Medikamente und Sport: Ungewollt gedopt

10.09.2015 | Medizin


Nicht immer verbergen sich hinter einem positiven Dopingtest unehrenhafte Absichten. Ungefähr 2.000 von 12.000 Arzneimitteln des Austria Codex enthalten Substanzen, die auf der Verbotsliste der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) stehen. Eine rasche Übersicht gibt die MedApp der Nationalen Anti-Doping-Agentur Austria.
Von Verena Ulrich

Speziell bei Spitzensportlern gilt bei der Einnahme von Medikamenten besondere Vorsicht, da von den über 12.000 Präparaten, die im Austria Codex registriert sind, circa ein Sechstel verbotene Substanzen enthalten oder mit verbotenen Methoden verabreicht werden. „Die meisten Substanzen, die auf der Verbotsliste der Welt-Anti-Doping-Agentur stehen, kommen ja aus dem medizinisch-therapeutischen Bereich, wo sie Sinn machen, wenn sie eingesetzt werden“, erläutert Univ. Prof. Norbert Bachl, Leiter des Instituts für Sportmedizin der Universität Wien. Einem Sportler, der den Anti-Doping-Bestimmungen unterliegt, können diese Substanzen jedoch zum Verhängnis werden, auch wenn er sie nicht missbräuchlich verwendet.

Verhängnisvolle Substanzen

„Vermeintlich harmlose Grippemittel enthalten beispielsweise oft Pseudoephedrin und das ist ein Stimulans, das im Wettkampf verboten ist“, so David Müller, Leiter Information und Prävention von der Nationalen Anti-Doping-Agentur Austria (NADA). Ebenfalls im Wettkampf verboten sind Glukokortikoide, wenn sie systemisch angewendet werden, das heißt oral, intravenös, intramuskulär oder rektal. Auch Asthmatiker müssen aufpassen. In vielen Asthmasprays sind Beta-2-Agonisten zu finden, die prinzipiell verboten sind. Laut Müller wurden die Bestimmungen dahingehend allerdings gelockert: „Bei Salbutamol, Formoterol und Salmeterol wurde ein Grenzwert festgelegt. Wenn sich der Sportler an die vorgeschriebene Medikation hält, überschreitet er diesen Wert nicht.“ Um Missverständnisse zu vermeiden, bietet die NADA Austria für Sportler und ihre behandelnden Ärzte Unterstützung durch eine Online-Medikamentenabfrage, die alle Medikamente des Austria Codex auf ihre Zulässigkeit nach der aktuellen Verbotsliste klassifiziert. „Ein Service, das seit diesem Jahr auch als kostenlose App genutzt werden kann“, ergänzt Müller. Falls ein Präparat verboten ist, geben weiterführende Hinweise Auskunft, ob das Verbot jederzeit, nur im Wettkampf oder nur für bestimmte Sportarten gilt.

Ausnahmen mit Ausnahmeregelung

Sollte es keine geeignete therapeutische Alternative geben und die Behandlung medizinisch notwendig sein, muss der Sportler eine sogenannte Medizinische Ausnahmegenehmigung (Therapeutic Use Excemption – TUE) einholen. Dazu muss ein Formular gemeinsam mit dem behandelnden Arzt ausgefüllt und vom Athleten selbst eingereicht werden. „Sportler, die einem Testpool angehören, müssen den Antrag auf medizinische Ausnahmegenehmigung vor der beabsichtigten Behandlung stellen. Alle Sportler, die keinem Testpool angehören, können einen TUE-Antrag retrospektiv im Zusammenhang mit einem eingeleiteten Dopingkontroll-Verfahren stellen“, erklärt Müller. Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) bietet auf ihrer Website eine ganze Reihe an Diagnose-Kriterien für häufige Erkrankungen an. Diese Dokumente unterstützen den behandelnden Arzt bei der Bereitstellung aller relevanten Informationen für einen allfälligen Antrag auf Medizinische Ausnahmegenehmigung. Nähere Informationen dazu gibt es unter www.nada.at/medizin.

