Die aktuellen Entwicklungen rund um die Etablierung von Primary Health Care-Zentren in Österreich sowie die vom Land Niederösterreich im Zuge der Novellierung des KA-AZG gewünschten Änderungen waren die zentralen Themen bei der 129. Vollversammlung der Österreichischen Ärztekammer im steirischen Loipersdorf.
Von Agnes M. Mühlgassner
Als eine „nicht ungefährliche Situation“ bezeichnete ÖÄK-Präsident Artur Wechselberger bei der 129. Vollversammlung die Vorgänge rund um die geplante Implementierung von Primary Health Care-Zentren in Österreich. „Durch die hervorragende Zusammenarbeit und das Zusammenspiel vieler in unserer Berufsvertretung ist es uns gelungen, dieses Vorhaben in eine Richtung zu lenken, die eine positive Weiterentwicklung der Primärversorgung, wie wir Ärzte sie sehen, ermöglicht.“ Sein besonderer Dank gelte der Bundeskurie niedergelassene Ärzte sowie allen Landes-Ärztekammern, erklärte Wechselberger. „Es war ein gutes Zusammenspiel und so ist es gelungen, einen Stimmungsumschwung bei unserem Gegenüber zu erzielen.“
Mehrere Wochen sei Primary Health Care „Causa prima“ und somit bestimmendes Thema der Kurie gewesen, wie der Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte, Johannes Steinhart, ausführte. „Große Aufregung“ hätte es rund um die Erstversion dieses Konzepts, das die Abschaffung des Gesamtvertrages und der Einzelordinationen vorgesehen hätte, gegeben. „Das hätte die bisherige Primärversorgung in Österreich ersetzt“, wie der Kurienobmann betonte, denn dieses erste Konzept „hat vor Bürokratie und Formalismen nur so gestrotzt und das Wort ‚Hausarzt‘ ist darin gar nicht mehr vorgekommen“. Zwar hätte der im Gesundheitsministerium zuständige Sektionschef Clemens Auer „Technokraten“ für die Erstellung dieses Papiers verantwortlich gemacht, was Steinhart jedoch nicht ganz nachvollziehen kann: „Es wird wohl doch nicht sein, dass Beamte im Ministerium ihren Gedanken freien Lauf lassen und dies nicht unter wohlwollender Duldung ihrer Vorgesetzten geschieht.“ Daraufhin gelangte eine zwar entschärfte Version dieses Konzepts in Umlauf und „erst dann ist es uns in einigen Gesprächen im Ministerium gelungen, einige für uns untragbare Dinge weg zu verhandeln“, so der Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte. „Es war ein sehr harter Diskussions- und Meinungsbildungsprozess.“ Eines stellte er außerdem klar: „Jeden Versuch, die Hausarzt-zentrierte Versorgung zu zerstören, werden wir nicht zulassen und mit allen demokratischen Mitteln bekämpfen.“
Verzögerung bei ELGA
Ein weiteres zentrales Thema war ELGA. Die Umsetzungsphase hat mit 1. Jänner dieses Jahres begonnen. Wechselberger meinte etwa: „Es ist zu erwarten, dass der Zeitlauf, den die Politik vorgegeben hat, sicherlich nicht einzuhalten ist.“ Wenige Tage später war es Gewissheit: ELGA wird nicht – wie ursprünglich geplant – mit 1. Jänner 2015 in den Spitälern starten, sondern erst Ende 2015 – so der Beschluss der ELGA-Generalversammlung. Wechselberger sieht die Warnungen der ÖÄK bestätigt, wie er daraufhin in einer Presseaussendung erklärte. „Allein die Ankündigung, dass die technischen Tests seitens der ELGA GmbH noch nach dem Roll-out in den Spitälern laufen sollen, zeigt, wie wenig Zeit man sich genommen hat, um vorab die Gegebenheiten in den Spitälern beziehungsweise in den einzelnen Krankenhaus-Informationssystemen auf Kompatibilität zu überprüfen.