Spitalswesen der Zukunft: Gewohnte Qualität in neuen Strukturen

15.08.2014 | Politik



Künftig soll – so der Beschluss der Kurienversammlung der angestellten Ärzte – der Zugang zu Ambulanzen nur noch nach Zuweisung möglich sein; weiters soll in definierten Regionen je ein Leitkrankenhaus – unter ärztlicher Direktion – an der Spitze der Versorgung stehen. Dieses neue Konzept für das Spitalswesen in Österreich präsentierte kürzlich der Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte der ÖÄK bei einer Pressekonferenz in Wien.

Von Marion Huber

„In gewohnter Qualität, aber in neuen Strukturen“ sollen Patienten künftig im Spitalswesen medizinisch versorgt werden, wie der Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte in der ÖÄK, Harald Mayer, im Rahmen einer Pressekonferenz Mitte Juli berichtete. Das Konzept wurde von der Bundeskurie Angestellte Ärzte entwickelt und einstimmig beschlossen, wie Mayer betonte. Mit dem Konzept „Spitalsärztin/Spitalsarzt 2025“ soll das Spitalswesen für die Zukunft neu aufgestellt und die brennendsten Mängel – überlaufene Ambulanzen, enorme Arbeitsbelastung, überlange Arbeitszeiten, (Turnus-)Ärztemangel etc. – nachhaltig behoben werden.

Das Konzept im Detail:
• Der Zugang zum Spital soll nur noch mit Zuweisung möglich sein
Niedergelassene Allgemeinmediziner und Fachärzte, ärztliches Personal in Pflegeheimen sowie in Gruppenpraxen sollen Patienten künftig zuweisen. Ausnahmen stellen Notfalleinweisungen etwa durch die Rettung dar. Damit soll ungefilterten Selbstzuweisungen ein Riegel vorgeschoben werden. Spitalsambulanzen könnten nicht mehr der erste Anlaufpunkt für Patienten zu jeder Tages- und Nachtzeit sein. „Es wird kein Patient weggeschickt“, erklärte der Kurienobmann der angestellten Ärzte. Jedoch müssten „die Patienten die Spitalsambulanzen endlich als das sehen, was sie sind – nämlich Expertenzentren für Spezial- und Notfälle“. Diese Umstellung bedürfe einer guten Aufklärung und Kommunikation sowie eines Lernprozesses sowohl bei Patienten als auch bei Ärzten. Von heute auf morgen werde das zwar nicht gelingen, sagte Mayer: „Aber wenn wir den Prozess nicht endlich beginnen, wird er nie stattfinden.“

• Die spitalsärztliche Versorgung soll in Regionen neu organisiert und strukturiert werden.
An der Spitze jeder Region steht ein Leitkrankenhaus, das täglich 24 Stunden lang vor allem schwere Erkrankungen und intensiv-medizinische Fälle versorgen soll. In jeder Region soll es nur noch eine medizinisch-fachliche Einheit, etwa der Chirurgie, der Inneren Medizin etc. geben. Jede Abteilung bespielt mit ihrem Facharzt-Pool die gesamte Region. Das würde einschließen, dass Ärzte zwischen den Einheiten pendeln – „aber nicht mehr als notwendig und angemessen“, so Mayer.

Zusätzlich stehen weitere Regional-Krankenhäuser zur Verfügung – wie viele das sind, könne jede Region nach ihrem Bedarf selbst festlegen. Davon abgestuft sollen stationäre Betteneinheiten eingerichtet werden, in denen Fachärzte Visiten und ambulante Versorgung durchführen. Daneben gibt es ärztliche Gruppenpraxen und Ordinationszentren mit fixen Öffnungszeiten und 24-Stunden-Rufbereitschaft. „Keinen Sinn“ sieht Mayer jedenfalls in einem Einheitskonzept für ganz Österreich; die Angebote müssten sich nach den Gegebenheiten in den Regionen richten: Für den Zentralraum müsse es andere Konzepte geben als in der Peripherie, wo man weiter auf Einzelordinationen bauen sollte.

Wie viele und welche Regionen es geben soll, müsste noch evaluiert werden; fest steht jedenfalls, dass sich die Regionen nicht notwendigerweise mit den 32 Versorgungsregionen decken müssen, die der ÖSG (Österreichischer Strukturplan Gesundheit) definiert. Bun- desländergrenzen sollen keine „unüberwindbaren Barrieren“ sein, wenn es für die medizinische Versorgung sinnvoll ist, erklärte der Bundeskurienobmann.

Auch von der kollegialen Führung müsse man sich nach dem neuen Konzept „verabschieden“, ist Mayer überzeugt. Und weiter: „Das ist ein Instrument, das weder zeitgemäß, noch sinnvoll, noch beweglich ist.“ Der Plan: In jedem Leitkrankenhaus soll es nur noch einen ärztlichen Generaldirektor geben, der die Gesamtverantwortung für die Versorgung in der jeweiligen Region trägt. Für die Regional-Krankenhäuser sind ärztliche Standortleiter verantwortlich; sie stehen gemeinsam mit der Pflege und der Verwaltung dem Generaldirektor als Direktorium bei. Untergeordnet bestehen medizinisch-fachliche Einheiten mit einem organisatorisch fachkundigen Leiter, die sich wiederum in verschiedene Expertenteams gliedern.

Zeitgemäße Gesundheitsversorgung

Wird das Konzept umgesetzt, kann den Patienten auch künftig eine „zeitgemäße Gesundheitsversorgung in bewährter Qualität“ geboten werden. Außerdem könnten ärztliche Ressourcen freigespielt und mit einem Schlag viele der derzeit drängenden Probleme im Spitalswesen gelöst werden – wie zum Beispiel:
– Die überlangen Arbeitszeiten könnten reduziert werden, „was mit der Umsetzung der EU-Arbeitszeitrichtlinie nach 17 Jahren nun ohnehin endlich passieren muss“, so Mayer.
– Neue Arbeitszeitmodelle – Stichwort: Work-Life-Balance – könnten geschaffen werden, zwischen denen Ärzte frei wählen können. Die derzeitigen Arbeitszeiten seien für die junge Generation – allen voran auch für die nachkommenden Ärztinnen – „nicht selbstverständlich, sondern selbstverständlich irrwitzig“ (Mayer).
– Arbeitsbedingungen und Karrieremodelle würden attraktiver: So könnten auch junge Ärzte motiviert werden, in Österreich zu bleiben anstatt nach dem Studium ins benachbarte Ausland abzuwandern.

Denn eines steht für Mayer außer Frage: „Der Ärztemangel wird rascher akut, als wir alle gedacht haben.“ Höchste Zeit also, um zu handeln und die weniger werdenden Ressourcen sinnvoller einzusetzen.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 15-16 / 15.08.2014