Apothekenketten in den USA: Mobiles Zahlungssystem als Achillesferse

10.10.2015 | Wirtschaft

Die drei führenden Apotheken-Handelsketten in den USA generieren einen jährlichen Umsatz von rund 60 Prozent der gesamten österreichischen Wertschöpfung im gleichen Zeitraum; die Transaktionsgebühren dieser drei börsennotierten Unternehmen liegen bei mindestens fünf Milliarden US-Dollar jährlich. Der Kampf um Positionierungen im Milliardenmarkt der Daten, Spesen und Provisionen markiert erst den Beginn einer neuen Ära. Von Roman Steinbauer

Der Ausschluss des Google-Wallet (online-Bezahlsystem von Google Inc.) und Apple-Pay Zahlungssystems durch die US-Apothekerketten Rite Aid und CVS sorgte im Vorjahr für Aufsehen. Zum Unterschied von Konsum-Handelsgrößen wie Wal-mart, Target, Best Buy oder Home Depot befinden sich die bedeutenden US-Apothekerunternehmen in einer noch viel stärkeren Position, selbst zu entscheiden, in welcher Form die Bezahlung der gekauften Artikel erfolgt. Denn der Kauf deren Produkte ist in diesem Segment zu einem wesentlich geringeren Teil durch Anreize angespornt als bei anderen Konsumgütern. Beim Einkauf in der Apotheke wird sich der Käufer wohl eher nach dem Zahlungssystem des Anbieters richten; nicht jedoch beispielsweise beim Kauf eines Sportartikels oder beim Friseur. Um eine Größenordnung für das Machtspiel des Zahlungsvorganges zu bekommen, nachfolgend eine Auflistung der Struktur der Apothekerketten und deren Produktvertriebsstärke in den USA.

Marktführer CVS Health Group – 1892 in Rhode Island gegründet – ist mit einem Umsatz von 140 Milliarden US-Dollar, mehr als 7.700 Einzelhandelsapotheken, 86 Gesundheitsstationen und 138.000 Angestellten der größte Anbieter von Medikamenten auf dem amerikanischen Kontinent und besonders in den östlichen Bundesstaaten konzentriert. Für die rasche Behandlung von kleineren Beschwerden und Schnelldiagnosen führt CVS zudem „Minutenkliniken“.

Gesundheitsdienstleistungen

Walgreens weist einen Jahresumsatz von 76 Milliarden US-Dollar aus, betreibt 8.207 Apotheken- und Drogerie-Filialen in allen 50 Bundesstaaten sowie in Kolumbien, Puerto Rico und den USamerikanischen Virgin Islands. Neben dem Vertrieb von Pharmazeutika werden Gesundheitsdienstleistungen vor Ort ebenso angeboten wie Kosmetika, Hygieneartikel, Haushaltswaren und biologische Lebensmittel. Bestellungen sind per Telefon und Internet mit Hilfe der insgesamt 370.000 Vollzeit-Beschäftigten möglich. – Zum Vergleich: Der weltgrößte industrielle Mischkonzern General Electric beschäftigt 305.000 Mitarbeiter; der global nach Volumen führende Autohersteller Toyota Motor hat 344.000 Angestellte.

Rite Aid ist mit 4.600 Einzelhandelsgeschäften in 31 Bundesstaaten vertreten. Neben Haushaltsprodukten werden Arzneien, Gesundheitsanalysen und ein Fitness-Coaching angeboten. Mehr als 51.000 Beschäftigte sind für einen Jahresumsatz von 26 Milliarden US-Dollar verantwortlich. Diese drei führenden Handelsketten generieren einen jährlichen Umsatz von rund 60 Prozent der gesamten österreichischen Wertschöpfung im genannten Zeitraum.

Zugriff auf Daten und Provisionen

„Apple Pay“ war in den Rite Aid- und CVS-Verkaufsläden schon seit dem Start des Systems im September 2014 implementiert; überraschenderweise wurde diese Möglichkeit zur Bezahlung im darauffolgenden Oktober wieder liquidiert. Der Schwenk von CVS und Rite Aid, ab sofort die alternative CurrentCPlattform zu forcieren und diesem System den Rücken zu stärken, kam rasch und abrupt. Dieses aus einer Initiative von Einzelhändlern gestartete Bezahlsystem – Merchant Customer Exchange, MCX – ist noch nicht voll ausgereift. Allerdings ist bei CurrentC die Marktdurchdringung ebenso noch kaum vorhanden. Abschlüsse mit anderen Handelsketten, dieses Zahlungssystem zu integrieren, zielen darauf ab, alle anderen Anbieter auszuschließen. – Ein Faktor, der in weiterer Folge aber ebenso mit einem Risiko behaftet ist und später Google und Apple die Türen wieder öffnen könnte.

