Grazer Fortbildungstage 2015: Resilienz als Grundhaltung

10.09.2015 | Medizin


Resilienz steht für die Fähigkeiten, die notwendig sind, um mit Druck, Belastungen, Veränderungen, Rückschlägen und Ungewissheit im alltäglichen und beruflichen Leben zurechtzukommen. Selbstbewusstsein und Gelassenheit zählen ebenso dazu wie Menschlichkeit, Humor und Handlungsfähigkeit. Ein Seminar bei den Grazer Fortbildungstagen Anfang Oktober ist diesem Thema gewidmet.
Von Irene Mlekusch

Grundlegend benötigt jeder Mensch ein gewisses Maß an Resilienz um mit den Stressoren und Anforderungen des Lebens zurechtkommen. Vor allem Ärzte und deren Mitarbeiter sind immer wieder emotionalen Herausforderungen ausgesetzt, daneben beanspruchen Bürokratie und Verwaltungsaufwand ebenso die Aufmerksamkeit wie fordernde Patienten und die Angst vor Kunstfehlern. „Da die Rahmenbedingungen des Jobs nicht geändert werden können, ist es hilfreich, psychologische Widerstandsfähigkeit zu entwickeln“, erklärt Joachim Schreiber, Unternehmensberater, Personalentwickler, Mentalcoach und Trainer in Graz. Er leitet bei den diesjährigen Grazer Fortbildungstagen das Seminar „Wie ein Fels in der Brandung – Stärke und Stabilität entwickeln“. Der Begriff Resilienz steht zusammenfassend für die Fähigkeiten, die notwendig sind, um mit Druck, Belastungen, Veränderungen, Rückschlägen und Ungewissheit im alltäglichen und beruflichen Leben in gesundheitserhaltender Weise zurechtzukommen. „Ein resilienter Mensch findet schnell seinen Weg in die Stabilität zurück und fühlt sich nicht ausgeliefert“, sagt Schreiber. Eigenschaften, die resilienten Menschen zugesprochen werden, sind demnach Selbstbewusstsein, Gelassenheit, Humor, Menschlichkeit, Zuversicht, Zielorientierung, Krisenstabilität, Handlungsfähigkeit, Produktivität, Intelligenz und Selbstreflexion. Grundsätzlich ist die Resilienz ein dynamisches Produkt der Interaktionen zwischen Mensch und Umwelt, welches sich im Laufe des Lebens weiterentwickelt. „Gewisse Fähigkeiten sind entweder bereits angeboren oder erlernt. Diese und auch andere Fähigkeiten können aktiv verbessert werden“, erklärt Schreiber. Grundlegend werden sieben Faktoren beschrieben, die in Summe einen resilienten Menschen ausmachen: Optimismus, Akzeptanz, Lösungsorientierung, Selbststeuerung, Verantwortung übernehmen, Beziehungen gestalten und Zukunft gestalten. Wobei die verschiedenen Eigenschaften unterschiedlich ausgeprägt sein können. Schreiber nennt zuerst den Optimismus: „In der Zukunft alles nur schwarz zu sehen, kann verbessert werden, wenn dieses Verhalten bewusst gemacht und gedanklich eine neue Richtung gegeben wird.“ Ein realistischer Optimist kann auch in sehr schwierigen Situationen etwas Positives entdecken und ist seinen Mitmenschen gegenüber eher nachsichtig.

Ein weiterer Faktor ist die Lösungsorientierung, wozu auch eine gute Selbstorganisation gehört. Wer ein hohes Maß an Resilienz aufweist, analysiert ein Problem zeitlich und inhaltlich, entwickelt Alternativen und sieht Auswege. „Techniken der Problemlösung und Akzeptanz können gelernt werden. Wichtig ist auch, zu klären, woher man sich Antrieb und Motivation holen kann.“ Die Gestaltung und Pflege von Beziehungen bringt dabei Stabilität. „Eingebettet in ein soziales Netzwerk mit Familie und Freunden wird man mit Schwierigkeiten besser fertig“, betont Schreiber und erinnert gleichzeitig daran, dass Beziehungen gepflegt werden müssen.

