KA-AZG: Die KA-AZG Novelle 2014

25.10.2014 | Politik

Um einem Vertragsverletzungsverfahren zu entgehen, wurde im Herbst 2014 auf Druck der EU eine weitere Novelle des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes (KA-AZG) beschlossen. Die Novelle tritt am 1. Jänner 2015 in Kraft.
Von Lukas Stärker

Im Herbst 2014 wurde auf Druck der EU-Kommission – um einem Vertragsverletzungsverfahren zu entgehen – eine weitere Novelle des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes beschlossen, die u.a.

  • die wöchentliche Durchschnittsarbeitszeit EU-konform gestaltet,
  • einen sofortigen Ruhezeitverbrauch vorsieht und
  • die maximale Dienstdauer stufenweise reduziert.

Die KA-AZG Novelle 2014 wird am 1. Jänner 2015 in Kraft treten.

1. Kritikpunkte der EU

Folgende Passagen des derzeitigen KA-AZG sind nach Meinung der EU-Kommission nicht EU-konform:

  1. Mehr als 48-stündige und damit zu lange wöchentliche Durchschnittsarbeitszeiten;
  2. die Möglichkeit vorübergehender Arbeitszeitverlängerungen mit Durchschnittsarbeitszeiten von mehr als 48 Stunden pro Woche;
  3. die Möglichkeit der Überschreitung der wöchentlichen maximalen Durchschnittsarbeitszeit von 48 Stunden in außergewöhnlichen und unvorhersehbaren Fällen;
  4. die Regelung, dass Ausgleichruhezeiten binnen 17 Kalenderwochen zu verbrauchen sind;
  5. die Regelung, dass nicht konsumierte wöchentliche Ruhezeiten abgegolten werden können.

Die Landespolitik reagierte teilweise überrascht auf diese Rechtsmeinung der EU-Kommission. Hierzu ist anzumerken, dass dieses Thema seit über zehn Jahren bekannt ist, und dass die einzige wirkliche Überraschung darin liegt, dass hier jemand diesbezüglich überrascht war.

2. Zu lange wöchentliche Durchschnittsarbeitszeit

Hauptkritikpunkt der EU-Kommission war die zu lange Durchschnittsarbeitszeit pro Kalenderwoche. Diese kann derzeit – sofern mittels Betriebsvereinbarung vereinbart und bei Zustimmung der Vertreter der betroffenen Dienstnehmer – bis zu 60 Stunden pro Woche betragen.

Pro futuro gilt folgende Regelung: Die wöchentliche Durchschnittsarbeitszeit konkreter Dienstnehmer darf gemäß § 4 Abs 4b KA-AZG bis 30. 6. 2021 nur dann 48 Stunden überschreiten, wenn

  1. durch Betriebsvereinbarung beziehungsweise im Einvernehmen mit der Personalvertretung länger als 48-stündige wöchentliche Durchschnittsarbeitszeiten zugelassen wurden, wobei in dieser Vereinbarung ein konkretes Stundenausmaß enthalten sein muss. Diesfalls darf die wöchentliche Durchschnittsarbeitszeit
    • bis zum 31. 12. 2017 maximal 60 Stunden und
    • bis zum 30. 6. 2021 maximal 55 Stunden betragen

    und wenn zusätzlich

  2. die Vertreter der betroffenen Dienstnehmer dieser Vereinbarung zustimmten, das heißt mit ihnen das Einvernehmen hergestellt wurde und wenn zusätzlich
  3. dieser einzelne Dienstnehmer
    • im Vorhinein und
    • schriftlich
    • zugestimmt hat, pro Woche im Durchschnitt länger als 48 Stunden zu arbeiten, wobei in dieser Vereinbarung ein konkretes Stundenausmaß enthalten sein muss, das
      • bis zum 31. 12. 2017 maximal 60 Stunden und
      • bis zum 30. 6. 2021 maximal 55 Stunden

      betragen darf.

