Klimt, Schiele und Kokoschka: Die Frau im Fokus

15.12.2015 | Horizonte

In einer Zeit, in der das Frauenbild im Wandel war, haben die drei bedeutendsten Maler der Wiener Moderne – Klimt, Schiele und Kokoschka – die Auseinandersetzung mit Frauen in den Mittelpunkt ihres Schaffens gerückt. Porträts, Paar-Werke und provokante, freizügige Akte: Im Unteren Belvedere in Wien werden sie aktuell in einer Ausstellung gezeigt. Von Marion Huber

Welch zentrale Rolle die Frau im Werk von Klimt, Schiele und Kokoschka spielt, sagt schon der Titel der aktuellen Ausstellung im Belvedere in Wien: „Klimt, Schiele, Kokoschka und die Frauen“. Was daran besonders war? Mit ihrem offenen und freizügigen Bekenntnis zur sexuellen Lust der Frau haben sie die österreichische Kunst des frühen 20. Jahrhunderts provoziert und in Aufruhr versetzt.

Damals haben die „Frauenfrage“, die Frage um traditionelle Geschlechterrollen und die Gleichstellung von Mann und Frau die Gesellschaft bewegt. In einer Ausstellung im Unteren Belvedere in Wien wird jetzt gezeigt, wie Gustav Klimt, Egon Schiele und Oskar Kokoschka diese bedeutenden Themen der damaligen Zeit verarbeitet haben. Vier Hauptthemen sind es, in die Kuratorin Jane Kallir die Schau gegliedert hat: Porträt, (Liebes-)Paar, Mutter und Kind sowie Akt.

Als Leihgaben konnte das Belvedere bedeutende Werke gewinnen: Von Klimt etwa „Die drei Lebensalter der Frau“ aus der Galleria Nazionale d’Arte Moderna in Rom, seine „Hermine Gallia“ aus der National Gallery in London, von Schiele das „Bildnis Gerti Schiele“ aus dem MoMA (Museum of Modern Art) in New York oder von Kokoschka „Die Sklavin“ aus dem Saint Louis Art Museum. Was man in der Ausstellung auch versucht: mit Begleittexten den Bildern Kontext zu verleihen. Geschrieben sind die Texte, als hätten sie die Porträtierten selbst verfasst; sie erzählen über die Entstehung der Werke und über ihr eigenes Leben.

Porträt: von reich verziert bis schlicht

Wir kennen sie alle – die leuchtenden, eleganten und mit Ornamenten reich verzierten Porträts von Gustav Klimt. Indem er die Leinwand derart reich mit Ornamenten geschmückt hat, hat er die individuelle Persönlichkeit seiner Modelle fast vollkommen in den Hintergrund gerückt. Schiele und Kokoschka haben in ihren Porträts diese dekorative Formel umgekehrt: Ihre Modelle sind schlicht von einer bildnerischen Leere umgeben. Damit haben sie die Frau selbst in den Mittelpunkt gestellt – ganz im Gegenteil zum damaligen Bild der Frau: seelenlos und willenlos zu sein.

Schiele, Kokoschka wie auch Klimt haben sich auch mit Liebespaaren, der romantischen Liebe und Seelenverwandtschaft auseinandergesetzt. Mit dem Unterschied, dass Schiele und Kokoschka persönliche Erfahrungen in ihre Darstellungen von Liebespaaren mit einfließen ließen. Was dabei auffällt: Ihre Darstellungen von glücklichen Liebenden wirken stets nicht so überzeugend wie jene von glücklos verlaufenden und scheiternden Beziehungen.

So wie sich die Sicht auf Geschlechterrollen und das Frauenbild in der damaligen Zeit geändert hatten, hat sich auch eines der ältesten Bildthemen der westlichen religiösen Kunst mit gewandelt: die Mutter mit ihrem Kind. Klimt und Schiele durchbrachen auch bei diesem Thema die traditionellen Vorstellungen und verwendeten Schwangere und Mütter als Modell für ihre Akte. Das widersprach auch völlig der damaligen Ansicht, dass es nur zwei Kategorien von Frauen gäbe: entweder keusch und mütterlich oder schamlos. Klimt und Schiele aber haben mit ihren Akten ausdrücklich gezeigt, dass Mutterschaft und weibliche Sexualität nicht im Gegensatz stehen, sondern verbunden sind. Kokoschka hingegen hat seine Geliebte Alma Mahler in seinen Werken wiederholt als Jungfrau Maria gemalt. Im Gegensatz zu den Akten von Klimt, die von verführerischer Schönheit sind, wirken jene von Schiele und Kokoschka schroffer: Runde weibliche Kurven werden von kantigen Linien kaschiert, markante Bildausschnitte und ungleichmäßige Farbigkeit prägen die Darstellungen der Körper. Auch wirken die Frauen in den Akten so, als wäre ihnen bewusst, dass sie beobachtet werden – ganz anders als bei klassischen Akten scheinen sie von der Situation unangenehm berührt.

