Schlie­ßung von ärzt­li­chen Haus­apo­the­ken: Nicht auf­ge­ho­ben, nur aufgeschoben?

25.03.2015 | Politik

Ein Ent­schlie­ßungs­an­trag von ÖVP und SPÖ hat 2013 die pre­käre Situa­tion vie­ler Haus­apo­the­ken fürs Erste ent­schärft. Bis 2015 – so wurde ver­ein­bart – sollte ein nach­hal­ti­ges Modell beschlos­sen werden.Von Marion Huber

Idylle pur am Rande der Kitz­bü­he­ler Alpen in der Tiro­ler Wild­schönau… Die im Bezirk Kuf­stein gele­gene Gemeinde hat mehr als 4.200 Ein­woh­ner; im Tou­ris­mus wer­den pro Jahr mehr als 800.000 Näch­ti­gun­gen gezählt. Medi­zi­nisch betreut wer­den die Bewoh­ner und Tou­ris­ten des Hoch­tals von zwei nie­der­ge­las­se­nen All­ge­mein­me­di­zi­nern – noch.

Denn was zuvor schon zwei wei­tere All­ge­mein­me­di­zi­ner in Tirol getrof­fen hat, wird mit Ende März die­ses Jah­res auch für einen der bei­den Wild­schö­nauer Ärzte Rea­li­tät: Er ver­liert durch die Eröff­nung einer öffent­li­chen Apo­theke in der Katas­tral­ge­meinde Nie­derau – und auf­grund sei­nes Pen­si­ons­an­spruchs – die Bewil­li­gung für seine Haus­apo­theke. Und auch die Haus­apo­theke des zwei­ten Arz­tes müsste nach aktu­el­ler Geset­zes­lage in drei Jah­ren geschlos­sen wer­den. Ob die Kas­sen­ärzte dann ohne Haus­apo­theke noch wei­ter­ma­chen, ist frag­lich und: unter die­sen Umstän­den Nach­fol­ger zu fin­den, scheint auch mehr als schwierig.

Ein Ein­zel­fall? Kei­nes­wegs. Tirol steht damit nicht allein da: In Ober­ös­ter­reich gab es im Jahr 2006 noch 237 Haus­apo­the­ken; im Okto­ber 2014 waren es nur noch 220. Das ist ein Rück­gang von mehr als sie­ben Pro­zent. Durch anhän­gige Kon­zes­si­ons­ver­fah­ren sind zusätz­li­che Haus­apo­the­ken gefähr­det. Und dann gibt es da noch jene Gemein­den, in denen die Nach­be­set­zung von Kas­sen­stel­len mitt­ler­weile schier unmög­lich wird. Etwa, weil – wie in einer Zwei-Arzt-Gemeinde im Mühl­vier­tel – nach der Pen­sio­nie­rung eines Arz­tes zwar der ver­blei­bende Arzt noch eine Haus­apo­theke hat, der Nach­fol­ger der zwei­ten Stelle aber am bestehen­den Stand­ort keine Bewil­li­gung mehr bekommt. Ein Wett­be­werbs­nach­teil, der auch bei drei­ma­li­ger Aus­schrei­bung poten­ti­elle Nach­fol­ger abge­schreckt hat. Und wenn in einer Gemeinde im Traun­vier­tel die Kas­sen­stelle – bis­lang ohne Erfolg – gar sie­ben Mal aus­ge­schrie­ben wer­den muss, weil die Haus­apo­theke durch eine öffent­li­che Apo­theke im Ort weg­fällt, ist die Pro­ble­ma­tik nicht mehr von der Hand zu weisen.

Situa­tion in Salzburg

Ähn­lich die Situa­tion in Salz­burg. Dort sind seit 2006 zehn Haus­apo­the­ken-Bewil­li­gun­gen zurück­ge­nom­men wor­den. Zwei Haus­apo­the­ken ste­hen durch lau­fende Apo­the­ken-Kon­zes­si­ons­ver­fah­ren vor der Schlie­ßung, wei­tere sind gefähr­det. In Salz­burg wer­den für rund zehn Ver­trags­arzt­stel­len für All­ge­mein­me­di­zin Nach­fol­ger gesucht, was sich als außer­or­dent­lich schwie­rig gestal­tet, weil die Haus­apo­the­ken-Bewil­li­gung fehlt.

