kurz & infor­ma­tiv: Medi­zi­ni­sche Kurzmeldungen

10.11.2015 | Medizin

Neuer Mecha­nis­mus gegen HIV entdeckt

For­scher haben zwei Eiweiße iden­ti­fi­ziert, die das im HI-Virus ent­hal­tene Pro­tein Nef unter­drü­cken und so Zel­len vor einer HIV-Infek­tion schüt­zen. Die Wis­sen­schaf­ter um Mas­simo Piz­zato von der Uni­ver­si­tät Trento haben Nef in HI-Viren künst­lich aus­ge­schal­tet und fest­ge­stellt, dass Zel­len, in deren Mem­bran­hül­len das Eiweiß SERINC5 in gro­ßen Men­gen vor­han­den ist, am wenigs­ten anfäl­lig für das HI-Virus sind. Zwar unter­drückt Nef SERINC5-Mole­küle; sind sie aber in gro­ßer Zahl vor­han­den, kann Nef nicht mehr ent­ge­gen­wir­ken und die Infek­ti­ons­fä­hig­keit des HI-Virus sinkt deut­lich. Ein ande­res For­scher­team bestä­tigte die Resul­tate sowohl für SERINC5 als auch SERINC3. Der Mecha­nis­mus funk­tio­niert ganz anders als bis­her ent­deckte anti­re­tro­vi­rale Fak­to­ren: Ein HI-Virus mit aus­ge­schal­te­tem Nef-Pro­tein kann eine Immun­zelle infi­zie­ren, und das Virus repro­du­ziert sich nor­mal. Tritt es aber aus, um eine wei­tere Zelle zu infi­zie­ren, nimmt es einen Teil der infi­zier­ten Zell­mem­bran – und auch das Pro­tein SERINC5 mit. Will das Virus eine wei­tere Zelle infi­zie­ren, warnt SERINC5 die betrof­fene Zelle und macht sie weni­ger anfäl­lig.
APA/​Nature

China als „Rauch-Ver­suchs­la­bor“

In China begin­nen immer mehr junge Män­ner mit dem Rau­chen, wäh­rend immer mehr Frauen im mitt­le­ren Alter damit auf­hö­ren. Eine neue Stu­die von Liming Li von der Aka­de­mie für medi­zi­ni­sche Wis­sen­schaf­ten in Peking zeigt nun: Ein Drit­tel der Män­ner könnte in Zukunft durch das Rau­chen ster­ben, bei den Frauen geht die Tabak-asso­zi­ierte Mor­ta­li­tät zurück. Der­zeit rau­chen in China bereits zwei Drit­tel der Män­ner. Der Anteil der Todes­fälle durch Rau­chen bei über 40-Jäh­ri­gen hat sich von zehn Pro­zent (1990er Jahre) auf der­zeit 20 Pro­zent ver­dop­pelt. In der Stu­die sind zwei epi­de­mio­lo­gi­sche Unter­su­chun­gen – eine star­tete vor 15 Jah­ren, eine läuft aktu­ell – zum Rau­chen und des­sen Fol­gen in China ver­gli­chen wor­den. In Europa ist die Situa­tion umge­kehrt: Von den gesund­heit­li­chen Schä­den durch Rau­chen sind immer mehr Frauen betrof­fen. Bei ihnen steigt etwa die Lun­gen­kar­zi­nom-Mor­ta­li­tät an, wäh­rend sie bei Män­nern bereits sinkt.
APA/​Lancet

Zehn Pro­zent der Gene überlebenswichtig

Etwa zehn Pro­zent der rund 23.000 Gene von mensch­li­chen Zel­len sind abso­lut über­le­bens­wich­tig. Das ist das Ergeb­nis einer nie­der­län­disch-öster­rei­chi­schen Stu­die, die anhand von zwei haplo­iden mensch­li­chen Zell­li­nien durch­ge­führt wurde. Dabei iden­ti­fi­zier­ten die Wis­sen­schaf­ter rund 1.700 Gene, bei denen eine Inak­ti­vie­rung durch Ver­än­de­run­gen im gene­ti­schen Code zum Zell­tod füh­ren. Außer­dem wur­den Gen­paare iden­ti­fi­ziert, bei denen Muta­tio­nen in jedem ein­zel­nen tole­riert wer­den; eine kom­bi­nierte Inak­ti­vie­rung aber auch zum Zell­tod führt („Syn­the­tic letha­lity“). „Man kann wirk­lich sagen, dass diese Stu­die die Lebens­grund­lage von mensch­li­chen Zel­len iden­ti­fi­ziert“, erklärte Giu­lio Superti-Furga vom CeMM For­schungs­zen­trum für Mole­ku­lare Medi­zin der Öster­rei­chi­schen Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten in Wien. Die Kom­bi­na­tion von Erkennt­nis­sen zweier unter­schied­li­cher Zell­li­nien biete ein hohes Maß an Sicher­heit.
APA/​Science

