Gabriele Nabinger: Eine Oberärztin als Bürgermeisterin

25.01.2015 | Horizonte

Notärztin, Oberärztin auf der Chirurgie und Bürgermeisterin – all das ist Gabriele Nabinger in der am schnellsten wachsenden Gemeinde von Österreich, im burgenländischen Kittsee. Mit vier Handys organisiert sie ihren Arbeitsalltag zwischen Medizin und Gemeindearbeit.
Von Marion Huber

Ihre vier Handys – ein Bürgermeister-Handy, ein Spitals- und ein Diensthandy sowie ein privates – läuten fast rund um die Uhr. Außer dem Diensthandy sind alle auf ‚stumm‘ geschalten und Gabriele Nabinger ruft dann zurück, wenn sie Zeit hat: „Sonst komme ich überhaupt nicht mehr zum Denken.“ Gabriele Nabinger ist nicht nur dreifache Mutter, sondern auch Oberärztin der Chirurgie am Krankenhaus Kittsee und Bürgermeisterin des Ortes. Umgeben von Feldern und Marillengärten mit einem barocken Schloss: eine beschauliche Marktgemeinde mit etwa 2.700 Einwohnern im nördlichen Burgenland, direkt an der Grenze zur Slowakei bei Bratislava, das ist Kittsee. Kopcany, Köpcsény, Gijeca – das ist jeweils die slowakische, ungarische sowie kroatische Bezeichnung der am schnellsten wachsenden Gemeinde in Österreich. Knapp 38 Prozent der Bevölkerung sind aus dem benachbarten Ausland zugewandert. Auch das ist Kittsee.

Das Amt der Bürgermeisterin im Ort ist Gabriele Nabinger eher zugeflogen. „Geplant war das nicht, auch wenn ich mich schon immer politisch engagiert habe“, erzählt sie. Schon während ihres Studiums war sie politisch aktiv, danach in der Ärztekammer und auch ein paar Jahre im Gemeinderat. Als schließlich ihr Vorgänger 2012 zurückgetreten ist, habe sie die Rolle der Bürgermeisterin kurzfristig übernommen. Bei einer Umfrage vor der Wahl hat Nabinger überraschend 49 Prozent der Stimmen bekommen, ihre beiden Mitstreiter nur 17. „Damit habe ich nicht gerechnet. Erstens bin ich nicht aus der Gemeinde, und zweitens eine Frau.“

Als Frau an der Spitze hat Nabinger in ihrer Gemeinde eine besondere Herausforderung zu bewältigen. Durch die Nähe zu Bratislava – noch dazu, wo jetzt die Grenzen offen sind – ist der Zuzug nach Kittsee stetig gestiegen. Vor allem junge Familien, die aus der Stadt wegziehen wollen, ziehen ins Umland. Auch die Preise sind in Kittsee und Umgebung noch günstiger als in der Stadt, obwohl sie in den letzten Jahren deutlich in die Höhe geschnellt sind, wie die Bürgermeisterin Nabinger weiß: „In den letzten vier, fünf Jahren von 50 Euro pro Quadratmeter auf 160 Euro.“ Das sei aber immer noch günstiger als in Bratislava selbst. Wohnen im Grünen mit der Nähe zur Stadt – 20 Minuten braucht man von Kittsee ins Zentrum von Bratislava. Dabei bietet Kittsee nicht nur das entschleunigte Leben, das viele Menschen heutzutage suchen; auch die Infrastruktur ist für Familien attraktiv. Es gibt einen Kindergarten, eine Volksschule, eine neue Mittelschule, ein Seniorenzentrum, ein Einkaufszentrum etc. Heuer hat die Gemeinde den größten Kindergarten mit Platz für 200 Kinder eröffnet, erzählt Nabinger: „Das ist durch den Zuzug notwendig geworden – und schon wieder sind alle Plätze vergeben.“

Und es gibt ein Krankenhaus; das einzige im Bezirk Neusiedl am See. Seit 1993 gehört das Krankenhaus Kittsee zur Burgenländischen Krankenanstalten- Ges.m.b.H. (KRAGES) und versorgt rund 56.500 Menschen im Bezirk. Es ist „enorm wichtig“ für die Region, ist die Bürgermeisterin überzeugt. „Das Krankenhaus gibt es schon sehr lang, es ist gut etabliert und ein großer Arbeitgeber.“ 120 Betten, knapp 40 Ärzte, mehr als 100 diplomierte Pflegefachkräfte gibt es an diesem Standort. Im Gegensatz zu anderen Spitälern schreibt das Krankenhaus Kittsee schwarze Zahlen, „weil wir sehr gut wirtschaften“, wie Nabinger betont.

Die Nähe zu Bratislava und der Zuzug haben Vor- und Nachteile – das hat Nabinger gelernt. Weil Kittsee relativ rasch wächst, ist das Sicherheitsgefühl der alteingesessenen Bevölkerung Geschichte. „Die Leute sitzen nicht mehr auf dem Bankerl vor ihrem Haus und lassen die Haustüre offen, wie es früher war.“ Auch die Integration ist nicht immer einfach: viele Slowaken, die „neuen Kittseer“, unterhalten sich – wenn sie untereinander sind – in ihrer Muttersprache. Dass Mehrsprachigkeit und Zuwanderung aber auch eine Chance bieten, erlebt Nabinger in der Arbeit im Krankenhaus: „Wir haben kein Problem, Nachwuchs an Ärzten oder Pflegekräften zu bekommen.“ Ärzte, Turnusärzte und Pflegepersonal kommen aus der Slowakei und sind aus Bratislava in kurzer Zeit am Krankenhaus. Das löst zugleich ein weiteres Problem: Die Verständigung oder die Aufklärung von nicht-deutschsprachigen Patienten können Kollegen im Haus übernehmen, die Slowakisch oder Ungarisch und Deutsch sprechen. „Wir sind es gewohnt, mit anderssprachigen Menschen umzugehen“, so Nabinger. Wie sieht nun ein „normaler“ Arbeitstag als Bürgermeisterin und Oberärztin aus? Nabinger macht sich um etwa halb sieben, wenn die Kinder in die Schule fahren, auf den Weg ins Gemeindeamt; um halb acht geht es weiter an die chirurgische Abteilung, bevor es am frühen Nachmittag kurz nach Hause und wieder zurück ins Gemeindeamt geht. Ihre Erfahrung als Ärztin ist es, die Nabinger hilft, diesen herausfordernden Arbeitsalltag zu meistern. Ohne penible Organisation geht da nichts, „aber organisieren kann ich sehr gut“, sagt sie. Denn „als Chirurgin und Notärztin muss man das auch können“.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 1-2 / 25.01.2015