Assis­tierte Repro­duk­tion: Ein Kind – in jedem Alter?

25.05.2015 | Politik


Die Ten­denz geht immer wei­ter in Rich­tung spä­tere Mut­ter­schaft – auch in Öster­reich. Dabei wird oft die bio­lo­gi­sche Fer­ti­li­täts­grenze mit­tels assis­tier­ter Repro­duk­ti­ons­tech­no­lo­gie über­gan­gen. Im Gegen­satz zu ande­ren Län­dern dür­fen hier­zu­lande Frauen nur bis zum 45. Lebens­jahr eine Eizell­spende erhal­ten.
Von Marion Huber

Es war im Dezem­ber 2006, als eine Spa­nie­rin mit 66 Jah­ren ihr ers­tes Kind zur Welt brachte und damals die welt­weit älteste erst­ge­bä­rende Frau war. Sie brachte nach einer In-vitro-Fer­ti­li­sa­tion in Los Ange­les (US-Bun­des­staat Kali­for­nien) per Sec­tio Zwil­linge zur Welt. Um eine Eizell- und Samen­spende zu erhal­ten, hatte sie sich um mehr als zehn Jahre jün­ger aus­ge­ge­ben – auch in den USA ist eine sol­che Behand­lung über 55 näm­lich auf­grund der hohen Risi­ken ver­bo­ten. Als die Frau 2009 starb, waren die bei­den Söhne gerade ein­mal zwei­ein­halb Jahre alt – und Vollwaisen.

Damals war die späte Mut­ter­schaft viel­leicht ein Ein­zel­fall, heute ist sie keine Sel­ten­heit mehr. Ob in der Schweiz, Groß­bri­tan­nien, Rumä­nien oder den USA – Frauen, die mit 60 Mut­ter wer­den, gibt es immer wie­der. Sogar über 70-jäh­rige Gebä­rende gibt es: und zwar gleich zwei­mal. In Deutsch­land hat ein aktu­el­ler Fall nun erneut eine hit­zige Debatte um späte Schwan­ger­schaf­ten aus­ge­löst: In Ber­lin wurde kürz­lich eine allein­er­zie­hende Frau mit 65 Jah­ren Mut­ter von Vier­lin­gen, die 14 Wochen zu früh auf die Welt kamen. Die Frau hatte sich in der Ukraine künst­lich befruch­ten las­sen. Dazu kommt: 13 Kin­der hat sie bereits, und sie­ben Enkel – ihre jüngste Toch­ter ist neun, die älteste über 40.

Trend: späte Mutterschaft

Späte Mut­ter­schaft – eine Ent­wick­lung, die auch in Öster­reich nicht Halt macht. Erst im Februar die­ses Jah­res hat im Kli­ni­kum Wels-Gries­kir­chen erst­mals eine 60-Jäh­rige Zwil­linge gebo­ren – nach einer Eizell­spende im Aus­land. In Öster­reich wäre das auch heute – nach der im Jän­ner die­ses Jah­res beschlos­se­nen Novelle zum Fort­pflan­zungs­me­di­zin­ge­setz – noch ver­bo­ten (Details siehe Kas­ten). Für die Ober­ös­ter­rei­che­rin war es nicht die erste Schwan­ger­schaft – und auch nicht die erste Schwan­ger­schaft in höhe­rem Alter: Bereits drei Jahre zuvor hatte sie – eben­falls nach einer In-vitro-Fer­ti­li­sa­tion – ein Mäd­chen zur Welt gebracht.

Dass Frauen über 60 Müt­ter wer­den, kommt hier­zu­lande zwar sel­ten vor – seit 1970 erst zwei Mal (2002 und 2015). Den­noch zei­gen die Daten der Sta­tis­tik Aus­tria: Öster­rei­chi­sche Frauen bekom­men immer spä­ter ihr ers­tes Kind. Das durch­schnitt­li­che Alter von Erst­ge­bä­ren­den ist von 23,8 Jah­ren (1984) auf 29 Jahre (2013) gestie­gen. Ins­ge­samt waren im Jahr 2013 mehr als 13.000 Frauen bei der Geburt ihres Kin­des zwi­schen 35 und 40 Jahre alt. Mehr als 200 waren sogar über 45 Jahre alt, als sie Mut­ter wur­den. Dage­gen ist die Zahl der Schwan­ger­schaf­ten von Frauen zwi­schen 20 und 25 Jah­ren in den letz­ten Jah­ren kon­ti­nu­ier­lich gesun­ken; waren es 2002 noch etwa 14.600, gab es 2013 nur noch knapp 11.400 Schwan­ger­schaf­ten in die­ser Altersgruppe.

