CIRSmedical – Fall des Monats: OP unter dualer Plättchenhemmung

25.11.2015 | Service

Ein Patient, der elektiv für eine Hüft-TEP vorgesehen ist, nimmt bis zum Aufnahmetag zur OP eine hochwirksame Plättchenhemmung. Zwei „Filterstationen“ waren erfolglos; erst die dritte bei der internistischen präoperativen Visite hat gegriffen, berichtet ein Arzt mit mehr als fünf Jahren Berufserfahrung.

Fallbeschreibung

Einem Patienten – er ist zwischen 61 und 70 Jahren – soll elektiv eine TEP-Hüfte implantiert werden. Neun Monate zuvor hatte er ein ACS und einen Drug-Eluting-Stent erhalten; eine Plättchenaggregationshemmung mit TASS 100 und Efient wurde eingeleitet. Der niedergelassene Internist hatte den Patienten für die elektive Operation innerhalb des ersten Jahres nach dem Stent freigegeben. Der Internist pausierte TASS 100; allerdings nicht Efient – und dieses im Freigabe-Brief als vorgeschriebenes Medikament angeführt. In der Prä-Anästhesieambulanz fällt ebenfalls nicht auf, dass der Patient bis zum Aufnahmetag eine hochwirksame Plättchenhemmung einnimmt. Bei der internistischen präoperativen Visite fällt die Blutverdünnung auf; der Patient wird nach Kontaktaufnahme mit der behandelnden Kardiologie entlassen und nach einer Kontrolle zum Einjahrestermin für die Wiederaufnahme zur TEP vorgemerkt.

Feedback des CIRS-Teams/Fachkommentar

Lösungsvorschlag bzw. Fallanalyse:
Der meldende Arzt hat alle wichtigen Punkte in der Meldung vermerkt.

  1. Elektive Operation neun Monate nach Implantation eines DE-Stents;
  2. Beendigung der dualen Plättchenhemmung durch Absetzen von TASS neun Monate nach Implantation eines DE-Stents durch Internisten im Rahmen der präoperativen Begutachtung und Freigabe zur OP;
  3. Keine Stellungnahme zum zweiten Thrombozytenaggregationshemmer durch den Internisten und die Präanästhesieambulanz – Freigabe zur OP

Ad 1 und 2) Bei Patienten mit einem Drug-Eluting-Stent sollte innerhalb des ersten Jahres nach Implantation des Stents keine elektive Operation durchgeführt werden, da die Einnahme einer dualen Plättchenhemmung obligatorisch für ein Jahr ist. Es gilt das Risiko der Beendigung der dualen Plättchenhemmung gegen das Risiko der Verschiebung der OP abzuwägen. Eine Beendigung der Einnahme von TASS führt zu einem erhöhten Thromboserisiko.

Ad 3) In den letzten Jahren kamen mehrere Plättchenaggregationshemmer auf den Markt. Möglicherweise sind die neuen Medikamente noch nicht allen Ärzten bekannt. Generell gilt, dass die Anästhesie möglichst frühzeitig – am besten schon bei Terminerstellung durch die chirurgischen Partner – in den Entscheidungsprozess eingebunden werden soll, da dadurch das präoperative Management, das intraoperative Management und der Umfang der postoperativen Überwachung festgelegt werden können (längere Überwachung im Aufwachraum, Intensivstation, Postanästhesievisite).

In diesem Fall wurde von zwei unabhängigen Ärzten die duale Plättchenhemmung übersehen: Patienten sollten bei Beginn der Medikation über die Problematik einer Operation unter dualer Plättchenhemmung informiert werden, denn dann wäre diese Fast-Katastrophe am Leichtesten zu verhindern gewesen.

Rechtliche Gegebenheiten: Sowohl die österreichische Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin als auch die internistischen Fachgesellschaften haben die Problematik der dualen Plättchenhemmung in den letzten Jahren intensiv kommuniziert, und es wurde eine europäische Guideline zum Thema Plättchenhemmung 2014 erlassen.

Gefahren- /Wiederholungspotential: Das Wiederholungspotential ist hoch.

Weiterführende Literatur/Ausbildungsempfehlungen: Elektive Eingriffe: Die Indikation für nicht-kardiochirurgische elektive Eingriffe ist durch internationale kardiologische Empfehlungen eindeutig geregelt: Bei Patienten mit Koronarstents sollten elektive Eingriffe bis zur Beendigung der dualen Antiplättchentherapie (ASS + P2Y12 Blocker) aufgeschoben werden. Bei DES wird eine duale Plättchenhemmung für zwölf Monate nach Stent-Implantation empfohlen; bei BMS wird eine duale Plättchenhemmung für ein bis drei Monate nach Stent-Implantation empfohlen.

Sonstige Anmerkungen:
Patienten sollten bei Beginn der Medikation über die Problematik einer Operation unter dualer Plättchenhemmung informiert werden, denn dann wäre diese Fast-Katastrophe am leichtesten zu verhindern gewesen – Schlagwort: mündiger Patient.

Experte des Krankenhaus Hietzing,
(medizinisch-fachlicher Aspekt, Anästhesiologie)
Tipp: www.cirsmedical.at

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 22 / 25.11.2015