Standpunkt – Vize-Präs. Harald Mayer: Gesprächs-Kultur-Wandel

10.03.2015 | Standpunkt

© Zeitler

Wenn junge Kolleginnen und Kollegen, die nach Skandinavien ausgewandert sind, um dort ihre ärztliche Ausbildung zu machen, von ihren Erfahrungen berichten, erscheinen diese Ausführungen jungen Kolleginnen und Kollegen hierzulande wie Märchen aus 1001 Nacht.

Während es bei uns überwiegend überlastete, mit Bürokratie überhäufte und von Patienten fern gehaltene Jungärzte in Ausbildung gibt, sind die ins Ausland abgewanderten Jungkollegen schwer euphorisiert von den Arbeits- und Ausbildungsbedingungen, die sie dort vorfinden: der Stellenwert der Ausbildung ist ein enorm hoher, dementsprechend wird ihrer Qualität besondere Bedeutung beigemessen.

Schon von Beginn an wird den jungen Ärztinnen und Ärzten vermittelt, dass sie wichtig sind; die Hierarchien im Spital insgesamt sind flach, der Umgang miteinander respektvoll, Fragen sind ebenso wie kontroversielle Diskussionen ausdrücklich gewünscht. Überdies gewährleistet ein Mentoren-System, dass Ausbildung auch tatsächlich stattfindet. Und: Es herrscht auch ein Klima, das all das möglich macht.

Ich denke, dass die Ausbildung unserer jungen Kolleginnen und Kollegen entscheidend dafür ist, wie der Arbeitsalltag im Spital künftig aussehen wird. Aus diesem Grund hat die Kurie der Angestellten Ärzte der Ausbildung und den damit in Zusammenhang stehenden Fragen ihre diesjährige Klausur gewidmet.

Was in den skandinavischen Ländern überdies adäquat umgesetzt ist: die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen EU-Arbeitszeitrichtlinie. Das erfolgt in Österreich ja nun Zug um Zug. Hand in Hand damit muss auch eine marktkonforme und im Vergleich mit anderen Ländern wettbewerbsfähige Entlohnung gehen. Nur so ist sichergestellt, dass auch die österreichischen Spitäler Ärztinnen und Ärzten künftig eine interessante berufliche Perspektive bieten können.

Dass sich die diesbezüglichen Verhandlungen nicht immer einfach gestalten, liegt auf der Hand. Entscheidend ist – abgesehen von den da und dort auftretenden unterschiedlichen inhaltlichen Standpunkten – immer das Wie. Die Gesprächskultur, die Wahl der Worte, offenbart oft mehr die tatsächliche Haltung des Gegenübers als mitunter stundenlange Diskussionen. Wenn dann mangels Argumenten Drohungen eingesetzt werden, ist das immer eine bedenkliche Entwicklung. Kommt es im Extremfall gar dazu, dass Mitarbeitern verboten wird, in kritischen Phasen der Auseinandersetzung ihre Meinung zu äußern, ist das demokratiepolitisch jedenfalls ein Alarmsignal.

Denn es erweckt den Eindruck, dass die Expertise von uns Spitalsärztinnen und Spitalsärzten nicht erwünscht ist. All unsere Ideen und Lösungsvorschläge werden im Keim erstickt. Allerdings: Dieses Verhalten passt ganz generell zur derzeit kaum existenten Wertschätzung von uns Spitalsärzten als Leistungsträger. Aber man soll die Rechnung nie ohne den Wirt machen…

Harald Mayer
2. Vize-Präsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 5 / 10.03.2015