Ab 35: spätgebärend

Frü­her gal­ten erst­ge­bä­rende Frauen schon ab etwa 28 oder 30 Jah­ren als Spät­ge­bä­rende, wie Univ. Prof. Lud­wig Wildt von der Uni­ver­si­täts­kli­nik für gynä­ko­lo­gi­sche Endo­kri­no­lo­gie und Repro­duk­ti­ons­me­di­zin in Inns­bruck erklärt: „Heute würde ich diese Grenze eher bei 35 Jah­ren anset­zen.“ Inwie­weit es sich dann tat­säch­lich um eine Risi­ko­schwan­ger­schaft han­delt, sei unter ande­rem vom all­ge­mei­nen Gesund­heits­zu­stand der Mut­ter abhän­gig und davon, ob eine Vor­er­kran­kung wie Dia­be­tes, Hyper­to­nie, Auto­im­mun­erkran­kung etc. besteht.

„Es ist ein gutes Prin­zip, jede Schwan­ger­schaft nach einer Ste­ri­li­täts­be­hand­lung als Risi­ko­schwan­ger­schaft anzu­se­hen“, betont Wildt. So hät­ten Schwan­ger­schaf­ten durch assis­tierte Repro­duk­ti­ons­tech­no­lo­gie unter ande­rem ein erhöh­tes Risiko für Früh­ge­burt­lich­keit, Prä­ek­lamp­sie, Gesta­ti­ons­dia­be­tes oder Man­gel­ent­wick­lung. Wildt dazu: „Inwie­weit das auf die Behand­lung selbst zurück­zu­füh­ren ist oder durch die Ste­ri­li­tät per se bedingt ist, ist unklar.“ Univ. Prof. Chris­toph Bre­zinka von der Uni­ver­si­täts­kli­nik für gynä­ko­lo­gi­sche Endo­kri­no­lo­gie und Repro­duk­ti­ons­me­di­zin in Inns­bruck fügt hinzu: „Risi­ko­schwan­ger­schaft“ bedeute aber nicht, dass die Schwan­ger­schaft „fürch­ter­lich gefähr­lich“ ist, son­dern „es heißt viel­mehr, ver­mehrt auf­zu­pas­sen und den Ver­lauf der Schwan­ger­schaft und Geburt genauer im Auge zu behalten.“

Wenn auch die Meno­pause bei jeder Frau indi­vi­du­ell die Frucht­bar­keit begrenzt, ist sie heute – wo sich immer mehr Frauen bewusst dafür ent­schei­den, spä­ter Kin­der zu bekom­men und die Mög­lich­kei­ten der Repro­duk­ti­ons­me­di­zin in Anspruch zu neh­men – nicht mehr zwangs­läu­fig eine Hürde. Den­noch gilt etwa in Öster­reich mit der Novelle des Fort­pflan­zungs­me­di­zin­ge­set­zes (siehe Kas­ten) für Emp­fän­ge­rin­nen einer Eizell­spende das Höchst­al­ter von 45 Jah­ren. Auch Wildt beur­teilt es als „ver­nünf­ti­ges Prin­zip“, jen­seits einer Alters­grenze, ab der die Fer­ti­li­tät natür­li­cher­weise nicht mehr gege­ben ist – etwa ab dem 50. Lebens­jahr –, keine künst­li­che Befruch­tung mehr durchzuführen.

Fort­pflan­zungs­me­di­zin­rechts-Ände­rungs­ge­setz 2015 (Aus­zug)

Samen­spende

Der Samen einer drit­ten Per­son darf aus­nahms­weise dann ver­wen­det wer­den, wenn

  • der Samen des Ehe­gat­ten oder Lebens­ge­fähr­ten nicht fort­pflan­zungs­fä­hig ist oder
  • eine medi­zi­nisch unter­stützte Fort­pflan­zung in einer ein­ge­tra­ge­nen Part­ner­schaft oder Lebens­ge­mein­schaft von zwei Frauen vor­ge­nom­men wer­den soll.

Eizell­spende

Die Eizel­len einer drit­ten Per­son dür­fen dann ver­wen­det wer­den, wenn die Emp­fän­ge­rin zum Zeit­punkt des Behand­lungs­be­ginns das 45. Lebens­jahr noch nicht voll­endet hat. Eizel­len, die für eine dritte Per­son ver­wen­det wer­den sol­len, dür­fen nur vom voll­ende­ten 18. bis zum voll­ende­ten 30. Lebens­jahr ent­nom­men werden.

Prä­im­plan­ta­ti­ons­dia­gnos­tik (PID)

Eine Prä­im­plan­ta­ti­ons­dia­gnos­tik ist nur zuläs­sig, wenn

  • nach drei oder mehr Über­tra­gun­gen ent­wick­lungs­fä­hi­ger Zel­len keine Schwan­ger­schaft her­bei­ge­führt wer­den konnte oder
  • zumin­dest drei Fehl- oder Tot­ge­bur­ten spon­tan ein­tra­ten oder
  • auf­grund der gene­ti­schen Dis­po­si­tion zumin­dest eines Eltern­teils die ernste Gefahr besteht, dass es zu einer Fehl- oder Tot­ge­burt oder zu einer Erb­krank­heit des Kin­des kommt.

Kein Arzt ist ver­pflich­tet, eine medi­zi­nisch unter­stützte Fort­pflan­zung oder eine Prä­im­plan­ta­ti­ons­dia­gnos­tik durch­zu­füh­ren oder daran mitzuwirken.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 10 /​25.05.2015