Arzneimittelgroßhandel: Arzneimittel-Vollgroßhändler im Zangengriff

10.09.2015 | Politik


Durch die steigende Zahl von Direktlieferungen der Pharmaindustrie an die Apotheken geraten die Arzneimittel-Vollgroßhändler immer mehr unter Druck.
Von Roman Steinbauer

Für die Medikamenten-Vollgroßhändler wird es immer schwieriger, dem Direktvertrieb zwischen Industrie und den Apotheken sowie Spitälern entgegenzuhalten. Der Präsident des Verbandes zur Interessensvertretung der österreichischen Arzneimittel-Vollgroßhändler (PHAGO), Andreas Windischbauer, sieht dies als besonders belastend für den Handel. Die Dramatik der ausgeprägten Veränderung der Geschäftsbeziehungen durch die Umgehung des Großhandels im Arzneisektor untermauert er mit einer Statistik. Demnach erreichten die Direktlieferungen der Pharmaindustrie an Apotheken im Vorjahr 495 Millionen Euro. Dies bedeute eine Vervielfachung um das 35-Fache seit dem Jahr 2005.

Angesichts der schwierigen Profitabilitätslage sind investitionsintensive Erfordernisse zur Arzneimittelsicherheit (Aufrüsten der Technik, Sicherheitsmaßnahmen, Änderungen der räumlichen Gegebenheiten) die Herausforderung; so ist etwa entgegen der landläufigen Meinung nicht die Hitze in den Sommermonaten das große Problem bei der Lagerung, sondern vielmehr die Kälte in den Wintermonaten.

Seit dem Jahr 2008 schrumpft für den Großhandel der Anteil der Krankenkassen am Medikamenten-Umsatz kontinuierlich. In den vergangenen sieben Jahren reduzierte er sich nach eigenen Analysen um knapp ein Viertel auf nunmehr 5,4 Prozent (7,0 Prozent). Die Erlöse der Apotheken gaben im selben Zeitraum an diesem Vergabevolumen um ein Fünftel auf 20 Prozent nach (20 Prozent). Die Pharmaindustrie erzielte eine weitere Steigerung mit nun 78,6 Prozent (73 Prozent).

Nach Angaben der PHAGO wächst der Umsatz des Arzneigroßhandels jährlich zwischen 2,5 und fünf Prozent. Gelangen „Megaseller“ wie etwa derzeit Sovaldi® in den Handel, sind kurzfristig Quartalssteigerungen von bis zu zehn Prozent möglich. Dennoch sieht Windischbauer die Mitglieder der PHAGO insgesamt in einer schwierigen Situation agieren. „Die steigenden Kollektiv-Vertragslöhne von über 2,5 Prozent sowie eine Inflation nahe der Zwei-Prozent-Grenze machen uns eine Wertschöpfung nicht mehr möglich“, relativiert der ebenso als Vorstandsvorsitzender der Herba Chemosan Apotheker AG fungierende Windischbauer die Situation. Vor allem die kaum noch kostendeckende Dienstleistung der Lieferung von teuren Medikamenten stelle einen schwerwiegenden Faktor dar.

Ständige Lieferfähigkeit

Windischbauer betont, dass die Mitglieder der Vollgroßhändler darüber hinaus auch im Krisenfall im öffentlichen Auftrag zu sorgen und die ständige Lieferfähigkeit von 45.000 Produkten zu gewährleisten hätten. PHAGO-Generalsekretär Heinz Krammer plädiert dafür, dass der Gesetzgeber einen Spannenaufschlag gewährt. Hintergrund ist die verordnete degressive Großhandelsspanne, die sich bei steigenden Produktpreisen verringert und sich im Extremfall bis auf 0,15 Prozent dezimieren kann, was Krammer grundsätzlich nicht in Frage stellt.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 17 / 10.09.2015