Kommentar – Dr. Lukas Stärker: Republik Österreich: Sinkflug beenden

25.11.2015 | Politik

Von Lukas Stärker*

Vor etwa zehn Jahren, als Österreich noch deutlich besser dagestanden ist als heute, galt es sogar als Vorbild für Deutschland. Seit damals geht es jedoch – wie auch diverse internationale Vergleiche – zuletzt der World Competitiveness Index sowie eine Studie der WU-Wien – zeigen, kontinuierlich bergab. Die heutigen Staatschulden werden noch unsere – heute zum Teil noch nicht einmal geborenen – Enkel abzahlen müssen. Dringend notwendige Reformen werden nicht in Angriff genommen: Wo ist die versprochene Schuldenbremse auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene? Wo die Bundesstaatsreform? Wo ist die angekündigte Transparenzdatenbank mit Informationen über sämtliche Bezieher öffentlicher Förderungen? Oder dient die Intransparenz dem Machterhalt beziehungsweise dem Erhalt von Abhängigkeiten? Hier geht es um unser Steuergeld. Wo sind die Innovationen im Bereich Bildung? Wo die Angleichung der Pensionssysteme? Wo die Investitionen in die Zukunft? Wo ist eine Zukunftsstrategie für unser Land? Wie steht es mit der Leistungsbereitschaft? Hierzu stellte der in dieser Hinsicht unverdächtige Falter unlängst fest, dass es sich wegen der hohen Sozialleistungen in Österreich nicht auszahle, arbeiten zu gehen.

Nachhaltige Politik sieht anders aus, wie einige verhaltensoriginelle Schmankerln, die für die Bevölkerung nicht verständlich sind, zeigen: So sichert etwa das Bundesheer unsere Grenzen nicht, veranstaltet aber eine „Leistungsschau“ am Wiener Heldenplatz und widmet sich der krampfhaften Verbannung bestimmter Begriffe wie „Mannschaft“. Oder: Der Schutz vor Einbrüchen durch die Polizei ist optimierbar. Oder: Auf verhaftete Schlepper warten geheizte Zellen, Flüchtlinge aber müssen im Freien übernachten.

Vergegenwärtigt man sich die Situation in Österreich, drängt sich der Vergleich mit einem Linienflugzeug auf, das seine ursprüngliche Flughöhe von rund 10.000 Meter verlassen hat und nun im kontinuierlichen Sinkflug nach unten gleitet und nun noch etwa 6.000 Meter über dem Boden ist. Und auf die Frage von Passagieren, ob das Flugzeug sinken würde, antwortet der Pilot ausweichend, dass man noch hoch in der Luft sei, was man daran erkenne, dass die Berge unten ohnehin noch so klein und weit weg seien.

Ein gewisses Unverständnis erfüllt einen allerdings auch, wenn man die Ergebnisse der letzten Wahlen anschaut. Am ehesten goutiert der österreichische Wähler offensichtlich die Verwaltung des Stillstandes beziehungsweise richtigerweise des Abstiegs. Sonst hätte die steirische Reformkoalition nicht ein derart schlechtes Wahlergebnis erzielt. Dabei vergisst der Wähler, dass es ihm damit dann mittel- bis langfristig selbst auch schlechter gehen wird.

Ein Blick über die Grenze in die Schweiz und auf die dortigen Ergebnisse bei Volksbefragungen/Volksabstimmungen, die von einer gewissen Nachhaltigkeit getragen sind, könnte hier viel Potential aufzeigen. Aber Achtung Politik: Zu früh gefreut, ein Abschieben auf die Wählerinnen und Wähler funktioniert auch hier nicht. Denn diese Reaktion der wählenden Bevölkerung in Österreich ist wohl auch das offensichtliche Ergebnis von jahrzehntelanger Bevormundungspolitik und Schönreden und der Vermittlung, dass der Staat ohnehin alles machen würde.

Auch die EU hat sich offenbar bei den großen Themen aufgegeben und versucht nun, dies durch noch mehr Aktivität im Kleinen zu kaschieren beziehungsweise zu kompensieren. Warum etwa gelten der Vertrag von Maastricht, die „No-Bail-Out-Klausel“, das Schengen-Abkommen und das Dublin-Abkommen nicht mehr? Auch wird durch die Null-Zinsen-Fiskalpolitik den Menschen das Sparen und damit ein nachhaltiges Haushalten abgewöhnt. Statt dessen sorgt sich die EU um den Wasserverbrauch von Duschköpfen oder den Stromverbrauch von Staubsaugern, fördert den Diplomtourismus, erhöht den Administrativaufwand – siehe etwa die derzeit laufende Umsetzung der EU-RL 2013/55 (Erweiterung der Berufsanerkennungs-RL) ins österreichische Recht – und regiert in immer mehr nationalstaatliche Angelegenheiten hinein, auch im Gesundheitswesen. Hier ist endlich eine rationale Prioritätensetzung geboten!

Fazit

Die Politiker müssen endlich aufwachen und sich nicht mit ihrer jetzigen Position, auf die sie jahrelang hingearbeitet haben, zufrieden geben. Nicht das Innehaben einer Position ist das Ziel, sondern es gilt, hier etwas draus zu machen und die jeweiligen Gestaltungsmöglichkeiten zum Wohl unseres Landes zu nutzen.

Es muss Schluss sein mit dem halbherzigen Reagieren! Unser Land muss endlich regiert und zukunftsfit gemacht werden. Es muss wieder zum „Steigflug ansetzen“. Die anstehenden Fragen gehören gelöst und Rahmenbedingungen geschaffen, die Motivation erzeugen sowie Leistungsbereitschaft und Eigenverantwortlichkeit forcieren, damit auch unsere Enkel in Österreich noch gerne und gut leben können.

*) Dr. Lukas Stärker ist Kammeramtsdirektor der ÖÄK

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 22 / 25.11.2015