Die Durchschnittsarbeitszeit dieser Dienstnehmer pro Woche darf maximal so hoch sein wie in ihrer jeweiligen Zustimmungserklärung enthalten, sofern dieser Wert innerhalb des durch die Betriebsvereinbarung beziehungsweise Vereinbarung mit der Personalvertretung vorgegebenen Rahmens enthalten ist und dieser Rahmen wiederum § 4 Abs 4b KA-AZG entspricht. Mit anderen Worten: Die Betriebsvereinbarung muss rechtsgültig zustande gekommen sein und der in der Zustimmungserklärung enthaltene Wert muss sich innerhalb dieses Rahmens befinden.

Diese, dem österreichischen Arbeitsrecht an sich systemfremde Übergangsregelung erfolgte auf Basis von Art 22 EU-AZ-RL („Einzel-Opt-out“). Um den Arbeitnehmerschutz nicht vollständig zu konterkarieren, wurde sie lediglich befristet und ausschließlich in Kombination mit einer Betriebsvereinbarung beziehungsweise Vereinbarung mit der Personalvertretung zur Anwendung gebracht.

Ab 1. 6. 2021 beträgt die maximal zulässige Durchschnittsarbeitszeit dann generell 48 Stunden pro Woche.

Die wöchentliche Maximalarbeitszeitgrenze im Falle der Zulassung verlängerter Dienste durch Betriebsvereinbarung und bei Zustimmung der Vertreter der Betroffenen von maximal 72 Stunden pro Woche wird von der EU-AZ-RL 2003/88 nicht tangiert und bleibt daher unverändert aufrecht.

3. Vorübergehende Arbeitszeitverlängerungen

Kritikpunkt 2 der EU-Kommission betraf die in § 8 Abs 3 KA-AZG enthaltene Möglichkeit, durch Betriebsvereinbarung beziehungsweise im Einvernehmen mit der Personalvertretung – sowie bei Einhaltung der weiteren dort genannten Voraussetzungen und im Einvernehmen mit den Vertretern der betroffenen Dienstnehmer – vorübergehende Arbeitszeitverlängerungen („Ausnahmen von § 4“) zu vereinbaren, da damit auch eine Verlängerung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit auf über 48 Stunden im Durchschnitt ermöglicht wurde. Auch dies widersprach Art 6 der EU-AZ-RL 2003/88.

Im Zuge der KA-AZG Novelle 2014 wurde § 8 Abs 3 dahingehend geändert, dass nunmehr nur noch Ausnahmen von § 4 Abs. 4 Z 1 und 3 sowie Abs. 5 vereinbart werden können und insbesondere keine Ausnahmen von § 4 Abs 4 Z 2 KAAZG, der die maximal zulässige wöchentliche Durchschnittsarbeitszeit mit 48 Stunden normiert, mehr möglich sind.

4. Außergewöhnliche und unvorhersehbare Fälle

Kritikpunkt 3 der EU-Kommission betraf die in § 8 Abs 1 KA-AZG enthaltene Regelung, wonach bei außergewöhnlichen und unvorhersehbaren Fällen u.a. § 4 KA-AZG nicht zur Anwendung kommt, da damit auch eine Verlängerung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit auf über 48 Stunden im Durchschnitt ermöglicht wurde. Auch dies widersprach Art 6 der EU-AZ-RL 2003/88.

Im Zuge der KA-AZG Novelle 2014 wurde § 8 Abs 1 dahingehend ergänzt, dass eine Verlängerung der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit nur dann für einen bestimmten Dienstnehmer zulässig ist, wenn dieser einzelne Dienstnehmer schriftlich zugestimmt hat. Diese Zustimmung kann im Unterschied zur Zustimmung nach § 4 Abs 4b KA-AZG ex ante oder ex post erfolgen.

