Praxiseröffnung: Eine Frage des Standorts

25.05.2014 | Service


Egal, ob man vor der Eröffnung einer Arztpraxis steht oder auch, wenn man den Eindruck hat, dass die Praxis nicht ganz rund läuft: Eine professionelle Standortanalyse kann weiterhelfen.
Von Alexandra Schlömmer

Wenn es um die Eröffnung einer Ordination geht, ist vor allem der Standort entscheidend. „Dem Standort kommt insofern große Bedeutung zu, als er meist den am wenigsten flexiblen Unternehmensfaktor darstellt und eine falsche Entscheidung nachhaltige Probleme bereitet beziehungsweise nur mit großem Aufwand zu revidieren ist“, erklärt Unternehmensberater Martin Behrens aus Wien. Auch werde es immer wichtiger, den Banken im Vorfeld der Finanzierung einen Businessplan zur Verfügung zu stellen, in dessen Rahmen Standortkriterien einen wichtigen Platz einnehmen, führt er weiter aus.

Die Wahl des Standortes hängt von verschiedenen Einflussgrößen ab; dazu zählen vor allem Nähe, Struktur und die Verteilung von möglichen Patienten. Der Erfolg einer Praxis hängt – ebenso wie für die meisten Anbieter von Dienstleistungen – von der Menge und den Bedürfnissen der Kunden, die sie aufsuchen, ab. Abgesehen von Sonderfaktoren wie etwa der Möglichkeit für Kassenverträge – gelten ähnliche Marktmechanismen wie für herkömmliche Endverbraucher-orientierte Unternehmen. Daneben ist auch die Anzahl und die Qualität der Mitbewerber ein wichtiger Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg. „Die nachhaltige Patientenzufriedenheit ist eine ganz wesentliche Kategorie zur langfristigen Absicherung einer Praxis, zumal die Rahmenbedingungen immer weniger restriktiv und damit liberaler werden“, sagt Behrens.

Laut Behrens gibt es gewisse Affinitäten und Muster als typische Häufigkeitsverteilung für medizinische Probleme in der Bevölkerung. Beispielsweise leiden vorwiegend Kinder und Teenager an Fehlstellungen von Zähnen. Ähnliche Zusammenhänge gibt es für die meisten anderen Fachgebiete, wobei etwa Urologen primär von über 50-jährigen Männern konsultiert werden oder zu den wichtigsten Patienten von Gynäkologen Frauen in einem Alter zählen, in dem Schwangerschaften und Geburten zu erwarten sind. Es gibt demnach allgemeine Anforderungsprofile für eine Praxis und je nach Fachgebiet spezielle Kriterien für den Lokalmarkt. „Daraus ergibt sich gegebenenfalls ein Unterschied bei der Zusammensetzung der Kunden“, so Behrens. „Dazu kommt die Schnelllebigkeit der Zeit, weshalb Standorte mittel- bis langfristig erodieren oder aufgewertet werden können und Szenarien bedeutend sind.“ Auch die Ordinationszeiten hängen vom Lokalmarkt ab und sollten auf die Bedürfnisse der Bevölkerungsstruktur ausgerichtet sein.

Die wichtigsten Fragen zur Standortentscheidung sind:

  • Wie finde ich unerschlossene Nischen?
  • Wie ist die allgemeine Zugänglichkeit und Anbindung?
  • Wie stellen sich in meinem Lokalmarkt Stand, Verteilung und Entwicklung der Wohn- und Arbeitsbevölkerung dar?
  • Wie sind Demographie und Kaufkraft der Bevölkerung?
  • Wo liegen meine Entwicklungspotentiale?
  • Wie stellen sich die medizinische Versorgung im Allgemeinen und der Mitbewerb im Speziellen dar?
  • Wie hebe ich mich vom Mitbewerber ab?
  • Wie denken und handeln meine Patienten oder (noch) Nicht-Patienten?
  • Wie und wo kann ich zusätzliche Patienten erschließen?

Steigender Wettbewerbs- und Kostendruck sowie die zunehmende Vergleich-barkeit medizinischer Dienstleistungen machen eine Differenzierung im Wettbewerb immer wichtiger. Eine bislang oft unterschätzte Chance zur Entwicklung von nachhaltigen und schwer imitierbaren Wettbewerbsvorteilen ist die Wahl des richtigen Praxisstandorts. Eine professionelle Standortanalyse sollte deshalb jede Praxisgründung begleiten, ist Behrens überzeugt. Sie eröffnet auch wirtschaftlich interessante Perspektiven, wenn ein Umzug der Praxis geplant ist. „Genannte Analysen beziehen sich nicht nur auf Gründungen, sondern können als Nachuntersuchung auch auf bestehende Ordinationen mit der Zielrichtung Standortoptimierung angewendet werden“, ergänzt der Unternehmensberater.

Standortanalyse – die Details

Eine Standortanalyse sollte umfassen:

Bevölkerungspotential

  • Angaben über die jeweilige Gemeinde/Stadt
  • Einwohnerzahl/Bevölkerungsstruktur
  • Altersstruktur
  • Schulsituation am Ort und in der näheren Umgebung

Konkurrenzsituation

  • Anzahl der Ärzte
  • Gruppenpraxen
  • Spezialisierung/Fachgebiet
  • Alter dieser Ärzte
  • Neueröffnungen
  • Ärztedichte

Medizinische Versorgung

  • Spitäler/Kliniken
  • Laboratorien
  • Röntgeninstitute
  • Apotheken
  • Physiotherapie-Praxen

Verkehrsverhältnisse

  • Erreichbarkeit
  • Entfernungen und Verkehrsverhältnisse im Einzugsgebiet
  • Parkplätze
  • Barrierefreie Zugänglichkeit

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 10 / 25.05.2014