Fokus auf Eigenentwicklungen: Fokus auf Eigenentwicklungen

10.05.2015 | Wirtschaft

Durch Forschung und den Ausbau von eigenen Produktlinien neue Onkologika zur Marktreife zu führen, steht im strategischen Mittelpunkt der Roche-Gruppe. Die Schweizer erteilen Großfusionen eine Absage und sehen sich als Pionier des Originals.
Von Roman Steinbauer

Die Neubewertung des Schweizer Franken beeinträchtigte die Quartalsbilanz der Roche Holding AG nur gering. Durch Währungsrelationen bereinigt zeigt die Tendenz eindeutig weiter auf Wachstum. Der Umsatz legte in der gesamten Gruppe in den ersten drei Monaten des Jahres – inklusive des Diagnostika-Segments – weiter zu: um fünf Prozent auf 11,8 Milliarden Franken (11,5 Milliarden Euro). Die Dollar-Stärke glich den Einnahmenrückgang im Euroraum weitgehend aus. Die Bedeutung der Märkte verschob sich dabei für Roche zuletzt im Eiltempo. Die Erlöse in den USA beschleunigten sich um über 13 Prozent auf mehr als 4,4 Milliarden Franken und liegen damit bereits über dem doppelten Niveau von jenem von Europa. Ein solides Wachstum ist mit fünf Prozent ebenso in den Entwicklungsländern festzustellen. Japan und der alte Kontinent haben dagegen mit Einbußen von jeweils zehn Prozent bereits Spuren in der Bilanz hinterlassen. Hier wirken sich die nationalen Sparmaßnahmen vieler europäischer Staaten deutlich aus.

Drei Blockbuster

Die drei Blockbuster-Medikamente (Bezeichnung für Produkte, die für umgerechnet mindestens eine Milliarde US-Dollar Umsatz pro Jahr stehen; Anm.) der Schweizer Holding sind weiterhin auf dem Vormarsch. Bei den Anwendungsbereichen konnten die genehmigten Einsatzfelder vor allem für das seit elf Jahren am Markt befindliche Avastin ausgebaut werden. Von der Markteinführung als Behandlung bei Dickdarmkrebs erstreckt sich das Spektrum nun über mehrere Tumorarten bis hin zum Einsatz in bestimmten Fällen von Gebärmutterhalskrebs. Avastin ist wie die weiteren Umsatzträger und die ebenfalls für die onkologische Therapie (Lymphdrüsen) eingesetzten Präparate MabThera/Rituxan sowie Herceptin für jeweils mehr als sechs Milliarden Franken Umsatz pro Jahr verantwortlich.

In Europa ist für die beiden letztgenannten Produkte der Patentschutz zwar vor einem beziehungsweise zwei Jahren abgelaufen, doch sind Generika in diesen Fällen noch nicht auf den Märkten vertreten. Allerdings drängen diese schon als Kopien von Konkurrenzprodukten stärker in das Angebot. In den USA dagegen genießen diese Bestseller noch einen Patentschutz bis 2018 beziehungsweise bis 2019. Neben diesen etablierten Medikamenten ist Roche bei der Behandlung von Brustkrebs mit den neueren Produkten Kadcyla und Perjeta vertreten. Es ist allerdings noch nicht klar, ob sich diese „Nachfolger“ ähnlich stark etablieren können. Roche, das auch in den Geschäftsfeldern der Transplantationsmedizin, der Virologie und auf therapeutischen Gebieten eine wichtige Rolle spielt (entzündliche Erkrankungen sowie Stoffwechselkrankheiten), setzt nach wie vor stark auf die Eigenentwicklung weiterer Krebsmedikamente und forcierte zuletzt die Forschung bei der Behandlung von Blasen- und Lungenkrebs.

Keine weiteren Übernahmen

Den Aussagen des Vorstandsvorsitzenden Severin Schwan zufolge sind Großfusionen für die Roche Holding kein Thema mehr. Zukäufe in punktueller und ergänzender Hinsicht im kleineren Rahmen schließt der Österreicher dabei nicht aus. Doch war der Konzern bereits in den Vorjahren in spektakuläre Einverleibungen involviert, als für den Erwerb des US-amerikanischen Biotech-Unternehmen Intermune 8,3 Milliarden US-Dollar aufgebracht wurden.

Die herausforderndste Integration hatte das 1896 gegründete Unternehmen am Rhein mit der Komplettübernahme der kalifornischen Genentech im Jahr 2009 zu bewältigen. Um diesen Erwerb vervollständigen zu können, hatten die Schweizer für die restlichen 44 Prozent damals 47 Milliarden US-Dollar geboten. Die Verbindlichkeiten sind dementsprechend auf über einen Jahresumsatz der Holding gestiegen. Die Eigenkapitaldecke ist für ein Traditionsunternehmen mit entsprechender Geschichte nun mit 26 Prozent als relativ bescheiden anzusehen. Der Fokus soll laut Schwan nicht mehr von der Forschung und Entwicklung eigener Präparate abweichen. Aufgrund der steigenden Nachfrage nach immundiagnostischen Tests wurden außerdem die Kapazitäten vorangetrieben und aktuell im oberbayerischen Penzberg ein 200 Millionen Euro teures Produktionsgebäude in Betrieb genommen.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 9 / 10.05.2015