5. Zustimmungserklärung

Hinsichtlich Zustimmungserklärungen sind folgende sechs Punkte zu beachten:

  1. Zustimmungserklärungen haben stets schriftlich zu erfolgen. Mündliche Zustimmungserklärungen sind nicht vorgesehen und daher unwirksam und nicht relevant.
  2. Im Fall des § 4 Abs 4b KA-AZG kann eine Zustimmung zu mehr als 48-stündigen Durchschnittsarbeitszeiten nur im Vorhinein erfolgen, im Fall des § 8 Abs 1 KA-AZG ex ante oder ex post.
  3. Eine schriftliche Zustimmung des einzelnen Dienstnehmers darf nicht im Zusammenhang mit der Begründung des Dienstverhältnisses stehen beziehungsweise erfolgen.
  4. Bereits erteilte schriftliche Zustimmungserklärungen können wie folgt schriftlich widerrufen werden: Mit einer Vorankündigungsfrist von acht Wochen
    • für den nächsten Durchrechnungszeitraum oder
    • bei einem Durchrechnungszeitraum von mehr als 17 Wochen auch für den nächsten 17‑Wochen-Zeitraum oder verbleibenden kürzeren Zeitraum.

    Der Widerruf gilt dann so lange, bis keine anderslautende Willenserklärung des einzelnen Dienstnehmers erfolgt.

  5. § 11 Abs 2 KA-AZG enthält zugunsten der Dienstnehmer folgendes Diskriminierungsverbot: Dienstgeber dürfen Dienstnehmer, die einer Verlängerung der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit im Rahmen des § 4 Abs. 4b und/ oder § 8 Abs. 1 letzter Satz KA-AZG nicht zustimmen oder ihre Zustimmung widerrufen haben, gegenüber anderen Dienstnehmern nicht benachteiligen. Dieses Diskriminierungsverbot betrifft insbesondere sämtliche Arbeitsbedingungen, die Verlängerung von Dienstverhältnissen, Entgeltbedingungen, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, Aufstiegschancen und Beendigung des Dienstverhältnisses.
  6. Dienstgeber müssen ein aktuelles Verzeichnis jener Dienstnehmer führen, die einer Verlängerung der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit schriftlich zugestimmt haben. Bei Widerruf ist der Dienstnehmer aus dem Verzeichnis zu streichen. Diesem Verzeichnis sind Ablichtungen der Zustimmungserklärungen beizulegen.

6. Sofortiger Ruhezeitenverbrauch

Die EU-Kommission geht – in Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH – davon aus, dass Ruhezeiten sofort, das heißt unmittelbar im Anschluss an die jeweilige Arbeitszeit – zu verbrauchen sind. Dem folgend wird § 7 Abs 3 KApolitik AZG, der bisher einen Ausgleichruhezeitverbrauch binnen 17 Kalenderwochen vorsah, dahingehend geändert, dass die für diesen Dienst zustehende Ruhezeit sofort im Anschluss an diesen Dienst zu verbrauchen ist.

Am bereits bisher geltenden Berechnungsmodus für das Ausmaß von täglicher Ruhezeit und Ausgleichsruhezeit hat sich durch die KA-AZG Novelle 2014 nichts geändert.

7. Ruhezeiten nicht abgeltbar

Ein weiterer Kritikpunkt der EU-Kommission am österreichischen KA-AZG betraf § 7a Abs 3 Z 4 KA-AZG. Danach konnte in Ausnahmefällen zur Aufrechterhaltung des Anstaltsbetriebes eine finanzielle Abgeltung der Ersatzruhe vorgesehen werden. Da eine Abgeltung jedoch keine Arbeitnehmerschutzmaßnahme ist, wurde diese Möglichkeit aufgrund des Widerspruchs zu Art 5 der EUAZ-RL 2003/88 ersatzlos gestrichen.

8. Stufenweise Reduktion der Maximaldauer eines verlängerten Dienstes

Die KA-AZG Novelle 2014 enthält nicht nur Regelungen über eine Reduktion der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit, sondern auch eine stufenweise Reduzierung der Maximaldauer eines verlängerten Dienstes von Ärzten und Apothekern: Die Dauer eines verlängerten Dienstes darf – sofern rechtskonform zugelassen -,

  • bis zum 31. 12. 2017 32 Stunden, bei einem verlängerten Dienst, der am Vormittag eines Samstages oder eines Tages vor einem Feiertag beginnt, 49 Stunden und
  • von 1. 1. 2018 bis zum 31. 12. 2020 für alle verlängerten Dienste 29 Stunden und
  • ab 1. 1. 2021 25 Stunden

nicht überschreiten.

