KunstHausWien: Rinko Kawauchi: Kleine Augenblicke ganz groß

10.05.2015 | Horizonte

Sie spielt mit dem Licht, fängt flüchtige Augenblicke ein und stellt sie in den Fokus: Ihre zurückgenommenen, ruhigen Motive wirken wie Poesie; andere sind bewegt und explosiv. So schließt die japanische Fotografin Rinko Kawauchi den Kreislauf des Lebens: vom Wachstum bis zur Zerstörung. Zu sehen sind viele ihrer Werke jetzt im KunstHausWien.Von Marion Huber

Sie sind geprägt von einem beeindruckenden Spiel mit dem Licht: mal sanft und still, mal schillernd und grell – die Augenblicke aus dem Alltag, die die japanische Fotografin Rinko Kawauchi in ihren Aufnahmen festhält. Passend ist daher der Titel einer ihrer jüngsten Serien: „Illuminance“. Genau diesen Namen trägt auch die aktuelle Ausstellung der Künstlerin im KunstHausWien. Es ist die erste umfangreiche Mid-Career-Retrospektive von Kawauchi in ganz Europa.

Poesie auf Fotopapier

Es sind kleine Gesten und Berührungen: eine Eule, die den Betrachter weise und neugierig anblickt; Wasser, das still dahinfließt oder rauschende Wirbel bildet; ein rosafarbenes Blütenmeer, auf das Sonnenlicht aus dem Hintergrund fällt. Wahre Poesie – gebannt auf Fotopapier. Kawauchi zeigt in ihren Fotografien aber auch den rauen Asphalt der Stadt, eiserne Bauteile und Glasscherben auf dem Fußboden. So schließen sich darin die Kreisläufe des Lebens: von der Geburt über Wachstum und zur Blütezeit bis hin zum Verfall, der Zerstörung und wieder zu einem neuen Anfang, zu neuem Leben. Ihre Motive sind in ein- und derselben Serie einmal zurückgenommen und strahlen Ruhe aus; ein anderes Mal wieder sind sie explosiv, wild und bewegt. Eines haben sie alle gemeinsam: Sie bilden Alltägliches als etwas Besonderes und Außergewöhnliches ab.

Als Betrachter ist man fasziniert und berührt von der simplen Schönheit und Ausdrucksstärke ihrer Fotografien. „Es gehört zur Kawauchi-Mythologie, dass die Künstlerin sich hauptsächlich mit den alltäglichen, kleinen, unbedeutenden Dingen und Augenblicken des Lebens beschäftigt und sie zu etwas Transzendentem von hypnotisierender Schönheit erhebt.“ – treffender als David Chandler im aktuellen Buch der Künstlerin „Illuminance“ (2011, Kehrer Verlag, Heidelberg) könnte man es kaum formulieren.

1972 in der japanischen Präfektur Shiga geboren, lebt und arbeitet Kawauchi heute in Tokio. Fast über Nacht hat die junge Künstlerin 2001 die japanische Fotografie erobert, als sie drei beeindruckende Fotobücher – Utatane, Hanabi und Hanako – zeitgleich veröffentlichte. Nicht nur in Japan, auch weltweit war sie damit eine der innovativsten Neuentdeckungen und machte sich in der zeitgenössischen Fotografie schnell einen Namen.

Den Beginn der Ausstellung im KunstHausWien bildet jene Serie aus den Jahren 2007 bis 2011, die ihr den Titel gibt: „Illuminance“. Einmal mehr macht auch diese Serie deutlich, wie sensibel Kawauchi die Welt wahrnimmt: Das Einfangen von flüchtigen Momenten, spezielle Farben und Beleuchtungen, ungewöhnliche Motive zeichnen die Serie aus.

In „Aila“ (2004) sind Leben und Tod von Mensch und Tier prägende Themen, die „Wunder der Welt“ im Kleinen und Großen: neugeborene Vögel in ihrem Nest, ein Schildkröten-Baby, Glasscherben über einen Holzfußboden verstreut. Dem Kreislauf des Lebens widmet sich auch die Serie „Cui Cui“ (2005). Ein altes Ehepaar geht im Nebel einen von kahlen Bäumen gesäumten Weg entlang – er mstützt sich auf einen Gehstock, sie stützt ihn; eine alte Frau sitzt im Garten, neben ihr steht ein kleines Mädchen in einem bunten Kinder-Planschbecken… Szenen und Momentaufnahmen, wie sie jeder auch zuhause erleben würde, wie man sie in der Nachbarschaft sehen könnte.

Der aufmerksame Betrachter spürt es sofort: Der Zugang von Kawauchi ist in dieser Serie ein ganz persönlicher. Es sind Erinnerungen an ihre Heimat und Familie – schlicht, zurückhaltend und bescheiden. Wie in einem Fotoalbum, das über mehr als ein Jahrzehnt hinweg entstanden ist. Während Kawauchi in ihren ersten Arbeiten vorwiegend auf das Nahe und Kleine fokussiert, ist ihr Blick in der Serie „Ametsuchi“ (2012-2013) weiter und umfassender. Weite Ebenen, auf denen man in der Ferne Menschen erkennt; Hügel, die in Flammen stehen; Hänge, von denen Rauch emporsteigt, und abgebrannte Flächen zeigen in diesen Aufnahmen eine traditionelle Brandrodung im Süden Japans. Neben den eher bekannten Serien von Kawauchi ist der Ausstellung im KunstHausWien etwas Besonderes vorbehalten: Speziell für diese Retrospektive schuf die Künstlerin die neue Werkgruppe „Search for the Sun“ (2015). Dafür reiste Kawauchi auf Einladung des KunstHauses im Dezember 2014 nach Österreich und fotografierte unter anderem in der „Münze Österreich“ in Wien und in der Gletscherwelt des Dachsteins.

Was, Wann, Wo:

„Rinko Kawauchi. Illuminance“
Bis 5. Juli 2015, KunstHausWien

Museum Hundertwasser
Untere Weißgerberstraße 13, 1030 Wien
www.kunsthauswien.com

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 9 / 10.05.2015