Gustav Klimt zählt neben Egon Schiele und Oskar Kokoschka zu den wichtigsten erotischen Malern seiner Epoche. Was er getan hat, war für die damalige Zeit mehr als ungewöhnlich: Er hat sich auf die weibliche Lust und Intimität konzentriert und hat sie als Erster in seiner Kunst ganz ohne Scham und Angst dargestellt. Besonders seine freizügigen Zeichnungen von sich selbst befriedigenden Frauen haben Aufsehen erregt. Kein anderer Künstler seiner Zeit hat dieses Tabuthema derart deutlich und unmissverständlich – sogar als eigenes Genre – abgehandelt.

Auch Egon Schiele war aufgrund seiner Zeichnungen mit Anklagen wegen Obszönität und Verstößen gegen die Sittlichkeit konfrontiert. Und auch Schiele wurde von – ebenso wie Klimt – oft als Pornograf abgetan. Als Schiele im Alter von knapp 20 Jahren jenes expressionistische Gemälde schuf, mit dem ihm der Durchbruch gelang, war er noch Jugendlicher. Nicht verwunderlich, dass seine künstlerischen Fähigkeiten seiner emotionalen Entwicklung weit voraus waren. So aber konnte er Gefühlen Ausdruck verleihen, die ältere Künstler in der Regel eher unterdrücken.

Was Schiele von Klimt unterscheidet? Im Gegensatz zu Klimt, der zu seinen Geliebten emotional immer auf Distanz blieb, hat Schiele die Grenzen zwischen dem privaten Rahmen seines Ateliers und der Öffentlichkeit überschritten. Er hat sich öffentlich zu seiner Geliebten und Muse Wally Neuzil bekannt. Geheiratet hat er schließlich aber eine Frau mit höherem sozialem Status – was auch seine Arbeit geprägt hat. Gerade in der Phase zwischen Wally und seiner Ehe wurden seine Porträts einfühlsamer, seine Akte hingegen distanzierter und weniger provokativ als früher. Schieles Werk spannt den Bogen von der Jugend bis zum Erwachsenenalter und kann somit als vollendet angesehen werden.

Im Wien des frühen 20. Jahrhunderts machte sich Oskar Kokoschka als „Oberwildling“ einen Namen. Seine Porträts und Theaterstücke waren kontrovers, sein kahlrasiertes Auftreten radikal, seine Teilnahme an Kunstschauen teils heftig diskutiert. Ganz anders als Klimt und Schiele, die oft Frauen um sich hatten, trat Kokoschka in seiner Jugend in Liebesdingen meist die Flucht an. Der weibliche Akt war für ihn eine Möglichkeit, sich dem anderen Geschlecht aus der passiven Position zu nähern.

Kokoschkas Akt-Darstellungen sind ganz anders als jene von Klimt oder Schiele: Während sie bei Klimt die Erotik sinnlich darstellen, bei Schiele ganz explizit und direkt, konzentriert sich Kokoschka vielmehr auf die Bewegung des Körpers und möchte den Geist, die Psyche des Modells darstellen. Seine Akte erwecken keinerlei Begierde; auch idealisieren sie den weiblichen Körper nicht. Auch steht das Sexuelle nur bei einem Teil seines vielfältigen Werks im Mittelpunkt. Ab Mitte der 1920er-Jahre haben vermehrt andere Themen, vor allem Städte- und Landschaftsbilder, sein künstlerisches Schaffen geprägt.

„Klimt/Schiele/Kokoschka und die Frauen“

Bis 28. Februar 2016
Unteres Belvedere

Rennweg 6, 1030 Wien
www.belvedere.at

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 23-24 / 15.12.2015