9. Weitere Inhalte der Novelle

Weitere Neuregelungen betreffen u.a. folgende Punkte:

  • Ins KA-AZG wurde folgende Abwesenheitszeitenregelung aufgenommen: Wenn in einen Durchrechnungszeitraum gerechtfertigte Abwesenheitszeiten fallen, dann sind für die Berechnung der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit
    1. wenn die Diensteinteilung zum Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Dienstverhinderung durch den Dienstgeber bereits getroffen wurde, die in der Diensteinteilung vorgesehenen Arbeitszeiten heranzuziehen;
    2. wenn die Diensteinteilung zum Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Dienstverhinderung durch den Dienstgeber noch nicht getroffen wurde, die tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten zu addieren und durch die um die Ausfallstage reduzierte Wochenanzahl zu dividieren.
  • Verlängerte Dienste sind auch bei einer wöchentlichen Durchschnittsarbeitszeit von maximal 48 Stunden nur zulässig, wenn durch entsprechende organisatorische Maßnahmen dafür gesorgt wird, dass den Dienstnehmern während der verlängerten Dienste ausreichende Erholungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.
  • Eine neue Sonderregelung für die ersten drei Monate Betriebsdauer einer neu errichteten Sonderkrankenanstalt oder eines Heimes für Genesende: Bis zum Ablauf von drei Monaten nach der erstmaligen Betriebsaufnahme sind verlängerte Dienste von maximal 25-stündiger Dauer auch zulässig, wenn dies zunächst mit den ärztlichen Arbeitszeitvertretern und danach zusätzlich mit den einzelnen Dienstnehmern schriftlich vereinbart wurde. Diese Vereinbarungen werden mit Inkrafttreten einer „normalen“ KA-AZG Betriebsvereinbarung unwirksam, spätestens aber mit Auslaufen der Frist von drei Monaten ab erstmaliger Betriebsaufnahme. Zusätzlich ist diese Regelung zum Schutz der betroffenen Dienstnehmer mit einem Diskriminierungsverbot versehen.
  • Die Möglichkeit der Verlängerung des Durchrechnungszeitraums für Ärzte und Apotheker durch Betriebsvereinbarung sowie mit Zustimmung der Vertreter der Betroffenen auf bis zu 52 Wochen bei Vorliegen von objektiven Gründen technischer oder arbeitsorganisatorischer Art und
    • wenn die maximale Durchschnittsarbeitszeit 48 Stunden pro Woche beträgt oder
    • bei vorübergehenden Arbeitszeitverlängerungen iSd § 8 Abs 3 KA-AZG, denn hier gibt es ab 1.1.2015 keine Verlängerungsmöglichkeiten der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit über die 48-Stunden-Grenze hinaus.

10. Fazit

Dass im Bereich des KA-AZG Handlungsbedarf hinsichtlich Herstellung EUkonformer Regelungen bestand, ist seit vielen Jahren bekannt. Dennoch bedurfte es eines Anstoßes „von außen“ – konkret von der EU-Kommission – um den notwendigen Druck für eine Novellierung zu erzielen.

Die vorliegende Novelle stellt einen EU-konformen Kompromiss zwischen Arbeitnehmerinteressen und Arbeitgeberinteressen dar. Beide Seiten sind nun im Zuge der Umsetzung beziehungsweise Anwendung gefordert, das Gespräch zu suchen, da ihre Gestaltungsmöglichkeiten erweitert wurden. Bis 30.6.2021 geltende Übergangsregelungen federn die Umstellung ab.

*) Dr. Lukas Stärker ist Kammeramtsdirektor der ÖÄK

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 20 / 25.10.2014