E-Medikation: Die Kritik des Rechnungshofs

25.03.2014 | Politik

Der Rechnungshofbericht übt heftige Kritik am Pilotprojekt E-Medikation: Die Aussagekraft sei mangelhaft, bei der Projektdurchführung hätte es Mängel gegeben und auch der Kostenrahmen wurde um 25 Prozent überschritten.
Von Agnes M. Mühlgassner

Im Bericht des Rechnungshofs liest sich das konkret folgendermaßen: „Die Aussagekraft des Pilotprojekts war allerdings durch mehrere Faktoren insbesondere durch die geringe Teilnehmerzahl und die fehlende Flächendeckung erheblich eingeschränkt.“ So konnte das ursprünglich gesetzte Ziel, mindestens fünf Prozent der E-Card-Besitzer in einer der drei Pilotregionen für die Teilnahme zu gewinnen, nicht erreicht werden. In den beiden Wiener Bezirken Floridsdorf und Donaustadt betrug die Teilnahmequote 0,6 Prozent (von 153.000 E-Card-Besitzern), in Oberösterreich 1,5 Prozent (von 218.000 E-Card-Besitzern) und in Tirol 2,3 Prozent (von 132.000 E-Card-Besitzern). Die angestrebte Zahl von rund 25.000 teilnehmenden E-Card-Besitzern im Pilotprojekt wurde laut Rechnungshof „in allen drei Versorgungsregionen deutlich verfehlt“. Ähnlich die Situation bei den Ärzten: Anstelle der geplanten Mindestzahl von 150 waren es im Evaluierungszeitraum lediglich 85 Ärzte, die am Projekt teilnahmen (54 Allgemeinmediziner, davon 13 mit Hausapotheke sowie 31 Fachärzte).

Die Prüfer des Rechnungshofs konstatieren auch „Mängel in der Projektdurchführung“.

  • So erhöhten sich durch die viermonatige Verschiebung des Projekt-Starts von Dezember 2010 auf April 2011 die Kosten um rund 189.000 Euro.
  • Die Kosten für die wissenschaftliche Evaluierung in der Höhe von rund 129.000 Euro wurden nicht dem Pilotprojekt zugerechnet, sondern aus dem Budget der ELGA GmbH finanziert.
  • Auch nicht eingerechnet wurden Geldbußen in der Höhe von 34.000 Euro, die vom Bundesvergabeamt über den Hauptverband verhängt wurden. (Konkret ging es dabei einerseits um die rechtswidrige Vergabe der Verträge zwischen den Softwareherstellern und dem Hauptverband über den „Umweg“ Ärzte und andererseits darum, dass der Hauptverband den Auftrag für die E-Medikationssoftware ohne Ausschreibung vergeben hat.)
  • Die Gesamtkosten des Pilotprojekts betrugen rund 3,9 Millionen Euro und lagen somit um rund 24 Prozent über dem ursprünglichen Budget von 3,15 Millionen Euro.
  • Wegen fehlender Einsichtsmöglichkeiten in den Vertrag zwischen Pharmazeutischer Gehaltskasse und dem IT-Dienstleister verfügte der Hauptverband für rund 27 Prozent des ursprünglichen Budgets über keine Kontrollmöglichkeiten. (Diese 27 Prozent – rund 865.000 Euro – betrafen Adaptionen des Systems, das von der Österreichischen Apothekerkammer zusammen mit einem IT-Dienstleister bereits im Rahmen des Salzburger Projekts „Arzneimittelsicherheitsgurt“ verwendet wurde).

Aufgezeigte Warnungen

Was nun die im Rahmen des Pilotprojekts E-Medikation, eine der vier Kernanwendungen von ELGA, aufgezeigten Wechselwirkungen anlangt, waren es insgesamt 16.570 Warnungen, darunter 110 schwerwiegend, was 0,7 Prozent der Gesamtwarnungen entspricht. Das Resümee im Bericht des Rechnungshofs dazu lautet wie folgt: „Die Benutzerfreundlichkeit, die Softwarequalität und die Antwortzeiten für den Endanwender waren laut Evaluierungsstudie verbesserungsfähig.“

„Nicht nachvollziehbar“ sind laut Rechnungshof die im Arbeitspapier der ELGA GmbH genannten jährlichen Kostendämpfungen durch die E-Medikation ab 2017 in der Höhe von 6,7 Millionen Euro – aufgrund der Vermeidung von Doppelmedikationen. Diese Schätzung sei weder durch Berechnungen im Zuge des Pilotprojekts noch durch die Ergebnisse der wissenschaftlichen Evaluierung, die vom Zentrum für Medizinische Statistik der Medizinischen Universität Wien durchgeführt wurde, gestützt, sagen die Prüfer des Rechnungshofs. Ausgehend von den 6.700 Duplikats- und Intervallwarnungen ermittelten die Prüfer selbst „näherungsweise“ das Kostendämpfungspotential des Projekts und verwendeten als Durchschnittspreis 14,60 Euro pro Medikamentenpackung (Angabe laut ELGA GmbH). Das Fazit der Prüfer: Aus dem Pilotprojekt hätten sich Kostendämpfungen von rund 88.000 Euro ergeben.

In seiner kritischen Haltung bestätigt sieht sich der Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte in der ÖÄK, Johannes Steinhart. „Uns Ärzten hat man im Zuge des Pilotprojekts permanent vorgeworfen, Verhinderer zu sein, wenn wir auf die technischen, medizinischen und organisatorischen Mängel hingewiesen und Änderungen gefordert haben.“ Hier hätte die wissenschaftliche Evaluierung alle Kritikpunkte bestätigt. Wobei Steinhart jedoch ganz generell „systemimmanente“ Mängel bei der Vorbereitung und Planung ortet: „Man hat nicht auf die Ärzte gehört, ihre Expertise nicht berücksichtigen wollen. Dass die Kritik des Rechnungshofs dann derart desaströs ausfällt, darüber muss man sich nicht wirklich wundern.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 6 / 25.03.2014