„Große Sorge, dass ohne Lösung der Haus­apo­the­ken­frage viele Ordi­na­tio­nen und damit die ärzt­li­che Ver­sor­gung in vie­len Gemein­den schlicht und ein­fach fort sein wer­den“, äußert Erwin Rasin­ger, Gesund­heits­spre­cher der ÖVP. „Bei dem zu erwar­ten­den Haus­ärz­te­man­gel wer­den wir aber um jeden Arzt kämp­fen müs­sen.“ Des­halb hat Rasin­ger auch 2013 einen par­la­men­ta­ri­schen Initia­tiv­an­trag zur Siche­rung der ärzt­li­chen Ver­sor­gung und Medi­ka­men­ten­ver­sor­gung im länd­li­chen Raum initi­iert, dem sich alle Par­teien ange­schlos­sen haben. Das war vor zwei Jah­ren. Damals konnte das Schlimmste fürs Erste ver­hin­dert wer­den; an der zugrun­de­lie­gen­den Pro­ble­ma­tik hat sich aber nichts geän­dert. Es wurde erreicht, dass mit 1.1.2014 bestehende Haus­apo­the­ken in Zwei-Arzt-Gemein­den nicht mehr inner­halb von drei Jah­ren nach der Ansied­lung einer öffent­li­chen Apo­theke still­ge­legt wer­den müs­sen, son­dern erst spä­tes­tens Ende 2018. Sonst hätte es schon damals für 180 ärzt­li­che Haus­apo­the­ken das mög­li­che „Aus“ bedeutet.

Zahl der Haus­apo­the­ken rück­läu­fig

Der Hin­ter­grund: Ende Juni 2012 hat der Ver­fas­sungs­ge­richts­hof zwar den Vor­rang für Haus­apo­the­ken in Ein-Arzt-Gemein­den bestä­tigt; die seit 2006 gel­tende zehn­jäh­rige Über­gangs­frist für ärzt­li­che Haus­apo­the­ken nach Eröff­nung einer Apo­theke für Zwei-Arzt-Gemein­den wurde aber als ver­fas­sungs­wid­rig auf­ge­ho­ben. Ab 2014 hät­ten die ärzt­li­chen Haus­apo­the­ken in sol­chen Gemein­den ihre Bewil­li­gung ver­lo­ren, wenn die Kon­zes­sion für eine Apo­theke erteilt wird. Auch wurde mit dem Beschluss erreicht, dass die im Jahr 2006 bestehen­den Gemein­de­ge­biete für die Rege­lun­gen des Ver­hält­nis­ses ärzt­li­cher Haus­apo­the­ken und öffent­li­cher Apo­the­ken „ver­stei­nert“ wur­den. So konnte ein wei­te­res Haus­apo­the­ken-Ster­ben durch Gemeinde-Zusam­men­le­gun­gen ver­hin­dert wer­den. Die Schlie­ßung von gefähr­de­ten Haus­apo­the­ken war mit die­sem Natio­nal­rats­be­schluss aber nicht auf­ge­ho­ben, son­dern nur auf­ge­scho­ben. Die Zahl der ärzt­li­chen Haus­apo­the­ken geht wei­ter zurück: Waren es 2006 noch 964, gab es 2014 nur noch 885 Ordi­na­tio­nen mit Hausapotheke.

Für Erwin Rasin­ger wie­derum ist es schlicht „nicht nach­voll­zieh­bar“, warum das Gesund­heits­mi­nis­te­rium auf den Antrag und sein „jah­re­lan­ges Drän­gen“ nicht reagiert. Der Erhalt der Haus­apo­the­ken finde sich schließ­lich auch im gemein­sa­men Regie­rungs­pro­gramm von ÖVP und SPÖ sowie in meh­re­ren Land­tags­be­schlüs­sen. Wenn Rasin­ger offi­zi­elle Stel­lung­nah­men der Apo­the­ker­schaft liest, wonach ein Drit­tel der Apo­the­ken – beson­ders im länd­li­chen Raum – über finan­zi­elle Ver­luste klagt, stellt sich für ihn die Frage: „Wozu der ganze Streit? Wozu wei­ter 100 Haus­apo­the­ken in Frage stel­len? Nie­mand ver­liert etwas, wenn man Haus­apo­the­ken erhält.“ Seine For­de­rung: „Eine rasche Lösung muss her, so, wie wir das im Regie­rungs­pro­gramm ver­ein­bart haben.“