Vor allem bei starker beruflicher Beanspruchung kann es zur Vernachlässigung der Beziehungen kommen, was wiederum zu sozialer Verarmung führen kann. Besonders im medizinischen Bereich kann der Austausch im kollegialen Umfeld hilfreich sein und die eigene Wertschätzung erhöhen. Schreiber fasst den Vorteil guter Beziehungen kurz und schlüssig zusammen: „Geteiltes Leid ist halbes Leid.“ Berufliche Spannungen können auch mithilfe sportlicher oder kultureller Aktivitäten sowie Hobbys und aktiver Freizeitgestaltung abgebaut werden. Um trotz eines vollen Terminkalenders Zeit für Sport, Beziehungen und andere Interessen zu finden, bedarf es wiederum einer guten Selbstorganisation und eines bewussten Zeitmanagements. Abgesehen davon, sich zeitliche Ressourcen zu schaffen, sind resiliente Menschen aktive Gestalter ihrer Zukunft. „Welchen Sinn hat mein Leben? Was sind meine Ziele? Habe ich genug Zeit und Energie für die Ziele meines Lebens?“, sind laut Schreiber wesentliche Fragen, die man sich stellen sollte. Sich neue Ziele zu setzen und konsequent, gelassen und selbstbewusst die notwendigen Schritte zu deren Umsetzung in die Wege zu leiten, ist ein deutliches Zeichen für Resilienz. Diese Menschen haben ein klares Bild von dem was sie erreichen möchten, ohne sich in Tagträumen zu verlieren oder auf jede Herausforderung zu stürzen.

Ruhig bleiben – auch unter Druck

Auch Menschen, die ihre Gefühle besser im Griff haben und nicht den eigenen Emotionen ausgesetzt sind, verfügen über ein höheres Maß an Resilienz. Selbstregulation, Emotionssteuerung und Impulskontrolle sind Faktoren, die dabei helfen, in Drucksituationen ruhig zu agieren. „Gefühle sollen nicht unterdrückt, sondern reguliert werden“, rät Schreiber. Resiliente Menschen nehmen ihre Gefühle bewusster wahr und können diese durch bestimmte Verhaltensweisen und Techniken steuern. Eine gesunde Impulskontrolle ist förderlich für die Konzentration über einen längeren Zeitraum, Ablenkung bekommt so wenig Chance. Arbeitsabläufe können so zu Ende gebracht werden, woraus sich große Zufriedenheit schöpfen lässt. Unter Selbstwirksamkeit versteht man den Wunsch, Herausforderungen anzunehmen und Dinge selbst zu beeinflussen. „Selbstwirksamkeit ist das Gegenteil von Hilflosigkeit. Diese Menschen wollen etwas bewegen können“, sagt Schreiber. Das Akzeptieren der Realität, der bewusste Umgang mit Grenzüberschreitungen und die Übernahme von Verantwortung sind wesentliche Faktoren der Resilienz.

Abgrenzung ist vor allem im medizinischen Bereich ein wichtiges Thema. Immer wieder neigen Patienten dazu, die Verantwortung an den Arzt und das medizinische Personal abzuladen; vor allem junge Ärzte sind gefährdet, alles auf sich zu nehmen. „Es ist wichtig, nicht zu lange in der Opferrolle zu verharren und die Verantwortung auch an den Patienten zu übergeben“, berichtet Schreiber. Abgrenzungen im Kontakt mit Patienten und Kollegen stehen einem emphatischen Verhalten dabei aber nicht im Wege.

„Der Begriff der Resilienz spricht das ganz tiefe Menschsein an“, fasst Schreiber zusammen und betont ein weiteres Mal, dass jeder Mensch über ein gewisses Maß an Resilienz verfügt, um mit den Härten des Lebens zurechtzukommen.


26. Grazer Fortbildungstage, 5. bis 10. Oktober 2015
Veranstalter: Ärztekammer für Steiermark/Fortbildungsreferat,
Tel.: 0316/8044/37, E-Mail: fortbildung@aekstmk.or.at
www.grazerfortbildungstage.at

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 17 / 10.09.2015