Can­na­bis: Haar­ana­lyse nicht eindeutig

Eine Haar­ana­lyse kann Can­na­bis-Kon­sum nicht zwei­fels­frei bele­gen. Das haben Frei­bur­ger For­scher her­aus­ge­fun­den. Die Ein­la­ge­rung von Tetra­hy­dro­can­na­bi­nol (THC) finde dem­nach nicht – wie bis­her ange­nom­men – über den Blut­kreis­lauf statt. Abbau­pro­dukte von THC kön­nen bei Kör­per­kon­takt über Schweiß und Haut­talg auf andere Per­so­nen über­tra­gen wer­den und so falsch posi­tive Test­ergeb­nisse lie­fern. Das For­scher­team führte einen ein­mo­na­ti­gen Selbst­ver­such mit regel­mä­ßi­ger Ein­nahme von Drona­bi­nol (halb­syn­the­tisch her­ge­stell­tes THC) und umfang­rei­che Mes­sun­gen durch. Es fand dabei kei­ner­lei Rück­stände von THC in den eige­nen Haa­ren. Statt­des­sen ent­deckte es Rück­stände von THC-Car­bon­säure – einer kör­per­ei­ge­nen Sub­stanz, die sich auch in Haar­ab­schnit­ten befand, die lange vor der Stu­die gewach­sen waren.
APA/​Scientific Reports

Leber­zir­rhose: neue Risiko-Gene identifiziert

Ein inter­na­tio­na­les Team von Wis­sen­schaf­tern hat zwei neue Gen-Vari­an­ten iden­ti­fi­ziert, die das Risiko für eine Leber­zir­rhose erhö­hen. Sie unter­such­ten die Häu­fig­keit bestimm­ter Vari­an­ten der Gene PNPLA3, TM6SF2 und MBOAT7 bei Pati­en­ten mit Leber­zir­rhose. Für PNPLA3 war eine Betei­li­gung an der Ent­wick­lung der Erkran­kung bereits bekannt. Die Wis­sen­schaf­ter ver­gli­chen 1.148 Pati­en­ten mit einer Kon­troll­gruppe aus alko­hol­kran­ken Pati­en­ten ohne Leber­er­kran­kung; dabei konn­ten sie TM6SF2 und MBOAT7 als neue Risi­ko­fak­to­ren iden­ti­fi­zie­ren. Sie haben – so die Ver­mu­tung der For­scher – mit dem Stoff­wech­sel zu tun. Beim Vor­lie­gen von TM6SF2-Muta­tio­nen dürfte der Abtrans­port von Fett­an­tei­len (VLDL) aus der Leber gestört sein. Muta­tio­nen im Gen MBOAT7 könn­ten Ent­zün­dun­gen in der Leber und die Fibro­se­pro­gres­sion för­dern.
APA/​Nature Genetics

Mono­klon­ale Anti­kör­per als Migräneprophylaxe

Mono­klon­ale Anti­kör­per gegen CGRP (Cal­ci­to­nin Gene-Rela­ted Pep­tide) kön­nen Migrä­ne­at­ta­cken ver­hin­dern. Diese Pep­tide – sie gel­ten als die wich­tigs­ten Boten­stoffe bei der Ent­ste­hung einer Migräne – wer­den aus Ner­ven­zel­len frei­ge­setzt, über­tra­gen Schmerz­si­gnale und erwei­tern die Blut­ge­fäße. Mono­klon­ale Anti­kör­per gegen CGRP zir­ku­lie­ren nach der Anwen­dung im Kör­per, erken­nen eine bestimmte Ober­flä­chen­struk­tur von CGRP und des CGRP-Rezep­tors, bin­den daran und blo­ckie­ren die Wei­ter­lei­tung des Migrä­ne­si­gnals. Vier ver­schie­dene mono­klon­ale Anti­kör­per wur­den an ins­ge­samt rund 1.000 Pati­en­ten getes­tet; alle haben zu einer Abnahme der Migrä­ne­at­ta­cken geführt. Neben­wir­kun­gen sind gleich häu­fig auf­ge­tre­ten wie in den Kon­troll­grup­pen, die Pla­ce­bos bekom­men hät­ten. Die Wis­sen­schaf­ter stu­fen diese neuen für die Migrä­ne­pro­phy­laxe ent­wi­ckel­ten Medi­ka­mente als „erfolg­reich und hoff­nungs­voll“ ein.
APA

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 21 /​10.11.2015