Kom­men­tar – Lukas Stär­ker: Moder­ni­sie­rung der Pflege-Berufe: ein Dilemma

25.10.2015 | Politik

Knapp ein Jahr ist das Thema Pfle­ge­no­velle auf der poli­ti­schen Agenda, eine Novel­lie­rung des GuKG ist bis­her noch nicht erfolgt. Die Gründe dafür lie­gen in den unter­schied­li­chen Zugän­gen der ver­schie­de­nen poli­ti­schen Akteure. Eine wirk­li­che Ver­bes­se­rung ist für die Mehr­zahl der Ange­hö­ri­gen der Gesund­heits- und Kran­ken­pflege dadurch nicht in Sicht.Von Lukas Stärker*

Bereits die Vor­ar­bei­ten an der Moder­ni­sie­rung des pfle­ge­ri­schen Berufs­bil­des lie­fen und lau­fen mehr als holp­rig: Die Gesund­heit Öster­reich GmbH hat im Auf­trag des Gesund­heits­mi­nis­te­ri­ums mit den Arbei­ten begon­nen, ohne jedoch reprä­sen­ta­tive Ärz­te­ver­tre­ter und die Ärz­te­kam­mer mit­ein­zu­be­zie­hen. Her­aus­ge­kom­men ist ein von Pfle­ge­ver­tre­tern und der Staats­firma Gesund­heit Öster­reich GmbH (GÖG) erstell­ter Ent­wurf, der mas­siv in den ärzt­li­chen Bereich hin­ein­reicht und der unter dem Titel „Schwes­tern sol­len ope­rie­ren“ in die Medien gelangte. Dar­auf­hin sah sich sogar das Minis­te­rium als Auf­trag­ge­ber ver­an­lasst, sich davon zu distanzieren.

Im nächs­ten Schritt wurde dann zwi­schen ÖÄK, GÖG und Kran­ken­pfle­ge­ver­band die Ein­set­zung einer Juris­ten­ar­beits­gruppe ver­ein­bart. Ziel war es, fest­zu­stel­len, wel­che der von der Pflege gewünsch­ten Tätig­kei­ten bereits auf Basis der bestehen­den Rechts­lage zuläs­sig sind. Als sich her­aus­kris­tal­li­sierte, dass mehr als 75 Pro­zent davon bereits jetzt mög­lich sind, wurde die ein­schlä­gige Arbeits­gruppe vom Kran­ken­pfle­ge­ver­band – wohl weil ihm die­ses Ergeb­nis nicht ins Kon­zept passte, offi­zi­ell man­gels Res­sour­cen – nicht mehr beschickt und von der GÖG trotz Pro­test der ÖÄK eingestellt.

Par­al­lel dazu wurde im Gesund­heits­mi­nis­te­rium ein Geset­zes­text für eine GuKG-Novelle aus­ge­ar­bei­tet, der – vor allem nach­dem das „Wil­dern“ im ärzt­li­chen Bereich abge­stellt wor­den war – einige posi­tive Facet­ten ent­hält. Dies ändert jedoch nichts an den nach wie vor bestehen­den unter­schied­li­chen Erwar­tun­gen an die Novelle:

Wäh­rend es dem Kran­ken­pfle­ge­ver­band dabei vor­ran­gig um den aka­de­mi­schen Titel für das diplo­mierte GuK-Per­so­nal geht, schielt die Poli­tik dar­auf, hier Geld zu spa­ren. Wie sich das ver­ein­ba­ren lässt? Offen­sicht­lich mit einem Deal – nach dem Motto: Als Gegen­zug für die Aka­de­mi­sie­rung wird die Umkeh­rung des Per­so­nal­schlüs­sels von 70 : 30 (diplo­mier­tes GuK-Per­so­nal: Pfle­ge­kräfte) auf 30 : 70 in Kauf genom­men. Damit hät­ten dann – ver­ein­facht und poin­tiert gesagt – eine Hand voll Füh­rungs­kräf­ten der Pflege ihren aka­de­mi­schen Titel; für die übri­gen Ange­hö­ri­gen der Pfle­ge­be­rufe ist damit jedoch gar nichts gewon­nen und durch die zu erwar­tende Umkeh­rung des Per­so­nal­schlüs­sels nicht viel zu erwar­ten. Der Poli­tik ist die­ser „Titel ohne Mit­tel“ schon auf­grund der mit der Umkeh­rung des Per­so­nal­schlüs­sels zu erwar­ten­den Kos­ten­re­duk­tion angenehm.