“ Die Behauptung der ELGA-Geschäftsführerin Susanne Herbek, wonach die Verzögerung des Roll-outs auch mit einem „Kulturwandel“ bei der Ärzteschaft zu tun habe, ist für den ÖÄK-Präsidenten „nicht nachvollziehbar“. Und weiter: „Den Spitalsärzten zu unterstellen, dass sie mehr als ein Jahr brauchen, um sich mit einer neuen Befundstruktur vertraut zu machen und ihnen damit die Mitschuld für eigenes Versagen geben zu wollen, ist absurd.“
Entscheidend: Usability
Wechselberger betonte im Rahmen der Vollversammlung neuerlich, dass es aus Sicht der ÖÄK für die Bevölkerung „unzumutbar ist, dass es keine Opt in-Lösung gibt“. Für die Ärztinnen und Ärzte wiederum sei die Usability der entscheidende Punkt. „Wir werden versuchen, die Anwendbarkeit dieses Gesetzes sicherzustellen.“ Harald Mayer, Kurienobmann der angestellten Ärzte in der ÖÄK, stellte klar, dass „es nicht so ist, dass wir Spitalsärztinnen und Spitalsärzte ELGA ablehnen. Wir hätten nur gern eine nützliche ELGA und davon sind wir zurzeit wirklich meilenweit entfernt“. Hier werde ein „EDV-Moloch gestartet, der insuffizient ist und ins letzte Jahrtausend passt.“
Das von der EU-Kommission angedrohte Vertrags-Verletzungsverfahren wegen der nicht EU-konformen Arbeitszeitregelungen von Spitalsärztinnen und Spitalsärzten sei ein weiteres Thema, „mit dem sich die Kurie derzeit intensiv beschäftigt“, erklärte Mayer. Besonders von Seiten der Länder ortet der Kurienobmann der angestellten Ärzte „massiven Widerstand“, diese EU-konformen Regelungen Gesetz werden zu lassen. Dementsprechend heftig auch seine Kritik an den Forderungen des Landes Niederösterreich. Dieses hatte im Zuge der Novellierung des KA-AZG bekanntlich einen Antrag an die Bundesgesundheitskommission eingebracht, wodurch die Arbeitsbedingungen für Spitalsärzte verschlechtert worden wären. Mayer dazu: „Man versucht hier mit Gewalt die Dinge, die man anders bislang nicht erreicht hat, über die Hintertür Bundesgesundheitskommission, die ja dafür gar nicht zuständig ist, einzuführen.“ Diesen Forderungen erteilte die Vollversammlung der ÖÄK in einer einstimmig verabschiedeten Resolution eine klare Absage.
Mayer betonte, dass die Spitalsträger und die Länder „offensichtlich nicht in der Lage sind, Rahmenbedingungen zu schaffen, dass Ärzte in Österreich bleiben und hier auch arbeiten“. Auf diese Weise – wie es nun das Land Niederösterreich gewollt habe – werde es „sicher nicht möglich sein, Ärzte in Österreich zu halten“. Den Aussagen des Kurienobmanns zufolge verlässt ein Drittel aller Absolventen des Medizinstudiums Österreich, ohne jemals in Österreich als Arzt tätig gewesen zu sein. „Vielleicht sollten die Länder und auch die Spitalsträger Überlegungen anstellen, wie man junge Kolleginnen und Kollegen in Österreich halten kann, anstatt sich mit solch abstrusen Anträgen zu befassen.“
Wenige Tage später konnte ein Beschluss der Bundesgesundheitskommission durch vehemente Intervention der ÖÄK verhindert werden. Der Antrag wurde einer Unterarbeitsgruppe der Bundesgesundheitskommission zur weiteren Beratung zugewiesen.