Nahrungsergänzungsmittel werden meist als völlig unbedenklich eingeschätzt – oft zu Unrecht, da diese keinen hohen Qualitätsstandards unterliegen. Bei der Analyse von Nahrungsergänzungsmitteln wurden in mehreren unabhängigen Studien bei bis zu 25 Prozent der Produkte verbotene Substanzen gefunden. „Anders als bei jenen Medikamenten, die im Austria Codex verzeichnet sind, kann man bei Nahrungsergänzungsmitteln nicht davon ausgehen, dass (nur) das was auf der Verpackung steht auch drinnen ist“, gibt Bachl zu bedenken. Besonders problematisch sind Präparate, die im Internet bestellt werden. Untersuchungen der österreichischen Arzneimittelbehörde zufolge ist bei Bestellungen im Internet von einer Fälschungsquote von bis zu 95 Prozent auszugehen. Neben den üblichen Inhaltsstoffen finden sich in den Produkten häufig anabole Steroide oder Pro-Hormone. Die Verunreinigung ist vom Hersteller nicht immer beabsichtigt. Oft sind auch falsche Lagerung oder mangelhaft durchgeführte Reinigungsprozesse die Ursache. „Es genügen oft schon mikroskopische Spuren und das Präparat ist verunreinigt“, erklärt Müller. Sportlern wird daher geraten, Nahrungsergänzungsmittel nur aus vertrauenswürdigen Quellen zu beziehen. „Die meisten Verbände haben eine Liste mit Zusatzpräparaten, die regelmäßig getestet werden und die frei von hormonellen Verunreinigungen sind. Wer sich an diese Liste hält, ist üblicherweise nicht in Gefahr“, sagt Bachl.

Doping durch verseuchtes Fleisch

In Ausnahmefällen kann auch der Verzehr von mit verbotenen Substanzen verseuchtem Fleisch zu einem positiven Dopingtest führen. So wurden beispielsweise 2011 bei der U17-Fußball WM in Mexiko 109 der 208 Nachwuchsspieler positiv getestet. Die FIFA ging diesem „Massendoping“ auf den Grund und stellte fest, dass mit dem Kälbermastmittel Clenbuterol kontaminiertes Fleisch die Ursache war. In einigen Ländern werden Beta-2-Agonisten wie Clenbuterol in der Viehzucht eingesetzt, um die Produktionsquoten zu erhöhen. Besonders betroffen sind Studien zufolge China und Mexiko. Die NADA rät Sportlern daher, bei Großveranstaltungen in diesen Regionen sich ausschließlich im Athletendorf zu ernähren. Bachl sieht den Verzehr von verseuchtem Fleisch jedoch eher als Schlupfloch für Dopingbetrüger. „Es gibt wenige Regionen in denen das bei wirklich stark überhöhtem Fleischkonsum passieren kann. Aber in der Regel sind das meist Ausreden“, sagt er.

Tipp: www.nada.at; www.wada-ama.org


MedApp
Die MedApp der Nationalen Anti-Doping-Agentur Austria (NADA Austria) ermöglicht es sowohl Ärzten als auch Sportlern, österreichische Medikamente rasch und einfach auf verbotene Substanzen zu prüfen. Diese kostenlose App steht für Android und iOS zur Verfügung. Damit können sämtliche im Austria Codex geführte Medikamente entweder mittels Barcode-Scanner oder per Eingabe auf ihren Status hinsichtlich der aktuellen weltweit gültigen Verbotsliste der Welt-Anti-Doping-Agentur abgefragt werden. Diejenigen Medikamente oder Substanzen, die nicht in der Datenbank der „MedApp“ enthalten sind, wurden entweder im Ausland gekauft oder sind nicht im Austria Codex gelistet wie zum Beispiel Nahrungsergänzungsmittel oder homöopathische Präparate. Alternativ steht auch online eine Abfragemöglichkeit zur Verfügung: www.nada.at/medikamentenabfrage.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 17 / 10.09.2015