Ordination 2020: Wie der Ärztenachwuchs die Zukunft sieht

15.12.2014 | Politik

Rund die Hälfte der jährlich 1.380 Absolventen eines Medizinstudiums geht ins Ausland, um als Arzt tätig zu sein. Warum das so ist und welche Strategien notwendig sind für eine Trendumkehr, darüber diskutierten Medizinstudenten und Jungärzte Ende November bei einem Worldcafé, das die ÖÄK erstmals veranstaltet hat.
Von Verena Isak

Rund 30 Medizinstudenten und Jungmediziner sind der Einladung der Österreichischen Ärztekammer ins Novomatic Forum gefolgt, um beim Worldcafé „Ordination 2020“ über ihre Anliegen und Vorstellungen für ihre berufliche Zukunft als (niedergelassene) Ärzte zu diskutieren. Nach einer kurzen Begrüßung geht es los – die Anwesenden werden in sechs Gruppen eingeteilt, die Themen und Tischmoderatoren kurz vorgestellt. Die Regeln sind klar und einfach: sechs Tische, sechs Themen. Nach 15 Minuten sollen die Teilnehmer den Tisch wechseln – allerdings nicht als Gruppe, um so ein möglichst vielfältiges Ergebnis aus den Diskussionen zu bekommen.

In gelöster Atmosphäre diskutieren die angehenden Ärzte beziehungsweise Jungärzte über ihre persönlichen, sozialen und finanziellen Erwartungen als (Land-) Arzt, das Image und Tätigkeitsprofil des Allgemeinmediziners, die organisatorischen Voraussetzungen, die sie für wichtig erachten, um in der Stadt oder am Land eine Praxis zu eröffnen, sowie die Frage, inwiefern das Studium auf eine Niederlassung als Arzt vorbereitet. Die Vorschläge und Inputs werden an jedem der Tische stichwortartig festgehalten.

Wie viele Teilnehmer kann sich auch Silvia Auer, Medizinstudentin im fünften Jahr an der Medizinischen Universität Wien, prinzipiell vorstellen, als Allgemeinmediziner in Österreich zu arbeiten: „Derzeit gibt es großes Verbesserungspotential bei den Arbeitsbedingungen. Schlussendlich hängt es auch davon ab, ob ich mich für Allgemeinmedizin entscheide. Wenn die Bedingungen passen, bleibe ich in Österreich, ansonsten gehe ich nach Deutschland oder in die Schweiz.“

Eine Niederlassung ist jedoch für einen Großteil der Teilnehmer risikoreich. Nicht-medizinische Ausbildungsinhalte wie etwa Buchhaltung, Kostenrechnung, Personalführung oder Marketing werden komplett vernachlässigt, darüber sind sie sich einig. Über den idealen Zeitpunkt, wann diese Themen in die Ausbildung integriert werden sollten, gibt es jedoch verschiedene Vorstellungen. „Während der Ausbildung zum Allgemeinmediziner sollten auch diese Themen inkludiert werden“, meint eine Studentin. „Ich fände es schon im Studium oder Common Trunk besser“, widerspricht ein anderer und ergänzt: „So kann man schon früher feststellen, ob einen das Unternehmerische überhaupt interessiert beziehungsweise liegt.“

Hilfe erwünscht

Mehr Information bereits im Studium wünschen sich die Teilnehmer auch zum Berufsfeld und Tätigkeitsbereich des Allgemeinmediziners. „Ich würde nächstes Jahr sehr gerne einen Teil meines KPJs in einer Lehrpraxis machen wie es zum Beispiel schon in der Steiermark üblich ist, aber an der MedUni Wien nicht angerechnet wird“, erklärt Auer.

Außerdem müsse der Schritt in die Selbstständigkeit erleichtert werden – etwa durch finanzielle Hilfe in Form von zur Verfügung gestellten Räumen, einer von der Gemeinde bezahlten Sprechstundenhilfe, eines vergünstigten Steuersystems oder billigen Krediten in der Gründungsphase oder die Möglichkeit, sich leichter zusammenschließen zu können. „So müsste ich nicht sofort komplett selbstständig eine Ordination führen und könnte von einem erfahreneren Arzt wichtige Dinge lernen und Fehler vermeiden“, meint Marija Domej,b Turnusärztin in einer Lehrpraxis in Wien.

Um am Land eine Praxis zu eröffnen, spielt auch die Infrastruktur eine große Rolle. Gute Kinderbetreuungseinrichtungen und die Möglichkeit, für den Partner auch am Land einen Job zu finden, sind für eine Teilnehmerin wichtige Kriterien. Ein anderer wiederum würde sich mehr Kontakt zur Wissenschaft in Form von mehr Forschung und Weiterbildungen für Allgemeinmediziner wünschen. Das unterstützt auch eine andere Kollegin: „Dadurch würde für mich eine Ordination am Land auch attraktiver werden.“

Die Anwesenden fordern eine bessere Definition der Rolle und Aufgaben des Allgemeinmediziners sowie eine Erweiterung der Kompetenzen. Damit soll die Kluft zwischen dem Landarzt und dem Allgemeinarzt in der Stadt beseitigt werden. Während der Landarzt zwar angesehen ist, wird von ihm erwartet, dass er rund um die Uhr erreichbar ist. Die Tätigkeit als Allgemeinarzt in der Stadt wiederum gilt als eher unattraktiv, da er ja „nur Überweisungen zum Facharzt“ schreibt. Auch soll das Image des Allgemeinarztes sowohl in der Öffentlichkeit als auch unter den Kollegen verbessert werden.

Die Lösung für viele: ein Facharzt für Allgemeinmedizin, laufende Qualitätssicherung sowie eine Erneuerung des Leistungskatalogs. „Momentan verdient ein Allgemeinmediziner durch die Masse an Patienten. Viele Leistungen kann er der Krankenkasse aber nicht verrechnen, also schreibt er eher eine Überweisung zu einem Facharzt. Das ist jedoch ein Teufelskreis, denn so wird das Bild verstärkt, dass ein Allgemeinarzt nichts kann und nur Überweisungen schreibt beziehungsweise Rezepte ausstellt“, kritisiert eine Studentin die derzeitige Situation.

Generell wird auch gefordert, dass die Leistung adäquat und besser als bisher bezahlt werden muss. „Wir sollten mehr verdienen – schon allein wegen der hohen Verantwortung“, meint eine Teilnehmerin. Einen möglichen Zuverdienst sieht sie in einer Hausapotheke.

Große Diskrepanz

Auch Katja Fischer spielt mit dem Gedanken, nach Abschluss ihres Medizinstudiums ins Ausland zu gehen, falls sich die momentanen Bedingungen nicht ändern. „Es ist mir ein großes Anliegen, meine Interessen anzubringen, da die Wünsche und Erwartungen von uns Jungen sonst nicht viel Eingang bei Entscheidungen finden“, sagt die KPJ-Studentin. „Die Generation 50 plus trifft unsere Entscheidungen. Es gibt allerdings eine große Diskrepanz zwischen dem, was sie glauben, das wir wollen, und dem, was wir wirklich wollen.“ Sie fühlt sich durch die Diskussion allerdings bestärkt: „Man sieht, dass sich etwas tut und man dran ist, etwas zu ändern.“ Was sie sich wünscht: mehr Veranstaltungen wie diese, in denen auf die Meinungen und Wünsche von jungen angehenden Ärzten eingegangen wird.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 23-24 / 15.12.2014