Vorerst gibt es handfeste und auch logische Gründe, auf das Produkt zu setzen, das auf dem QR-Code-System basiert. Die Motivation ist in erster Linie, den Händler-Gebühren (Disagio) der Kreditkartenfirmen wie Visa und Mastercard zu entkommen und dazu selbst einen dauerhaft fließenden Anteil am Zahlungsverkehr – über die eigenen Umsätze in den Filialen – zu ergattern. Da die Händler über das Angebot „Apple-Pay“ mit weiteren 0,15 Prozent Abgabe des Umsatzes zu Gunsten des Technologie- Konzerns konfrontiert sind, liegt es nahe, sich von beiden finanziellen Belastungen – die zu einem Teil wiederum auf die Kunden abgewälzt werden – zu „befreien“. Hier geht es bei den derzeit variablen Sätzen und Transaktionsgebühren für die drei dominierenden, börsennotierten Unternehmen um nicht weniger als zumindest fünf Milliarden US-Dollar jährlich. Diese Gefechte um Positionierungen im Milliardenmarkt der Daten, Spesen und Provisionen markieren erst den Beginn einer neuen Ära.

Bezahlung: Etabliertes versus Modernes

Die Anwendungen von „Apple Pay“ und Google Wallet basieren nicht auf dem QR-Lesecode, sondern auf der NFCLösung (Near Field Communication). Dieser kontaktlose Austausch von Daten über kurze Strecken via Funktechnik kommt vor allem bei der bargeldlosen Zahlung von kleineren Beträgen zum Einsatz. Von der Handelskette Best Buy wird diese Zahlungsmethode bereits akzeptiert. Die rasche Abwicklung der Zahlung spielt auch hinsichtlich des in den USA üblichen „Drive thru“-Service eine große Rolle: Die Kunden sitzen im Auto, fahren bei der Abholung der Ware am Geldschalter vorbei und zahlen.

Mit dem CurrentC-System und dem QR-Lesercode ist jedoch generell jeder Kunde in der Lage zu bezahlen, ohne dass im Smartphone ein NFC-Chip integriert ist. Auch entfällt die Aufrüstung des Zahlungsterminals; lediglich eine Kameralinse ist erforderlich. Darüber hinaus können Konsumentenprofile angelegt werden.

Eine mindestens ebenso wichtige Rolle spielt in diesem Machtkampf das Privileg, die Einkaufsdaten abrufbereit zur Verfügung zu haben. Wer verwertet in Zukunft wie viel davon: Kreditkartenfirmen? Banken? Mobilfunkbetreiber? – Natürlich haben sie einen potentiell hohen Wert für die Handelsketten selbst wie etwa Kundenprofile, Bedarf, Kontrollfunktionen der Warensteuerung u.v.m. Über den Umgang mit diesen begehrten Informationen selbst lässt sich danach mit Behörden, Regierungen, Organisationen immer noch streiten. – Zunächst einmal gilt die Devise: mit dabei zu sein!

PayPal (ein Produkt der eBay Inc.), Apple Pay, CurrentC und weitere Anbieter haben seit diesem Jahr mit „Samsung LoopPay“ gewaltige Konkurrenz bekommen. Samsung Electronics hat kürzlich das Startup „LoopPay“ gekauft. Das Besondere an dieser Lösung: Hält man das Smartphone mit Hülle in die Nähe des Lesegeräts, sendet LoopPay die Informationen der Kreditkarten-Magnetstreifen drahtlos („Magnetic Secure Transmission“). Noch dazu funktioniert diese Möglichkeit der Bezahlung an herkömmlichen Kassen mit Magnet-Lesestreifen. Auch verzichten die Koreaner darauf, Gebühren für die Transaktionen einzuheben.

Standards bei der Bezahlung scheinen überhaupt weit entfernt zu sein. Es stellt sich auch die Frage: Welches Smartphone wird in Zukunft welches Zahlungssystem unterstützen?

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 19 / 10.10.2015