitsfunktionen zu beobachten, zu untersuchen und Stärken durch eine entsprechende Förderung auszubauen. Die Evaluierung der neuropsychologischen Förderung findet erst bei weiteren Kontrolluntersuchungen statt.

Grundsätzlich verläuft die neuropsychologische Diagnostik immer nach einem vorgegebenen Schema, wobei bei Kindern und älteren Menschen Pausen eingeplant werden. „Ganz generell zeigt sich bei Kindern die Testsituation in abwechslungsreicher, spielerischer und relativ unkomplizierter Weise“, berichtet Willinger aus der Praxis.

Sind Frauen besser im Multitasking? Dazu die Expertin: „Neurowissenschaftlichen Ergebnissen zufolge haben Frauen eine andere neuronale Aktivierung von Netzwerken bei der Bearbeitung der gleichen Aufgabe“. Sie führt dazu folgendes Beispiel an: Man benötigt eine wichtige Information von einem Experten, die noch dazu zu bezahlen ist (wobei man sich vorstellen müsste, welcher der maximale Betrag wäre und auch die Tatsache, dass eine zusätzliche Stunde nötig sei), erwartet man gleichzeitig ein wichtiges E-Mail in einer anderen nicht so geläufigen Sprache. Dieses muss verstanden und richtig beantwortet werden, da sehr viel davon abhängt. Wird man in dieser Situation im Gespräch mit dem Experten gleichzeitig das dringend benötigte E-Mail abrufen, lesen und beantworten und wenn ja: Wie hoch wäre die Wahrscheinlichkeit, die Information zu verstehen und wie groß wäre die Wahrscheinlichkeit, das E-Mail zu verstehen und zu beantworten?

Erhöhte Fehleranfälligkeit

Die Lösung: Es ist nicht möglich. Multitasking ist so lange möglich, solange zwei Tätigkeiten einfacher Natur, die man trainieren kann, ablaufen. Ansonsten wird die Tätigkeit fehleranfällig. Entscheidend ist dabei, ob zwei oder mehrere geistige Tätigkeiten durchgeführt werden können, ohne dabei Fehler zu machen und sich auch nicht zu überschätzen. „Fehlerfreies Arbeiten ist ein Muss“, betont Willinger. Demzufolge gehe es ihrer Ansicht nach bei Multitasking auch um den eigenen Anspruch an die Leistung und den verantwortlichen Umgang damit.

Aufmerksamkeit immer individuell

Oft werden sehr hohe Erwartungen an die eigene Person in Hinblick auf zu erbringende Leistungen gestellt, welche sich im Vergleich mit anderen oft als durchschnittlich, über-, oder auch unterdurchschnittlich erweisen. Auch Studierende sind häufig davon betroffen, da sie – von einer Art Perfektionismus getrieben – bei nur durchschnittlicher Leistung darunter leiden. Willinger dazu: „Zusammen mit dem Betroffenen wird überlegt, was zu Hause geübt werden kann, um die Arbeitssituation besser zu gestalten.“

Betrachtet man die unterschiedlichen Aufmerksamkeitsfunktionen über einen längeren Zeitraum, stellt man fest, dass die basalen Funktionen sehr lange stabil sind und erhalten bleiben. Die Informationsgeschwindigkeit wird etwa ab 60, 70 Jahren langsamer – was jedoch nicht bedeutet, dass sie schlechter wird. Ältere Menschen besitzen ein besseres Langzeitgedächtnis im Vergleich zum Kurzzeitgedächtnis. Für die Aufmerksamkeit ist jedoch entscheidend, ob man sie trainiert oder nicht. Dies kann einfach geübt werden: beispielsweise mit dem Lesen eines Buches oder auch beim Versuch, bei einer Tätigkeit zu verweilen. Treten plötzlich subjektive Beschwerden oder bis dahin nicht vorhandene Beeinträchtigungen auf, muss den Aussagen der Expertin zufolge auf jeden Fall eine organische Abklärung im Rahmen einer ärztlichen neurologischen Untersuchung erfolgen.

Details zum Kongress
19. Ärztetage Velden
Termin: 21. bis 27. August 2016
Anmeldung und Information: www.arztakademie.at/velden