Interview – Erwin Rasinger: Dringend: Aufwertung des Hausarztes

25.05.2015 | Politik

Ganz klar sind die Positionen des Gesundheitssprechers der ÖVP, Erwin Rasinger: kein Reinlegen durch Pseudopatienten beim Mystery Shopping, „Ja“ zu Hausärzten und Hausapotheken. Warum, das erklärt er im Gespräch mit Agnes M. Mühlgassner.

ÖÄZ: Was halten Sie von den Plänen, dass nun im Zuge der Gegenfinanzierung der Steuerreform das „Mystery Shopping“ in den Ordinationen kommen soll?
Rasinger: Mystery Shopping ist an und für sich schon ein eigenartiger Begriff. Schon allein die Tatsache, dass man glaubt, so etwas einführen zu müssen, ist eigenartig, denn Kontrollen gibt es ja wirklich schon genug. Geht es darum, dass man mit dem Mystery Shopping aufdecken will, dass Ordinationsassistentinnen unberechtigt Menschen krankschreiben, wenn beispielsweile eine Wohnung ausgemalt werden soll, dann ist es ok. Nicht in Ordnung ist es, wenn Ärzte von Pseudo-Patienten mit gezielt vorgetäuschten Symptomen hereingelegt werden und so das Arzt-Patientenverhältnis missbraucht wird. Dieses Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient muss unbedingt gewahrt bleiben.

Ebenso sollen Ärztinnen und Ärzte künftig Ausweiskontrollen bei der E-Card durchführen.
Der Hauptverband schwärmt immer von den technischen Möglichkeiten im digitalen Zeitalter. Da mutet es irgendwie schon lächerlich an, dass wir es in Österreich zwar schaffen, in jedem Fitnessstudio Mitgliedskarten mit einem Bild auszugeben, nur die Krankenkassen es nicht schaffen, die E-Card mit einem Bild zu versehen. Der Hauptverband sollte endlich im digitalen Zeitalter ankommen.

Dem Vernehmen nach gibt es Kräfte, die hinter den Kulissen schon heftig an einem PHC-Gesetz arbeiten.
Wenn der Generaldirektor Probst sagt, PHC ist gesellschaftspolitisch erwünscht und ich immer wieder aus der SPÖ höre, dass wir so ein Gesetz brauchen, entspricht dies absolut nicht dem Regierungsproramm. Ich frage mich, welche Vorteile das PHC-Modell im Vergleich zu unserem gut funktionierenden Hausarzt-System hat. Hier sollten wir ansetzen, den Beruf des Hausarztes attraktiv machen und nicht durch teure Zentren ersetzen. Gerade in der anonymen Stadt ist es wichtig, den Hausarzt in Gehweite zu haben; außerdem schätzen gerade ältere und chronisch Kranke, dass sie über Jahre vom gleichen Hausarzt betreut werden, was sie im Ambulanzsetting nicht vorfinden können. Abgesehen davon: Wenn man sagt, man muss die Ärzte per Gesetz zur Zusammenarbeit mit einer Berufsgruppe zwingen, ist das eine grobe Unterstellung, weil Ärzte selbstverständlich mit anderen zusammenarbeiten. Sie brauchen dazu nicht den Gesetzgeber. Aber zuerst muss man diese Zusammenarbeit auf der anderen Seite erst einmal ermöglichen: Ich bräuchte etwa in Wien die Hilfe der Krankenkasse bei Bewilligungen, bei raschen Terminen für MR und CT – hier gibt es oft monatelange Wartezeiten. In Deutschland, der Schweiz und in Österreich gibt es bestens funktionierende Hausarzt-Systeme. Wir müssen nicht das schlechte Beispiele Großbritannien oder Finnland importieren, das sich die Kassen ja überhaupt nicht leisten können. In Wirklichkeit brauchen wir eine Aufwertung des Hausarztes, auch finanziell, sonst werden die Jüngeren diesen Beruf nicht mehr ergreifen wollen.

Stichwort Hausapotheken: Die derzeitige Gesetzeslage bedeutet oft nicht nur das „Aus“ für die Hausapotheke, sondern gleichzeitig auch für den Hausarzt, besonders in ländlichen Regionen.
Wir brauchen endlich die Hausapothekenregelung auch gegen das Hausarztsterben am Lande. Dazu gibt es einen Sechs-Parteien-Antrag seit zwei Jahren, der von mir im Parlament initiiert wurde. Auch ist sie im gemeinsamen Regierungsprogramm festgehalten. Das ist ja lächerlich, dass wir ewig herumstreiten wegen dieser Sechs-Kilometer-Regelung bei der Pensionierung eines Allgemeinmediziners. Man sollte nicht dauernd neue Begriffe wie Primary Health Care oder Sonstiges erfinden, sondern sich endlich einmal zusammensetzen und hier mutige Schritte setzen, damit unser Versorgungssystem im ländlichen Bereich mit den Landärzten, die eine Hausapotheke betreiben, auch in Zukunft erhalten bleibt. Wenn es keine Hausärzte gibt, haben auch die Apotheken nichts davon. Ich bin froh, dass wir so engagierte Hausärzte haben, denn ohne diese könnte das österreichische Gesundheitswesen zusperren. Allein die Hausärzte wickeln 66 Millionen Kontakte im Jahr ab. Alle Spitalsambulanzen zusammen bringen es auf 17 Millionen Kontakte. Im Schnitt geht der Österreicher zehn Mal im Jahr zu seinem Hausarzt. Das ist ein unglaublicher Vorteil in der medizinischen Betreuung, vor allem für die älteren Menschen, und den sollte man nicht leichtfertig mit ideologischen Spielereien aufs Spiel setzen. Das ist mit mir nicht zu machen.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 10 / 25.05.2015