Bundeskurie niedergelassene Ärzte – Einen Erfolg konnte die Bundeskurie niedergelassene Ärzte der ÖÄK im Zuge der Verhandlungen rund um die geplante Implementierung von Primary Health Care-Zentren in Österreich erzielen: Das Gesamtvertrags-System konnte in vollem Umfang erhalten werden. Über die in den Verhandlungen mit dem Ministerium erzielten Veränderungen informierte in der Sitzung der Bundeskurie niedergelassene Ärzte der ÖÄK Kammeramtsdirektor Johannes Zahrl: • Gesamtverträge • Einzelordinationen in der Primärversorgung • Stellung der Fachärzte Ebenso konnten in den Verhandlungen einige weitere Zufrieden mit dem vorliegenden Verhandlungsergebnis zeigte sich der Obmann der Kurie niedergelassene Ärzte in der ÖÄK, Johannes Steinhart, denn „diese Situation war viel bedrohlicher als 2008. Es war ein Schachzug, um das jetzige System mit einem Federstrich auszuhebeln.“ Es sei in unzähligen, bis in die späte Nacht dauernden Verhandlungen gelungen, „Unwägbarkeiten dieses Papiers herauszuverhandeln“. Mit einem einstimmig verabschiedeten Beschluss nahm die Bundeskurie niedergelassene Ärzte die Version des Konzepts für die künftige Primärversorgung in Österreich in der Version – mit den zuvor angeführten Änderungen – zur Kenntnis. Steinhart: „Das wird uns aber sicherlich nicht davon abhalten, die weitere Vorgangsweise aufmerksam zu verfolgen.“ Gleichzeitig richtete der Kurienobmann einen Appell an die Verantwortlichen im Gesundheitsministerium, den Ländern und der Sozialversicherung, schon in einem wesentlich früheren Stadium die Gespräche mit den Ärzten aufzunehmen und sie nicht erst am Ende von Prozessen einzubinden. Was sich Steinhart außerdem erwartet: „Den vielen großen Worten von der Stärkung des Hausarztes müssen jetzt auch endlich Taten folgen. Das bedeutet, dass die hausärztliche Versorgung effektiv und spürbar gestärkt wird – und zwar so, dass es Patienten und Ärzte merken.“ Wenige Tage darauf wurde das akkordierte Papier zur künftigen Primärversorgung in Österreich in der Bundeszielsteuerungs-Kommission von Bund, Ländern und Sozialversicherung einstimmig beschlossen. |
Bundeskurie angestellte Ärzte – Für Empörung bei den Mitgliedern der Kurie angestellte Ärzte sorgte der Antrag des Landes Niederösterreich an die Bundesgesundheitskommission im Zuge der Novellierung des KA-AZG, der eine deutliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen bedeutet hätte. Mitten in die Sitzung der Bundeskurie angestellte Ärzte in Loipersdorf platzte die Nachricht vom Antrag des Landes Niederösterreich an die Bundesgesundheitskommission – gerade einmal drei Tage, bevor das Ganze dort auch beschlossen werden sollte. Als „Ungeheuerlichkeit“ bezeichnete der Kurienobmann der angestellten Ärzte in der ÖÄK, Harald Mayer, in einer ersten Reaktion diese Wünsche. Stellt der vom niederösterreichischen Landeshauptmann-Stellvertreter Wolfgang Sobotka gezeichnete Antrag „de facto einen Versuch dar, die Arbeitszeithöchstgrenzen auszuhebeln“, so Mayer weiter. Konkret enthält der Antrag folgende Forderungen: Weitere, in diesem Antrag enthaltene Forderungen: Kurienobmann Mayer sieht darin einen „Angriff auf den ArbeitnehmerInnenschutz, die Arbeitsbedingungen in den Spitälern sowie auf das Recht der Patienten, eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung zu erhalten“. Mayer weiter: „Diese vom Land Niederösterreich erhobenen Forderungen stehen im Widerspruch zu den Anforderungen der Praxis und werden von uns strikt abgelehnt.“ Weitere Details dazu gibt es im Bericht über die Vollversammlung der ÖÄK auf Seite 10. |
© Österreichische Ärztezeitung Nr. 13-14 / 15.07.2014