Standpunkt – Präs. Artur Wechselberger: Motivationsschub gefordert

25.02.2015 | Standpunkt

© Dietmar Mathis

Vielfältig mögen die Gründe sein, warum Absolventen des Medizinstudiums, aber auch fertig ausgebildete Ärztinnen und Ärzte, es vorziehen, ihren Arbeitsplatz ins Ausland zu verlegen oder ihre berufliche Zukunft außerhalb der Medizin zu suchen. Auch das sinkende Interesse an ausgeschriebenen Kassenstellen bei gleichzeitig ungebrochenem Trend zur wahlärztlichen Niederlassung mag multikausal sein.

Neben der Verdienstsituation wird aber unisono die Arbeitssituation im heimischen Gesundheitswesen und dessen Einrichtungen beklagt. Unzeitgemäße Strukturen, die berufliche Entfaltung behindern, aber auch Familienfeindlichkeit und hemmende Einflüsse aus Administration und Bürokratie treiben die Ärzte aus dem Versorgungssystem. Über all diesen Faktoren schwebt jedoch die oft als Zynismus empfundene Missachtung der überdurchschnittlichen Leistungsbereitschaft und des hohen persönlichen Einsatzes von Ärztinnen und Ärzten. Fehlende Wertschätzung ist wohl die durchgängigste Begründung der weit verbreiteten Arbeitsfrustration unseres Berufsstandes.

Dieser Zynismus war auch in vielen Reaktionen von Krankenhausträgern und dem jeweiligen Management spürbar, als die angestellten Ärzte sich gegen drohende Gehaltseinbußen zu wehren begannen. Offen – weil in den Jahren des Ärzteüberschusses verkümmert – präsentierte sich plötzlich das Führungsdefizit zur Motivation der ärztlichen Leistungsträger. Selbst dort, wo die Krankenhausträger einlenkten und Gesprächsbereitschaft zeigten, geschah dies wohl selten im Sinne der klassischen Motivationstheorien. Oft drängte sie eher die Angst vor dem Kollaps des Versorgungssystems und die damit möglichen persönlichen und politischen Konsequenzen an den Verhandlungstisch. Allerdings werden selbst die angebotenen und von den Ärzten akzeptierten Gehaltsverbesserungen langfristig nicht die Arbeitszufriedenheit bringen, die für eine anhaltend positive Entwicklung des Gesundheitswesens Voraussetzung ist. Bessere Gehälter sind nur ein Teil jener von Frederick Herzberg als Hygienefaktoren bezeichneten Voraussetzungen, um Arbeitsunzufriedenheit zu verhindern. Diesen Standardleistungen müssen, um Arbeitszufriedenheit zu schaffen, noch die als Motivatoren bezeichneten Faktoren folgen. Hierzu zählen etwa neben einer sinnvollen, von Administration befreiten ärztlichen Aufgabe etwa die Möglichkeit zur Eigeninitiative wie auch die Anerkennung für erbrachte Leistungen, aber auch das Angebot erstrebenswerter Karrieremöglichkeiten.

Die Führung der Krankenhäuser muss sich auch der vor über 50 Jahren von Douglas McGregor entwickelten Theorie Y besinnen, nach der Menschen gerne arbeiten. Allerdings müssen die organisatorischen Voraussetzungen vorhanden sein, damit sie in ihrer Arbeit initiativ Verantwortung übernehmen und kreativ ihr Potential ausschöpfen können. Dann werden sie auch ihren Ehrgeiz darauf verwenden, die Unternehmensziele, aber auch ihre persönlichen Ziele zu erreichen. Kooperativer Führungsstil, ausreichende Fortbildungsmaßnahmen und die konkrete Vermittlung der Unternehmensziele müssen das dafür notwendige Selbstverständnis und Selbstbewusstsein entwickeln und unterstützen. Selbstkontrolle und Selbstverantwortung müssen zudem ausgefeilte Kontrollsysteme ersetzen.

Sowohl Herzberg wie auch McGregor stützen sich in ihren Motivationstheorien auf Abraham Maslow, der in seiner humanistischen Philosophie das aktive Streben des Menschen nach einem erfüllten Leben, nach Anerkennung und Selbstverwirklichung in den Mittelpunkt stellt. In seiner Bedürfnispyramide finden sich deshalb Anerkennung und Wertschätzung als zentrale Motivatoren.

Motivierte Ärztinnen und Ärzte braucht unser Gesundheitssystem, um den steigenden Herausforderungen der Zukunft gerecht werden zu können. Es liegt an den politisch Verantwortlichen und an denen, die in der Gesundheitsverwaltung, in den Spitälern, aber auch bei den Sozialversicherungen führend tätig sind, diesen Motivationsschub zu erzeugen.

Artur Wechselberger
Präsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 4 / 25.02.2015