Ärzt­li­che Haus­apo­the­ken: die gesetz­li­chen Bestimmungen

„Ein-Arzt“-Gemeinde: In länd­li­chen Gemein­den, in denen nur ein Arzt für All­ge­mein­me­di­zin mit Kas­sen­ver­trag sei­nen stän­di­gen Berufs­sitz hat, besteht kein Bedarf für eine öffent­li­che Apo­theke. Die Regel­ver­sor­gung mit Arz­nei­mit­teln wird durch die Haus­apo­theke geleistet. 

Gemäß § 10 Abs. 2 Apo­the­ken­ge­setz besteht kein Bedarf für eine öffent­li­che Apo­theke, wenn sich zum Zeit­punkt der Antrag­stel­lung in der Gemeinde der in Aus­sicht genom­me­nen Betriebs­stätte eine ärzt­li­che Haus­apo­theke befin­det und weni­ger als zwei Ver­trags­stel­len nach § 342 Abs. 1 ASVG (volle Plan­stel­len) von Ärz­ten für All­ge­mein­me­di­zin besetzt sind (…)

Die Bewil­li­gung zur Hal­tung einer ärzt­li­chen Haus­apo­theke wird erteilt, wenn es sich um einen Arzt für All­ge­mein­me­di­zin mit Kas­sen­ver­trag han­delt und sich in der Gemeinde keine öffent­li­che Apo­theke befin­det oder diese mehr als sechs Stra­ßen-Kilo­me­ter ent­fernt ist (siehe § 29 ApoG – Bewil­li­gung zur Hal­tung einer ärzt­li­chen Haus­apo­theke). Dazu ÖVP-Gesund­heits­spre­cher Erwin Rasin­ger: „Die Sechs-Kilo­me­ter-Grenze gehört end­lich abge­schafft. Sie führt nur zu bösem Blut und absur­den Verrenkungen.“

Ver­legt ein Arzt für All­ge­mein­me­di­zin sei­nen Berufs­sitz in eine andere Gemeinde, so erlischt die für den vor­he­ri­gen Berufs­sitz erteilte Bewil­li­gung zur Hal­tung einer ärzt­li­chen Hausapotheke.

Die Bewil­li­gung zur Hal­tung einer ärzt­li­chen Haus­apo­theke ist nach Maß­gabe des Abs. 4 bei Neu­errich­tung einer öffent­li­chen Apo­theke zurück­zu­neh­men, wenn

  1. die Weg­stre­cke zwi­schen dem Berufs­sitz des Arz­tes und der Betriebs­stätte der neu errich­te­ten öffent­li­chen Apo­theke vier Stra­ßen­ki­lo­me­ter nicht über­schrei­tet, und
  2. sich die ärzt­li­che Haus­apo­theke weder in einer Gemeinde gemäß § 10 Abs. 2 Z 1 noch in einer Gemeinde gemäß § 10 Abs. 3 befindet.

„Zwei-Arzt“-Gemeinde: In Gemein­den mit zwei Kas­sen­ver­trags­ärz­ten für All­ge­mein­me­di­zin ist – nach Kon­zes­si­ons­er­tei­lung für eine öffent­li­che Apo­theke vor dem 1. Jän­ner 2016 – „die Bewil­li­gung zur Hal­tung einer ärzt­li­chen Haus­apo­theke mit Ablauf des Kalen­der­jah­res, in dem der Inha­ber der Bewil­li­gung zur Hal­tung der ärzt­li­chen Haus­apo­theke das 65. Lebens­jahr voll­endet hat, spä­tes­tens jedoch mit Ablauf des 31. Dezem­ber 2018 zurück­zu­neh­men.“ (siehe § 62a Abs. 1 ApoG)

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 6 /​25.03.2015