Wei­ters mag auch der Ver­such der Pflege, mit Unter­stüt­zung der dem Staat gehö­ren­den Firma GÖG im ärzt­li­chen Kom­pe­tenz­be­reich her­um­zu­wil­dern, viel­leicht aus pfle­ge­po­li­ti­scher Sicht attrak­tiv erschei­nen, aus ver­sor­gungs­po­li­ti­scher Sicht ist er jedoch ein Rohr­kre­pie­rer, da die Pflege bereits vom Sozi­al­mi­nis­te­rium als Man­gel­be­ruf erklärt wurde und sich auf diese Weise der Ärz­te­man­gel sicher nicht lösen las­sen wird.

Zusätz­lich wird die geplante Ein­füh­rung eines drit­ten Pfle­ge­be­rufs zwi­schen diplo­mier­tem GuK-Per­so­nal und Pfle­ge­hilfe die Kom­ple­xi­tät des Pfle­ge­sys­tems mas­siv erhö­hen und Abläufe sicher nicht erleich­tern. Genau das Gegen­teil – eine Ver­ein­fa­chung – wäre hier jedoch gebo­ten, denn über man­gelnde Kom­ple­xi­tät kön­nen sich die Ange­hö­ri­gen der Pfle­ge­be­rufe schon jetzt nicht bekla­gen. Hinzu kommt noch der pro futuro zu erwar­tende Druck von Dienst­ge­ber­seite, noch bil­li­gere Sozial- und Behin­der­ten­be­treuer einzusetzen.

Und zu guter Letzt wurde von Bun­des­län­der­seite auch noch der Kon­sul­ta­ti­ons­me­cha­nis­mus aus­ge­löst, womit der Novel­lie­rungs­zug nun­mehr steht.

Con­clu­sio

Der Schlüs­sel zum Erfolg ist, Berufs­bil­der zu leben, die bestehende Rechts­lage aus­zu­nüt­zen. Wie bereits oben erwähnt sind mehr als drei Vier­tel der Wün­sche und Zukunfts­the­men bereits auf Basis der der­zei­ti­gen Rechts­lage mög­lich. Es ist auch moti­vie­ren­der, inter­es­san­tere Tätig­kei­ten nach ärzt­li­cher Anord­nung durch­füh­ren zu kön­nen, anstatt Wäsche aus­zu­tra­gen. Sollte dann noch immer Bedarf bestehen, könnte eine Novelle ins Auge gefasst wer­den, die es im Kon­sens mit den Ärz­ten zu ent­wi­ckeln gilt. Wenn Zusam­men­ar­beit funk­tio­nie­ren soll, müs­sen die Rege­lun­gen mög­lichst ein­fach und nach­voll­zieh­bar sein; sie müs­sen wei­ters kon­flikt­re­du­zie­rend wir­ken und keine unkla­ren Begriffe enthalten.

In punkto Aus­bil­dungs­struk­tur muss dar­auf geach­tet wer­den, per­so­nelle Eng­pässe zu ver­mei­den. Der­zei­tige Män­gel in der Pflege soll­ten nicht durch eine neue, mög­li­cher­weise gut gemeinte Novelle auch noch ver­schärft wer­den. Und last but not least: Die Ange­hö­ri­gen der Gesund­heits­be­rufe sind so wie die Ärz­tin­nen und Ärzte knapp und wert­voll. Man muss mit ihnen wert­schät­zend umge­hen. Sieht man sich die Abläufe in Kran­ken­häu­sern an, merkt man Ver­bes­se­run­gen, doch der All­tag hat sich mas­siv ver­dich­tet. Jetzt wer­den mehr Pati­en­ten in kür­ze­rer Zeit durch­ge­schleust und das, obwohl nicht wesent­lich mehr Per­so­nal vor­han­den ist. Die Poli­tik ist hier ebenso gefor­dert, mehr auf die Men­schen zu ach­ten und sie zu schätzen.

*) Dr. Lukas Stär­ker ist Kam­mer­amts­di­rek­tor der ÖÄK

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 20 /​25.10.2015