Mei­nung – Dr. Lukas Stär­ker: Auf­nah­me­tests für das Medi­zi­ni­stu­dium: Kontraproduktiv

10.10.2014 | Politik


Auf­nah­me­tests für das Medi­zin­stu­dium: Kontraproduktiv

Immer wie­der sor­gen die Auf­nah­me­tests an den Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tä­ten (EMS) für Gesprächs­stoff. Denn mit Ein­gangs­tests über­prüft man bes­ten­falls, ob jemand ein guter Stu­dent sein wird.
Von Lukas Stärker*

Eine kri­ti­sche Betrach­tung ergibt aus fol­gen­den Grün­den eine kon­tra­pro­duk­tive Wir­kung: Gegen Ein­gangs­tests spricht, dass diese ja nur Vor­wis­sen prü­fen kön­nen. Aber sagt ein ent­spre­chen­des Vor­wis­sen in natur­wis­sen­schaft­li­chen Fächern etwas dar­über aus, ob die betref­fende Per­son spä­ter eine gute Ärz­tin sein wird? Wohl nicht. Schon viel eher trifft der Ein­gangs­test Aus­sa­gen dar­über, ob jemand ein guter Stu­dent sein wird. Diese Ver­mu­tung unter­stützt auch eine ein­schlä­gige Stel­lung­nahme zum Bericht „Eva­lua­tion der Eig­nungs­tests für das Medi­zin­stu­dium in Öster­reich“ aus dem Jahr 2008, wonach „eine hohe Pro­gno­se­kraft bezüg­lich des Stu­di­en­erfolgs das eigent­li­che Kri­te­rium der Brauch­bar­keit für einen Eig­nungs­test dar­stellt“. Die ent­schei­dende Frage ist: Wol­len wir gute Stu­den­ten oder spä­ter gute Ärzte? Inter­es­sant ist auch die Fest­stel­lung, dass „auch Abge­lehnte das Stu­dium bewäl­ti­gen kön­nen – aber ent­we­der in län­ge­rer Zeit oder mit schlech­te­ren Leis­tun­gen, wenn der Test rich­tig funk­tio­niert“. Damit ist die Katze aus dem Sack: Es geht um ein­fa­che, pfle­ge­leichte und gute Stu­den­ten. Hier sollte der Blick wohl über den Uni-Tel­ler­rand hin­aus auf das spä­tere Berufs­le­ben gerich­tet sein.

Auch der Aspekt Gen­der­un­ter­schied ist als Gegen­ar­gu­ment zu bewer­ten: Nur weil (öster­rei­chi­sche) Frauen beim Test schlech­ter als Män­ner abschnei­den, heißt das nicht, dass sie spä­ter schlech­tere Ärz­tin­nen sein wer­den, denn der EMS soll den Stu­di­en­erfolg vorhersagen.Genau hier ver­fehlt der EMS seine Auf­gabe, da Öster­reich gute Ärzte braucht und nicht bloß gute Studenten.

Staat soll nicht Ein­fluss nehmen

Wenn der Staat die Ent­schei­dung über­nimmt, ob eine bestimmte Per­son ein kon­kre­tes Stu­dium begin­nen darf oder nicht, dann greift er damit nicht nur über Gebühr in das Pri­vat­le­ben sei­ner Bür­ger ein, son­dern über­nimmt damit auch Ver­ant­wor­tung für diese Ent­schei­dung und deren Ein­fluss auf das wei­tere Berufs­le­ben die­ser Per­son. Die Ent­schei­dung, ein bestimm­tes Stu­dium zu begin­nen, sollte dem Bür­ger über­las­sen wer­den. Ein wei­te­rer Aspekt ist die der­zei­tige Alters­ver­tei­lung der Ärzte: Öster­reich kann es sich nicht leis­ten, Talente früh­zei­tig durch Auf­nah­me­tests – mit einer teil­weise hin­ter­fra­gens­wer­ten Che­mie- und Phy­sik­las­tig­keit – von ihrem Berufs­wunsch fern­zu­hal­ten.

Nume­rus Clau­sus: nicht besser

Eigen­ar­tig ist auch die Situa­tion in Deutsch­land, die Stu­di­en­be­rech­ti­gun­gen für bestimmte Fächer u.a. an einen kon­kre­ten Noten­durch­schnitt zu bin­den („Nume­rus Clau­sus“, „Abitur­besten­quote“). Dies hat zur Folge, dass etwa der Che­mie­leh­rer in der Schule durch Aus­sa­gen wie etwa „wenn Du nicht Che­mie lernst, dann gebe ich Dir eine schlechte Note und Du kannst nicht Jus oder Medi­zin stu­die­ren“ Druck auf Schü­ler aus­üben kann. Nur: Was sagt die Che­mie­leis­tung in der Schule über die Fähig­keit, spä­ter ein guter Arzt oder Jurist zu sein, aus? Daher ist es posi­tiv, dass es der Nume­rus Clau­sus noch nicht über die Grenze geschafft hat. 

Zustrom­pro­ble­ma­tik: andere Lösung notwendig

Eines der Argu­mente für einen Auf­nah­me­test bei­spiels­weise an den Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tä­ten ist, dass öster­rei­chi­sche Uni­ver­si­tä­ten sonst von Stu­die­ren­den aus ande­ren EU-Mit­glied­staa­ten über­schwemmt wür­den. Zwei­te­res ist rich­tig, nur ist der Kon­nex zu Ers­te­rem nicht zwin­gend. Rich­ti­ger­weise ist diese Frage auf EU-Ebene bezie­hungs­weise zwi­schen den betrof­fe­nen EU-Mit­glied­staa­ten zu lösen. Wenn die­ses Thema von unse­rem Land mit ebenso gro­ßem Elan wie die Ableh­nung der Ein­füh­rung einer Auto­bahn­maut in Deutsch­land betrie­ben wor­den wäre, dann gäbe es hier wohl schon eine Lösung.

Freier Zugang zum Medizinstudium

Bes­ser und lösungs­ori­en­tier­ter wäre es daher, wenn jeder, der Arzt wer­den möchte, auch ein Medi­zin­stu­dium begin­nen darf. Ein qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­ges Stu­dium sorgt ohne­dies auto­ma­tisch dafür, dass nicht jeder Stu­di­en­an­fän­ger sein Stu­dium abschließt. Daher sollte die in den letz­ten Jah­ren redu­zierte Anzahl der Stu­di­en­plätze im Bereich des Medi­zin­stu­di­ums wie­der erhöht wer­den. Das dafür not­wen­dige Geld sollte uns eine gute künf­tige Ärz­te­ge­ne­ra­tion wert sein.

*) Dr. Lukas Stär­ker ist Kam­mer­amts­di­rek­tor der ÖÄK

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 19 /​10.10.2014