Lillian Bassman und Paul Himmel: Ein Paar, das die Fotografie revolutionierte…

25.01.2015 | Horizonte

Das Ehepaar Lillian Bassman und Paul Himmel hat durch neue, experimentelle Aufnahmetechniken und Bildbearbeitung die frühe amerikanische Fotografie revolutioniert. Das Kunst Haus Wien zeigt erstmals in Österreich Werke des US-amerikanischen Künstlerpaars. Von Marion Huber

Es ist eine Premiere: In einer umfassenden Retrospektive sind im Kunst Haus Wien erstmals in Österreich die Werke der US-amerikanischen Fotografen Lillian Bassman und Paul Himmel zu sehen. 77 Jahre lang haben sie als Paar zusammen gelebt und zugleich jeder für sich einen einzigartigen Fotografie-Stil entwickelt. Sie haben sich in ihrer Arbeit nicht nur stark beeinflusst; es gab auch große kreative Spannungen: eine Symbiose zweier künstlerischer und privater Leben, die ihresgleichen sucht. Bassman hat die Mode-Fotografie revolutioniert, indem sie erstmals versucht hat, die Aura der Kleider und den Ausdruck der Models einzufangen. Sie ist für die Nachbearbeitung und Verfremdung ihrer Fotos in der Dunkelkammer ebenso bekannt wie Himmel für seine extremen Kameraeinstellungen, Überund Langzeitbelichtungen.

Als die beiden einander zum ersten Mal in New York begegnen ist Lillian gerade einmal sechs Jahre alt, Paul ist neun. Ein Jahrzehnt später kreuzen sich ihre Wege erneut; sie verlieben sich und heiraten. Lillian wird später Fotografen-Assistentin beim Mode-Magazin Harper‘s Bazaar. Dann beginnt auch Paul professionell zu fotografieren. Seine erste Mode strecke erscheint unter der Regie seiner Frau, die inzwischen Art Direktorin bei dem neu gegründeten Ableger-Magazin Junior Bazaar geworden ist. Bassman entwickelt als Modefotografin ihren ganz eigenen, unvergleichlichen Stil. Eleganz prägt ihre Bilder und neue experimentelle Verfahren lassen sie besonders ästhetisch erscheinen; ihre Schwarz-Weiß-Aufnahmen muten geradezu malerisch an. Ungewöhnlich für die damalige Zeit ist nicht nur ihr Stil; auch der Frauentypus entspricht nicht dem klassischen Bild: Sie bevorzugt für ihre Inszenierungen langgliedrige, schwanengleiche Frauen.

Mit Bildern experimentieren

Ungewöhnlich, zeitlos und modern ist damals auch das Werk von Paul Himmel. Wie seine Frau experimentiert auch er mit seinen Bildern, erforscht immer neue Aufnahmetechniken und sprengt die bekannten Grenzen der Fotografie. Lange Verschlusszeiten und Bewegung prägen seine Arbeit. Seine Aufnahmen vom New York City Ballet aus den 1950er-Jahren gingen in die Fotografie-Geschichte ein. Himmel hält den Tanz dabei nicht in Standbildern, sondern in fließenden Bewegungsstudien fest. Die Fotografien wirken fast verschwommen; es scheint als würde die Schwerkraft außer Kraft gesetzt, als schwebten die Tänzer über dem Parkett.

Eine der ersten Ausstellungen, durch die Himmel bekannt wird, ist die weltberühmte Wanderausstellung „The Family of Man“, die 1955 im Museum of Modern Art (MoMA) in New York ihren Anfang nahm. Die Einladungskarte dieser Schau zeigt nämlich eines seiner Werke – das sogenannte „Botticelli Girl“. In den darauffolgenden Jahren aber entwickelt sich die Arbeit von Himmel immer mehr zur freien Kunst. Er experimentiert derart radikal mit Überund Langzeitbelichtungen, dass er keine kommerziellen Aufträge mehr bekommt – Himmel ist seiner Zeit zu weit voraus. Nachdem seine Serie „Nudes“ in den Medien nicht positiv aufgenommen wird, verliert er das Interesse an der Fotografie. Er beendet seine Karriere schon 1969 und wird Psychotherapeut.

Kommerzialisierung der Fotografie

Wie ihr Mann sieht es auch Bassman kritisch, dass die Fotografie immer stärker kommerzialisiert wird; und so wendet auch sie sich von der aktiven Fotografie ab und widmet sich der Lehrtätigkeit. Erst als sie Anfang der 1990er Jahre Negative ihrer Modebilder aus den 1950er Jahren wiederentdeckt, beginnt sie wieder zu fotografieren und mit den Negativen zu experimentieren. Noch Jahrzehnte bevor die Digitalisierung in die Fotografie Eingang findet, manipuliert Bassman ihre Bilder mithilfe digitaler Techniken. Sie verleiht ihnen stärkere Kontraste und interpretiert sie neu. Es sind keine geringeren als Modedesigner wie John Galliano und Art-Direktoren von Zeitschriften wie Vogue oder New York Times, die ihre Arbeit dadurch neu entdecken und sie mit Mode-Aufnahmen beauftragen. Bassman ist damals bereits über 70 Jahre alt.

Das Paar, das die frühe amerikanische Fotografie revolutionierte, wird erst durch den Tod von Paul Himmel 2009 getrennt. Die weltweit erste gemeinsame Ausstellung der beiden wird kurz nach seinem Tod im November 2009 in Hamburg eröffnet. Seine Frau kann dort noch anwesend sein; sie stirbt drei Jahre später im 94. Lebensjahr.

Was, Wann, Wo:

„Lillian Bassman & Paul Himmel. Zwei Leben für die Fotografie“

Bis 8. März 2015

Kunst Haus Wien
Untere Weißgerberstraße 13, 1030 Wien

www.kunsthauswien.com

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 1-2 / 25.01.2015